Dank neuartiger und zielgerichteter Therapien hat Krebs einen Teil seines Schreckens verloren. Doch je nach Art verläuft die Krankheit sehr unterschiedlich – und allzu häufig immer noch tödlich.
Der Erfolg der Brustkrebs-Screenings weckt Neider. In vielen Kantonen werden alle Frauen zu Untersuchungen eingeladen, in anderen gar keine – wobei wegen der fehlenden Finanzierung jetzt alle Programme auf der Kippe stehen. Es stellt sich die Frage: Wieso gibt es nicht für alle Krebsarten solche Früherkennungsprogramme, um die Krankheit besser zu bekämpfen?
Damit die Früherkennung auch eine Wirkung auf die Krebsbehandlung hat, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, wie der Verband Swiss Cancer Screening schreibt. Bei seltenen Arten lohnt sich der Aufwand beispielsweise schlicht nicht, alle Menschen zu untersuchen. Weiter braucht es eine zuverlässige und einfache Untersuchungsmethode sowie eine wirksame Therapie.
Damit fallen mehrere Krebsarten bereits durch. Um einen Hirntumor zu erkennen, müssten beispielsweise regelmässig Bilder mittels Computertomografie (CT) gemacht werden. Kosten und Aufwand wären zu gross, um den vergleichsweise seltenen Krebs zu finden. Auch beim Eierstock-Krebs ist die Vorsorge schwierig, weil es keine verlässlichen Tests gibt. Ähnlich sieht es bei sehr aggressiven Krebsarten aus, etwa beim Pankreas-Karzinom. Viele Therapien wirken ungenügend gegen den Bauchspeicheldrüsenkrebs. Es hilft darum leider nicht viel, wenn er früh entdeckt wird.
Anders stellt sich die Lage bei den fünf häufigsten Krebsarten dar. Entweder sind Programme bereits etabliert – wie bei Brust- und Darmkrebs. Oder sie stehen zur Diskussion. Ein Knackpunkt dabei ist, wer die Vorsorge bezahlt. Denn nur manche Screenings, wie jenes gegen Darmkrebs, sind vom Bund genehmigt und damit für Patientinnen und Patienten unabhängig vom Wohnort kostenlos.
Mit der hohen Betroffenheit, einer effizienteren Therapie durch Früherkennung sowie einem relativ zuverlässigen Test erfüllt der Brustkrebs die wissenschaftlichen Bedingungen für organisierte Screenings. Weil Männer nur selten an Brustkrebs erkranken, richten sich die Programme aber nur an Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren. Sie werden in vielen Kantonen regelmässig per Brief eingeladen, eine Mammografie zu machen, ein Röntgenbild der Brust. Zwei Experten beurteilen unabhängig das Bild. Besteht ein Verdacht auf Brustkrebs, folgen weitere Abklärungen. Wenn nicht, wird die Frau nach zwei Jahren zum nächsten Screening eingeladen.
Zwar erkranken zunehmend auch jüngere Frauen an Brustkrebs. Die Mammografie wird aber nicht ausgedehnt, weil die Bilder aufgrund des dichteren Brustgewebes nicht gleich aussagekräftig sind.
Daten aus der Schweiz belegen den Erfolg. Das Programm «Donna» der Krebsliga Ostschweiz konnte die Zahl der Brustamputationen bei jenen Frauen halbieren, die ab 50 alle zwei Jahre zu den Screenings erscheinen. Auch müssen sie weniger häufig eine Chemotherapie über sich ergehen lassen. Rudolf Morant, der Präsident der Krebsliga Ostschweiz, sagt: «Wenn wir den Krebs früh entdecken, können wir eher auf aggressive Therapien verzichten.» Auch die Chancen, den Krebs zu überleben, steigen. Über achtzig Prozent der Frauen, die an den Präventionsprogrammen teilgenommen haben, lebten mit einer Krebsdiagnose mehr als zehn Jahre weiter.
