Nachdem zwei Drittel der Gesteinsmassen ob Brienz GR ins Tal gedonnert sind, hat der Gemeindepräsident von Albula, Daniel Albertin, von einem Glückstag gesprochen. Die Experten hatten nicht damit gerechnet, dass der Schuttstrom vor dem Dorf stoppt und es komplett verschont.
Die Brienzerinnen und Brienzer müssen sich aber weiterhin in Geduld üben. Zurzeit sei die Sicherheit im Dorf noch nicht gewährleistet, sagte Andreas Huwiler, Geologe des Kantons Graubünden, am Freitagnachmittag vor den Medien in Tiefencastel. Der Schuttstrom, der sich teilweise auf bis zu zwölf Meter Höhe auftürmt, sei noch nicht stabil.
Entwarnung könne nicht gegeben werden. Nicht auszuschliessen sei, dass aus dem Schutt bei Niederschlägen Murgänge entstehen könnten. Es brauche deshalb noch mehrere Tage Geduld vor einer Rückkehr der Einwohnerinnen und Einwohner.
Nach ersten Schätzungen der Geologen kamen etwa 1,5 Millionen Kubikmeter Gestein runter, wie Stefan Schneider, der Leiter des Frühwarndienstes, auf eine Journalistenfrage antwortete. Die Verantwortlichen hätten einen Freudensprung gemacht, als sie bei Anbruch des Tages gesehen hätten, dass die Gesteinsmassen das Dorf nicht beschädigt hatten.
Nachdem um Mitternacht ein grosser Schuttstrom im sogenannten «Insel»-Bereich am Berghang über dem evakuierten Dorf Brienz/Brinzaul abgegangen ist, haben die Felsmassen das Dorf offenbar nur knapp verfehlt.
Dies teilte die Gemeinde Albula/Alvra in Graubünden auf Twitter mit. «Auf der Kantonsstrasse beim Schulhaus hinterliessen sie eine meterhohe Ablagerung», hiess es in dem Tweet.
Gemäss ersten Daten sei mehr als die Hälfte, vielleicht sogar drei Viertel der insgesamt zwei Millionen Kubikmeter Fels ob Brienz GR abgestürzt, sagte der Sprecher der Gemeinde gegenüber Keystone-SDA.
#InfoGFS: In der Nacht ist ein grosser Teil der #Insel Richtung Brienz/Brinzauls abgegangen. Die Felsmassen verfehlten das Dorf nur knapp: Auf der Kantonsstrasse beim Schulhaus hinterliessen sie eine meterhohe Ablagerung. #BrienzerRutsch #GlückGehabt pic.twitter.com/yedkdjPiKa
— Gemeinde Albula/Alvra (@AlbulaAlvra) June 16, 2023
Tatsächlich ist die Landstrasse nach Lenzerheide komplett verschüttet.
Dem Sprecher der Gemeinde Albula/Alvra in Graubünden, Christian Gartmann, zufolge hatte es offenbar keinen Bergsturz, sondern einen Abrutsch gegeben. «Höchstwahrscheinlich ist ein grosser Teil der Insel zwischen elf und zwölf abgerutscht und zwar sehr schnell», erklärte Gartmann Freitagnacht im Interview mit «20 Minuten» und fügte hinzu: «Es ist also kein Bergsturz, sondern ein sehr schneller Schuttstrom gewesen.»
Man habe es nur gehört, nicht gesehen, denn es sei stockdunkel gewesen. Aber der Abrutsch habe sehr viel Lärm gemacht. «Wir haben es auch auf der Kamera gesehen, dass sehr viel Staub in der Luft ist», so der Sprecher. Ausserdem gehe man davon aus, «dass dies leider noch nicht ganz alles war».
Circa um Mitternacht hatte die Gemeinde Albula/Alvra via Twitter die höchste Alarmstufe Blau ausgerufen. Die Verantwortlichen kündigten an, bei Tagesanbruch mehr Informationen preisgeben zu wollen.
#InfoGFS: #Sperrungen in der Phase BLAU:
— Gemeinde Albula/Alvra (@AlbulaAlvra) June 15, 2023
- Kantonsstrasse Tiefencastel - Surava
- Kantonsstrasse nach Lenzerheide (zw. Tiefencastel und Vazerol)
- Albulalinie der Rhätischen Bahn (zw. Tiefencastel und Filisur) pic.twitter.com/bPH7rsoHhq
Die Phase Blau in Brienz/Brinzauls hat auch Folgen für das PostAuto-Angebot in der Region. Wie die Schweizerische Post AG mitteilte, hat PostAuto wegen der Sperrung der Strasse zwischen Tiefencastel und Surava die Streckenführung mehrerer Linien und teilweise auch die Fahrpläne angepasst.
Seit Freitag, 13 Uhr, ist die Strasse nun wieder geöffnet. Die Bahnstrecke bleibt jedoch bis am Abend gesperrt. Für die ausfallenden Züge verkehren nun auf dem zuvor gesperrten Strassenabschnitt Bahnersatzbusse, wie Christian Gartmann, Sprecher der Gemeinde Albula, weiter sagte.
Nach Aufhebung der Phase Blau gilt nun wieder die Phase Rot. Damit bleibt die Kantonsstrasse in Richtung Lenzerheide weiterhin gesperrt. Ausserdem ist das Bergdorf Brienz weiterhin grossräumig abgeriegelt.
Am Freitag wäre ausserdem geplant gewesen, dass die Tour de Suisse unterhalb der Sperrzone durchfährt. Da diese Strasse nun infolge der ausgerufenen Phase Blau gesperrt wurde, musste der Start des Trosses nach Chur verlegt werden, wie die Verantwortlichen am Freitagmorgen bestätigten.
In Alvaneu Dorf, Alvaneu Bad, Filisur, Schmitten, Bergün und Preda stellt die Post am Freitag weder Briefe noch Pakete zu. Grund dafür sind die Strassensperrungen wegen des Schuttstroms in Brienz GR. Ein Grossteil der Felsmassen verfehlte das Bergdorf in der Nacht nur knapp.
Die Ortschaften hinter dem gesperrten Strassenabschnitt zwischen Tiefencastel und Surava sind aktuell nur über das Engadin erreichbar. Briefe und Pakete werde deshalb erst am Samstag zugestellt, teilte die Schweizerische Post am Freitagvormittag mit. Am Montag erfolge eine Neubeurteilung der Situation.
Die aufgegebenen Sendungen in den Filialen im betroffenen Gebiet sollen jedoch weitergesendet werden können, hiess es weiter.
Der Titel dieser Story ist nicht ganz korrekt. Denn auch wenn das Dorf selber vom Schutt verschont blieb, so wurde ein kleines Gebäude rund 200 Meter ausserhalb des Dorfes unter den Felsmassen begraben.
Dabei handelt es sich um einen Stall, der sich in Privatbesitz befindet. «Der ist aber schon seit langer Zeit leer geräumt, weil man ja irgendwie damit gerechnet hat», sagte Hubertus Fanti, Leiter der Gemeindeverwaltung auf Anfrage von watson.
(cpf/sda)