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Wahl Donald Trump: «Wir» leben in einer Blase, nicht «die»

ZUR GEWONNENEN PRAESIDENTSCHAFTSWAHL DER USA VON DONALD TRUMP AM DIENSTAG, 8. NOVEMBER 2016, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Republican presidential candidate Donald Trump sp ...
Ihr müsst euch nicht kneifen. Es ist alles wahr. Dieser Mann wird neuer US-Präsident.Bild: AP
Kommentar

«Wir» leben in einer Blase, nicht «die» – das muss sich sofort ändern

09.11.2016, 19:0522.01.2017, 22:58
Felix Burch
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Donald Trump ist der neue Boss. Der Mann, der gegen praktisch alles verstossen hat, wogegen man verstossen kann, hat nun das Sagen in den USA, und wir alle werden das zu spüren bekommen. 

Doch wer sind eigentlich «wir»? Sind wir die, die in der Nacht auf Mittwoch und am darauffolgenden Morgen irritiert und geschockt auf unsere Smartphones gestarrt haben und uns nicht sicher waren, ob wir noch träumen oder ob sich das alles tatsächlich gerade vor unseren Augen abspielt? 

Ja, genau die sind wir. Und es ist höchste Zeit, dass wir uns hinterfragen. Zuerst müssen wir uns aber etwas genauer definieren. 

Sind wir die Medienschaffenden, die Städter, die Besserverdienenden? Wohl auch. Zu den «Wirs» zähle ich aber auch all meine Freunde, die ich als gut durchmischt bezeichnen würde. Arbeite ich mich durch die Facebook-Posts dieser Freunde, die Tweets, durch Instagram, lese ich überall nur: «Das darf doch nicht wahr sein», «OMG» oder «Wir sind trotzdem Hillary». Niemand, wirklich niemand, freut sich über Trumps Sieg. 

Trump supporters celebrate as they watch election returns come in at Republican U.S. presidential nominee Donald Trump's election night rally in Manhattan, New York, U.S., November 8, 2016. REUTE ...
Grosse Freude bei den Anhängern Trumps.Bild: MIKE SEGAR/REUTERS

Ich kenne also keinen einzigen Menschen, der pro Trump ist. Und es ist keineswegs das erste Mal, dass sich in jüngster Zeit in meinem Umfeld keine Seele findet lässt, die einen politischen Entscheid gut findet, für den sich gerade ganz viele Menschen ausgesprochen haben:

  • Den Anfang machte die Abstimmung gegen den Bau von Minaretten. Alle fielen wir aus den Wolken, als der Schweizer Souverän der Initiative zustimmte.
  • Weiter ging es mit der Initiative gegen Masseneinwanderung. Auch für diese sprach sich das Schweizer Volk aus, wieder rieben wir uns ungläubig die Augen.
  • Der Brexit, wo sich die Briten für einen Austritt aus der EU entschieden, folgte.
  • Zuletzt war die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern, bei der die AfD über 20 Prozent der Wähler erreichte, ein Ereignis, das wir nicht nachvollziehen konnten.

Bei Trump, da waren wir uns einig, würde es anders werden. Doch wieder belächelten wir ihn anfangs, machten Scherze über seine Frisur, nahmen ihn lange nicht ernst. Beinahe alle schrieben unaufhörlich gegen den Rüpel ohne politische Erfahrungen, der täglich neue Skandale, neue Geschichten lieferte. Und wieder lagen wir falsch – die Analysten, die neuerdings offenbar belogen werden, die Politexperten, die Medien.

Erneut stehen wir an diesem Tag da und nehmen zur Kenntnis, dass es da draussen eine Menge Leute gibt, die ganz anders denken als wir, dass wir diese Leute nicht kennen, geschweige denn Kontakt zu ihnen haben. 

Fazit: Wir leben in einer Blase, nicht «die». Das muss sich nun ändern. Es ist Zeit, dass wir aufeinander zugehen, dass wir einander kennenlernen. 

Wir von watson machen einen Anfang. Wir bitten alle Trump-Fans, alle, die den Brexit gut finden, und alle, die nicht wollen, dass in unserem Land Minarette stehen, sich zu melden. Schreibt uns und wir schreiben über euch – ohne Häme, so objektiv wie möglich. Denn wir müssen alle lernen, uns wieder zu verstehen. 

*Ich bin im Appenzellerland aufgewachsen, wohne jetzt in der Stadt, bin weder arm noch reich, weder alt noch jung.

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300 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ohniznachtisbett
10.11.2016 17:56registriert August 2016
Wow! Danke an alle die hier geschrieben haben. Ich, 28, aus der Agglo Zürich, gut verdienend, gut gebildet. Ich habe mein Leben lang in urbanen Gegenden gewohnt. Für Canabis-Legalisierung, gegen unkontrollierte Zuwanderung, gegen die EU wie sie heute besteht, gegen Denkverbote, Islam-Kritisch, wirtschaftsliberal, für die Homo-Ehe, gegen übertriebene Political-correctness, gegen Rassismus, für weniger Staat, Anstand, für mehr Frauen in Unternehmen, gegen Frauenquote. Dafür stehe ich! Gut gibt es Leute die anderer Meinung sind. Schade haben diese meistens keinen Respekt vor meiner Meinung.
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Raembe
09.11.2016 19:36registriert April 2014
Mal abwarten, ich les den ganzen Tag schon Watson und frag mich wieso hier schon so Panik herrscht. Trump ist ein ungehobelter Flegel, das ist so. Aber Trump hat noch nix als Potus getan. Was er alles tun wird/kann, weiss nur Gott. Die Suppe wird heisser gekocht als sie momentan ist.
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remim
09.11.2016 22:13registriert März 2015
Das Problem der USA ist das Verschwinden vieler Industriejobs. Aus einem 50-jährigen Fabrikarbeiter macht man nicht so schnell z.b einen Programmierer. Viele wollen gar nicht sich ständig ändernde Jobs, lebenslanges Lernen um immer höheren Anforderungen zu genügen, und einen endlosen Wettkampf aller gegen alle. Was diese Leute wollen ist eine sichere Arbeit damit sie ein gutes geruhsames Leben mit Familie und Kindern führen können. Das hat viele zu Trump getrieben der ihnen genau diese "Good old Days" wieder verspricht. Das sollten wir Linken erkennen und ernster nehmen.
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