Wichtige Bedingungen für ein Screening-Programm erfüllt auch der Prostatakrebs. Männer sind von Prostatakrebs noch häufiger betroffen als Frauen von Brustkrebs. Auch hilft die Früherkennung, den Krebs besser zu heilen.
Der grosse Streitpunkt ist aber die Testmethode. Blut wird mit dem PSA-Test auf ein bestimmtes Protein untersucht. Ist der Wert erhöht, besteht das Risiko, dass ein Tumor vorhanden ist. Der Blutwert ist allerdings kein zuverlässiges Zeichen: Denn auch eine harmlose Entzündung oder eine grosse Prostata können den PSA-Wert zu hoch erscheinen lassen.
Im Unterschied zum Brustkrebs, wo über Ultraschall und Gewebeproben weitere Abklärungen komplikationslos möglich sind, kann die Prostata nur mit Schwierigkeiten weiter untersucht werden. Abklärungen in der MRT-Röhre liefern oft keine eindeutigen Resultate. Und wenn eine Biopsie genommen wird, besteht die Gefahr, das umliegende Gewebe zu beschädigen und Blutungen zu verursachen.
Wenn verdächtige Befunde dann operativ entfernt werden, besteht ein Risiko unangenehmer Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Impotenz – neben Infektionen. Weil zudem längst nicht alle Tumore aggressiv sind und entfernt werden müssen, sind Urologen bei der Behandlung verdächtiger Zellveränderungen auch eher vorsichtig und versuchen, unnötige Operationen zu vermeiden.
Ein erhöhter Blutwert und eine ärztliche Empfehlung für keine weitergehende Behandlung können Patienten verunsichern. Darum empfehlen viele Fachgesellschaften, dass nur jene Männer den Test durchführen lassen, die bestimmte Risikofaktoren für aggressiven Krebs aufweisen.
Das Screening mittels PSA-Wert ist dementsprechend umstritten – und wird in vielen Ländern nicht mehr generell empfohlen, wie etwa die diesen Monat überarbeitete Richtlinie der Deutschen Gesellschaft für Urologie festhält. Sondern vermehrt nur für Männer, die noch eine besonders lange Lebenserwartung haben und sich ausdrücklich abklären lassen wollen. Dies auch, weil das Risiko für verdächtige Prostataveränderungen, die meist harmlos sind, ab dem Alter von 70 massiv steigt.
Darmkrebs gilt heute als Paradebeispiel für einen Tumor, der mithilfe eines Screenings effizient bekämpft werden kann. Er tritt im Vergleich zu anderen Krebsarten relativ häufig auf und kann über günstige Stuhltests durchgeführt werden. Wenn Patienten sich für das andere Früherkennungsverfahren via Darmspiegelung entscheiden, ist der Befund auch mit grosser Sicherheit richtig einteilbar. Verdächtige Zellklumpen können dabei leicht entfernt werden, sodass ein gefährlicher Krebs im Spätstadium verhindert wird – was zum Beispiel beim Prostatakarzinom nicht im Rahmen der Biopsie gemacht werden kann.
Weil Darmkrebs im fortgeschrittenen Stadium viel schlechter heilbar ist, sind sich Experten einig, dass Früherkennungsprogramme hier Sinn ergeben.
Ab 50 Jahren werden Männer und Frauen deshalb in vielen Kantonen per Post eingeladen, alle zwei Jahre einen Bluttest durchzuführen. Erweist sich der Test als auffällig, folgt eine Darmspiegelung. In Kantonen mit organisiertem Programm übernimmt die Kasse die Kosten ohne Anrechnung auf die Franchise. In anderen Kantonen gelten reguläre Abzüge. Die Darmspiegelung ist aufwendiger und kostet den Patienten etwas über 100 Franken.
