Impfen und Medikamentencheck: Fragen Sie bei Gesundheitsproblemen ihre Apothekerin!
Die Apotheken verdienen ihr Geld mit dem Verkauf von Medikamenten, 2024 gingen Präparate im Wert von über 10 Milliarden Franken über die Ladentheken der 1830 Apotheken in der Schweiz. Angesichts der guten Ausbildung können Apothekerinnen und Apotheker aber viel mehr als «nur» Verkaufen: Sie können Medikamente selber herstellen, sie können sie besser aufeinander abstimmen, sie können kleine Wunden versorgen oder Patienten impfen.
Lange haben sie für solche Leistungen kein Geld von den Krankenkassen erhalten. Das hat sich mit der Einführung des Apothekertarifs 2001 teilweise geändert. Seither werden gewisse Apothekerleistungen vergütet, sie sind jedenfalls nicht mehr im heutigen Arzneimittelpreis enthalten.
Wenn nun 2026 der alte Tarif von einer überarbeiteten Version abgelöst wird, weitet sich der Wirkungsbereich der Apotheken nochmals aus.
Der Bundesrat ist überzeugt, dass Apotheken die Grundversorgung preisgünstig stärken und beispielsweise die Auswirkungen der alternden Gesellschaft und des Ärztemangels abfedern können. Auch für Patientinnen und Patienten ergeben sich mit der jüngsten Neuerung konkrete Vorteile.
Tiefere Medikamentenkosten. Die Abgabe von Biosimilars wird gefördert. Das sind günstige Nachahmerprodukte von biologischen Medikamenten, die in ihrer Wirkung gleichwertig sind. Die Apotheken erhalten nun einen höheren Betrag als Anreiz, diese vermehrt den Patientinnen abzugeben. Abklärungen wie die Rücksprache mit dem behandelnden Arzt sind auch enthalten. Unter dem Strich lassen sich dadurch Medikamentenkosten sparen.Höhere Sicherheit bei Einnahme von mehreren Medikamenten. Neu wird die maschinelle Verblisterung finanziert. Davon profitieren vorab Heime mit Patienten, die mehrere Medikamente parallel einnehmen müssen. Die in durchsichtigen Plastiksäckli abgepackten Medikamente verbessern die Abgabequalität, weil es nicht zu Verwechslungen kommt. Zudem entlasten sie das Pflegepersonal, das die Pillen nicht mehr sortieren muss. Auch Patienten können ihre Medikamenten für ihre Bedürfnisse spezifisch abgepackt verlangen, sofern der Arzt dies verschreibt und mindestens drei Medikamente eingenommen werden müssen. Schliesslich beugen die Blister auch Medikamentenverschwendung vor.Die höchste Apothekerin im Land, Martine Ruggli sagt, die Tarifänderungen seien «sehr wichtig». Sie wird unterstützt von Saskia Schenker, der Direktorin des Krankenkassenverbands prio.swiss: «Der neue Apothekertarif schafft mehr Sicherheit bei der Medikamentenabgabe und fördert den Einsatz von kostengünstigeren Biosimilars.» Sie spricht von wichtigen Verbesserungen für das Gesundheitssystem und für die Prämienzahlenden.
Trotz klarem Willen malen die Mühlen langsam
Für Ruggli ist dies allerdings nur einer von vielen Schritten, um die Apotheken als Erstversorger im System zu stärken. An der besseren Positionierung arbeitet der Apothekerverband Pharmasuisse intensiv. Er hat sich zum Ziel gesetzt, in der medizinischen Grundversorgung eine zentrale und koordinierende Rolle zu übernehmen. Das Manko heute: Leistungen, welche in einem Spital oder einer Arztpraxis gemacht werden, vergütet die Krankenkasse. Wenn die Apotheke die Leistung übernimmt, zahlt hingegen die Patientin oder der Patient. Dazu gehören Impfungen, Allergietests sowie die Versorgung leichter Wunden.
Gerade beim Impfen sieht Martine Ruggli, dass die Apotheken diese Aufgabe günstig und niederschwellig anbieten können. «Es ist eine kostendämpfende Leistung, die das ganze System weiterbringt: Durch die Erhöhung der Impfrate erhöhen wir die Gesundheit der Bevölkerung.»
Die Politik hat in diesem Bereich nun vorwärtsgemacht. Das Parlament hat im März das zweite Kostendämpfungspaket verabschiedet, das Apotheken mehr Befugnisse gewährt. Jetzt muss die Verordnung angepasst werden, und die Leistungen müssen tarifiert und durch den Bundesrat genehmigt werden. Ruggli geht davon aus, dass Krankenkassen die Impfungen in Apotheken erst ab 2027 zahlen.
Ähnlich umständlich ist die Aufnahme von Apotheken in nationale Präventionsprogramme – etwa die Darmkrebs-Vorsorge.
Zentrale Massnahme zur Kostendämpfung
Der Kern der neuen Befugnisse ist eine Leistung, um die Therapie zu optimieren, die Medikationsanalyse. Die Apothekerinnen und Apotheker kennen die Wirkstoffe und ihre Wechselwirkungen am besten. Sie sollen in Absprache mit dem behandelnden Arzt die Patienten beraten, die viele Medikamente einnehmen – oder erstmals ein neues, kritisches Medikament verschrieben bekommen. Weniger Medikationsfehler führen zu höherem Wohlbefinden und auch zu weniger Spitaleintritten und Ärztekonsultationen, was sich positiv auf die Gesundheitskosten auswirkt.
Auch die mangelhafte Therapieadhärenz soll durch die Apotheken verbessert werden. Heute halten sich rund 40 Prozent der Patientinnen und Patienten nicht an den vereinbarten Therapieplan und nehmen Medikamente nur unregelmässig oder gar nicht ein. Auch hier sieht Martine Ruggli grosses Potenzial: «Gesundheitskosten können sehr stark gesenkt werden, wenn der Patient seine Medikamente richtig einnimmt. Ein Patient, der seine Medikamente nicht korrekt einnimmt, kostet viermal mehr als ein therapietreuer Patient, beweisen Studien.»
Das Parlament sieht das ähnlich, es will diese Leistungen vergüten. Bis es so weit ist, dürfte es aber noch zwei bis drei Jahre dauern.
