Genau zwei Wochen ist es her, seit auch die letzten der 84 Bewohnerinnen und Bewohner mitsamt ihren Haus- und Nutztieren das Bündner Bergdorf Brienz verlassen mussten. Damals war die Rede davon, dass die Insel – so wird der obere, kritische Teil des Berghangs genannt – innerhalb der folgenden zwei Wochen abbrechen werde. Zwar rollten in den letzten Tagen immer mal wieder Steine ins Tal, doch der Abbruch der Insel mit ihren knapp zwei Millionen Kubikmetern Gestein lässt weiter auf sich warten.
Gemäss Informationen der Gemeinde Albula steigt zwar die Geschwindigkeit, mit der sich die Insel bewegt, noch immer an. Doch: Die Beschleunigung nahm zuletzt nicht mehr exponentiell zu, sondern «nur noch» linear. Das könnte sich aber bald wieder ändern, wie es im Bulletin vom Donnerstagabend heisst: Es könne nicht ausgeschlossen werden, «dass die in den vergangenen zwei Wochen lineare Beschleunigung der Insel wieder in ein exponentielles Wachstum übergeht». An der Donnerstagabend-Sitzung mit Geologen und Naturgefahrenexperten habe sich gezeigt, dass «die Bewegungen der Insel seit Kurzem markant vom Prognosemodell abweichen».
Was bedeutet das für das Bergdorf? Kurzfristig betrachtet vor allem eines: Die Brienzerinnen und Brienzer dürfen vorerst selbst für einen Kurzbesuch von zwei Stunden nicht zurück ins Dorf. Ein solcher wurde ihnen am Mittwochabend an einer Infoveranstaltung in Aussicht gestellt. Pro Haushalt hätten zwei Personen kurzzeitig das Dorf betreten dürfen, «etwa um Sachen zu holen, die sie bei der kurzfristigen Evakuation Mitte Mai vergessen haben», sagt Christian Gartmann, Medienbeauftragter der Gemeinde.
Doch daraus wird nun nichts: Weil die Sicherheit für einen Besuch der Bevölkerung im Moment nicht gewährleistet werden könne, sah sich die Gemeinde am Donnerstagabend gezwungen, die zeitweilige Öffnung des Dorfes abzusagen.
Wie die Entwicklungen in den vergangenen beiden Wochen zeigen, sind langfristige Prognosen schwierig. Die nun «sichtbare Abweichung vom bisher Bekannten» mache die Vorhersage zusätzlich «markant unsicherer», heisst es im Bulletin der Gemeinde. Die Experten werden nun über das Pfingstwochenende die Daten analysieren und «wohl Anfang kommender Woche etwas klarer allfällige Trends erkennen und kommunizieren können», ergänzt Gartmann auf Anfrage. Gemäss den drei prognostizierten Szenarien wird es entweder zu mehreren Felsstürzen, einem langsamen, stetigen Schuttstrom oder zu einem Bergsturz kommen.
Entsprechend ungewiss blicken die Einheimischen auf die nächsten Wochen und Monate. Zwar haben sie sich laut Gartmann mit der Ausnahmesituation und dem neuen Alltag in ihrer provisorischen Umgebung «einigermassen eingerichtet, zumindest organisatorisch». Doch die Ungewissheit mache der Bevölkerung weiter sehr zu schaffen. Der Wunsch, baldmöglichst in ein unversehrtes Heim zurückkehren zu können, sei riesig. «Die Gemeinde tut alles, um die Brienzerinnen und Brienzer in dieser schwierigen Situation zu unterstützen», so Gartmann weiter.
Dazu zählt neben einer Hotline und den regelmässigen Updates auch die Verteilung der Spenden. Es seien bereits über 100'000 Franken zusammengekommen, weitere Spenden von Privaten seien zugesagt. Hinzu kommen 700'000 Franken, welche der Kanton und die Gemeinde zugesichert haben. Damit könne den Betroffenen unbürokratisch und rasch geholfen werden, so Gartmann. In diesen Tagen erhält jeder Haushalt finanzielle Soforthilfe in der Höhe von mindestens 2500 Franken.
Viel mehr Szenarien gibt es für einen Bergsturz wohl auch nicht.
Mark Twain
Was da für Brocken runter kommen ist schon gewaltig.
Man stelle sich vor (lieber nicht), ein grosser Teil kommt auf einmal runter...