Lungenkrebs ist die häufigste krebsbedingte Todesursache. Er ist aber schwierig zu finden, weil manche aggressiv streuende Formen klein und schwierig identifizierbar sind. Die Suche nach Lungenkrebs mit der CT-Röhre ist auch aufwendiger als andere Krebs-Screenings. Es wird deshalb aktuell darüber diskutiert, ein Präventionsprogramm nur für Raucher einzuführen, weil diese ein massiv erhöhtes Risiko für diese Tumorart haben.
In der Schweiz gibt es erste Pilotprojekte dazu in Lausanne und Zürich. Raucherinnen und Raucher zwischen 55 und 74 Jahren, die während 30 Jahren täglich mindestens eine Packung Zigaretten geraucht haben, können etwa am Zürcher Unispital kostenlos an einer Suchstudie teilnehmen (Link im Onlineartikel). Das Schweizerische Expertengremium für Krebsfrüherkennung empfiehlt, solche Angebote für Raucher überall einzuführen. Noch gibt es die Programme nicht in vielen Ländern – aber beispielsweise in den USA.
Gegner dieser Screening-Methode verweisen auf die hohe Zahl zu Unrecht als Krebs diagnostizierter Befunde. Befürworter führen dagegen vor allem an, dass Lungenkrebs – wenn er früh entdeckt wird – herausoperiert werden kann. Wird er spät entdeckt, gilt er aber als unheilbar und endet oft tödlich.
Die Zahlen zum Hautkrebs sind alarmierend: Die Schweiz weist die weltweit drittgrösste Rate an jährlich neu auftretenden Hautkrebs-Fällen auf, noch mehr Hautkrebs pro Kopf wird nur in Australien und in Neuseeland diagnostiziert. Dort sind die katastrophalen Zahlen allerdings mit dem Ozonloch erklärbar, welches über Ozeanien auftritt und für eine besonders intensive UV-Strahlung sorgt. Dennoch gibt es hierzulande kein organisiertes Präventionsprogramm.
Die Krebsliga führt jährlich einen Nationalen Hautkrebstag durch. An diesem können Interessierte kostenlos und ohne Anmeldung an einer Partnerklinik vorbeigehen, um auffällige Hautveränderungen überprüfen zu lassen.
Dieses Jahr fand der Tag am 5. Mai statt, das nächste Datum ist noch unbekannt. Ein von der Krankenkasse bezahltes, regelmässiges Screening erhalten nur Personen mit erhöhtem Risiko – etwa wegen Hautkrebs in der Familie oder einer extrem hohen Zahl von Muttermalen. Anders ist das in Deutschland, das als einziges Land in Europa seinen Bürgern ein flächendeckendes Suchprogramm anbietet. Alle gesetzlich Versicherten ab 35 dürfen dort alle zwei Jahre zur kostenlosen Untersuchung.
In der Schweiz wurde bisher kaum ein nationales Hautkrebs-Screening gefordert. Dies einerseits wegen der hohen Kosten, andererseits wegen des Mangels an Dermatologen, die solche Untersuchungen durchführen könnten.
Aktuell arbeitet das Bundesamt für Gesundheit an einem nationalen Krebsplan, der eine Strategie für den Umgang mit diesen fünf häufigen Krebsarten beinhalten soll. Wie das Bundesamt für Gesundheit auf Anfrage der «Schweiz am Wochenende» bekannt gab, wird erwartet, dass der Bundesrat die Krebsstrategie im nächsten Sommer absegnet. (aargauerzeitung.ch)
Wir müssen langsam realisieren, dass wir kein reiches Land sind – wir haben einfach nur viele reiche Einwohner. Für alle anderen liegt der Lebensstandard mittlerweile deutlich unter dem anderer europäischer Länder.
Rund 10 % der Bevölkerung lebt in Armut, bis zu 30 % haben Mühe, ihre Rechnungen zu bezahlen – weil Mieten und Krankenkassenprämien unaufhaltsam steigen.
Es wird Zeit, dass die Menschen mal ausserhalb ihrer Blase wählen – sonst ändert sich nichts.