In der Schweiz sind immer mal wieder Medikamente knapp. Die Politik ist alarmiert. Eine wirkliche Lösung ist aber nicht in Sicht.
Einen Höhepunkt der Mangellage hat die Schweiz zu Beginn des vergangenen Jahres gesehen, als annähernd 1000 Medikamente nicht lieferbar waren. Die Medien hatten sich seinerzeit überschlagen und auch die Politik nahm sich des Themas an.
Dabei ist das Problem schon seit Jahren bekannt. So akut wie zuletzt war es allerdings in der Vergangenheit nie. Wie eine Auswertung der Nachrichtenagentur AWP der Daten des Online-Portals «drugshortage.ch» zeigt, sind aktuell etwas mehr als 600 Medikamente nicht lieferbar.
Für Pierre Voirol, stellvertretender Chefapotheker im Centre Hospitalier Universitaire Vaudois (CHUV), liegt die gesteigerte Aufmerksamkeit für das Thema auch daran, dass der Mangel mittlerweile eine grössere Patientengruppe betrifft.
«Etwas zynisch ausgedrückt: Als es um Engpässe bei Medikamenten für ältere Menschen ging, kümmerten sich die Politiker nicht allzu sehr darum», sagt er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AWP. «Aber als es anfing, ihre Ehepartner und Kinder zu betreffen, wie bei dem Mangel an Ibuprofen für Kinder vor anderthalb Jahren, da wurde es plötzlich zu einem echten Problem.»
Die Gründe für diese Mangellagen sind vielschichtig. Vieles hat dabei mit Globalisierung und einer auf Effizienz und Profit getrimmten Gesellschaft zu tun. So stammt ein Grossteil der in der Medikamentenproduktion verwendeten Wirkstoffe aus China, Indien, den USA und Grossbritannien. Auch die modernen Lieferkettenkonzepte wie eine «Just-in-time»-Belieferung gehören zu den Ursachen, wie das BAG kürzlich schrieb.
«In diesem extrem angespannten System kann das kleinste Sandkorn im Getriebe, die kleinste zurückgewiesene Charge, zu einer Versorgungsunterbrechung führen», sagt Voirol vom CHUV. Weiter belastet wurde das System durch den Ausbruch des Ukraine-Krieges. Die Ukraine gilt als ein wichtiger Lieferant für Pharma-Verpackungen und Teile davon.
Das grösste Problem an dieser Situation war, dass für viele Beteiligte nicht erkennbar war, wo genau sich ein neuer Engpass anbahnte oder bereits vorhanden war. Davon sind nicht nur Patienten betroffen, sondern auch Ärzte und Apotheken, die damit immer wieder vor Herausforderungen stehen.
Enea Martinelli, Spitalapotheker und Vorstandsmitglied beim Apothekerverband, hat dies dazu gebracht, die Seite «drugshortage.ch» ins Leben zu rufen. Bis dahin gab es keine vergleichbare Übersicht darüber, welche Medikamente konkret gerade knapp sind. Das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) hat zwar auch eine Liste, sie erfasst aber in erster Linie unentbehrliche Medikamente.
Martinelli betreibt die Seite auf eigene Initiative hin, wobei zahlreiche Hersteller Lieferengpässe von sich aus melden. Auch das Genfer Universitätsspital (HUG) oder die Online-Apotheke Zur Rose stellen Plattformen für Medikamentenengpässe bereit.
Die Engpässe zu erkennen, ist ein erster Schritt. Dann müsse man schauen, welche Medikamente wichtig sind für die Schweiz und nach Lösungen suchen, fordert etwa Martinelli. Er verweist dabei auf Frankreich, das eine solche Liste erstellt hat. «Diese Aufgabe haben wir noch nicht erledigt, weil sich auch niemand dafür zuständig fühlt und das ist ein Problem.»
Auch Voirol nimmt das Nachbarland Frankreich als Beispiel. So werde etwa Paracetamol wieder in Frankreich hergestellt. Christoph Metzler, Leiter Markt bei der Galenica-Sparte Galexis, glaubt unterdessen nicht daran, dass dies ein Weg ist, den man hierzulande einschlagen wird.
Denn viele der Medikamente, die schwer oder gar nicht zu bekommen sind, sind eher aus dem Tiefpreisbereich. «Für die hier ansässigen Firmen rentiert es sich einfach nicht, Medikamente herzustellen, für die sie vielleicht 70 Rappen die Packung erhalten», sagt er im Gespräch mit AWP. Ganze Produktionsreihen dürften also nicht zurückgeholt werden.
Eine Möglichkeit, die gerade den Spitäler zur Verfügung steht und mit dem sie punktuell akuten Versorgungsdruck rausnehmen können, ist es selbst in die Produktion zu gehen. Spitälern ist es möglich, zu einem gewissen Grad selbst bestimmte Arzneien herzustellen.
Eine weitere Möglichkeit ist die Beschaffung im Ausland, sagt Christian Henseler, der den strategischen Einkauf bei der Online-Apotheke Zur Rose leitet. Oder man greift auf ein alternatives Produkt zu, welches den gleichen Wirkstoff enthält.
Auch über die Lagerhaltung sei es möglich, dem anhaltenden Engpass ein wenig entgegenzuwirken. Lösen kann man das Problem damit freilich nicht, weil manche Medizin auch sehr komplexe Anforderungen an die Lagerhaltung stellt.
Wahrscheinlich werden sich die Menschen damit abfinden müssen, dass auch in Zukunft bestimmte Medikamente einfach mal fehlen. «Es findet ein Gewöhnungs- Anpassungsprozess statt - aber auch eine gewisse Resignation ist zu beobachten», fasst es Henseler zusammen.
Immerhin hat auch die Politik den Handlungsbedarf erkannt. Schon in einigen Wochen soll der Bundesrat über bestimmte Teilprojekte entscheiden, die zu einer besseren Versorgung in der Schweiz führen sollen. Aspekte sind neben einer engeren internationale Vernetzung etwa die Lagerhaltung oder auch Anreize zur Herstellung lebenswichtiger Medizin.
Für den Apotheker Martinelli ist dies zentral: «Es ist wichtig, dass auch ein kleines Land wie die Schweiz nicht einfach aufgibt, sondern weiter nach Lösungen sucht.» (sda/awp)
Wenn die Pharmas dank Urheberrecht fett absahnen haben sie auch die pflicht zu liefern.
wenn sie das nicht können dürfen sie auch nicht rumheulen wenn ihnen Geld durch die lappen geht.
Ich bin überzeugt wenn diese regelung eintritt finden die pharmas eine möglichkeit das zeug doch zu liefern.
Und warum haben wir einen Engpass in der Schweiz? Weil alle Pharmaunternehmen alles so weit wie nur möglich „optimieren“ zwecks maximalem Gewinn. Ergo geile Löhne und Boni für das Management und Dividenden sowie geile Kursentwicklung für die Anleger.
Was interessiert da noch die Bevölkerung!