Wie weiter in der zunehmend schwierigen Beziehung zwischen der Schweiz und der EU? Eine Antwort auf diese Frage hätte man sich eigentlich von der französischen EU-Ratspräsidentschaft erhofft, welche am 1. Januar startet. Während sechs Monaten bestimmt Frankreich die Agenda der EU und entscheidet, welche Themen oben auf der Prioritätenliste landen und welche links liegen gelassen werden. Der grosse Nachbar, so die allgemeine Hoffnung in Bern, wird die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen und eine Klärung im Verhältnis zur Schweiz forcieren. In die eine oder andere Richtung.
Dem ist offenbar aber nicht so: In Paris hat man wenig Lust, während des französischen Ratsvorsitzes politisches Kapital in die bilateralen Beziehungen zu investieren. Frankreich werde sich in Brüssel nicht dafür stark machen, im bilateralen Verhältnis vorwärtszukommen, heisst es in regierungsnahen Kreisen. Nach dem Abbruch der Verhandlungen zum Rahmenabkommen und dem Entscheid, den amerikanischen F-35-Kampfjet statt den französischen Rafale zu kaufen, ist die Stimmung im Keller.
Das realistische Szenario lautet also: Es wird schlicht nichts passieren. Für die Schweiz sind das schlechte Neuigkeiten. Ein Stillstand würde zu ihren Ungunsten ausfallen. Das zeigt ein Blick auf die blockierte Forschungszusammenarbeit, wo die Projektierung für die EU-Fördermillionen der Jahre 2023 und 2024 bereits Anfang Jahr beginnt. Gelingt es der Schweiz bis März nicht, die Verhandlungen über die Aufnahme in den Club der vollassoziierten Länder in Gang zu bringen und damit on den Förderprogrammen profitieren zu dürfen, ist der Zug vorerst abgefahren.
Kein Stress hat Frankreich auch, den alle zwei Jahre erscheinenden Länderbericht der 27 EU-Staaten zur Schweiz voranzutreiben. Diese sogenannten «Schlussfolgerungen», welche als Leitlinien für die EU-Kommission im Umgang mit der Schweiz gelten, sind bereits überfällig. Das Problem: Gibt es keine neuen Schlussfolgerungen, gelten einfach die bisherigen von Anfang 2019, wo die EU-Staaten die Forderung eines Rahmenabkommens ins Zentrum der Beziehungen gestellt haben. Das Ergebnis wäre: Gefährlicher Stillstand.
Anstatt sich mit der Schweiz abzumühen, will sich Emmanuel Macron lieber auf seine eigene Prioritäten konzentrieren. Vor allen Dingen. Zuoberst auf der Liste steht für den französischen Präsidenten angesichts der angespannten Lage im Osten Europas und der zunehmenden Bedrohung durch russische Machtspiele die Sicherheit Europas. In der gestrigen Pressekonferenz inszenierte sich der französische Staatschef als europäischer Lenker, der die europäischen Bürger «schützen» wolle, wie er mehrfach betonte. Im März werde die EU deshalb bei einem Gipfel ein Weissbuch zur europäischen Verteidigungsstrategie verabschieden. Auf dieser Grundlage sollen sodann militärische Kooperationen und gemeinsame Rüstungsprojekte entstehen.
Viel weiter gediehen ist das französische Fernziel einer europäischen Armee damit nicht. Die Bildung eines «europäischen Verteidigungspfeilers», von der Macron seit Jahren spricht, scheint namentlich in Deutschland und seiner Ampel-Koalition auf wenig Echo zu stossen. Macron wird das Thema heute Freitag zweifellos gegenüber dem neuen deutschen Kanzler Olaf Scholz anschneiden.
Zum russischen Truppenaufmarsch östlich der Ukraine befragt, konnte Macron nur zur «Deeskalation» aufrufen. Vor zwei Jahren noch sorgte Macron international für Aufsehen, als er die Nato öffentlich für «hirntot» deklarierte. Bei seinem gestrigen Auftritt ruderte er mächtige zurück und bezeichnete das Verteidigungsbündnis als «nützlich und wirkungsvoll».
Macrons einziger konkreter Neuvorschlag im Sicherheitsbereich ist die Bildung eines freiwilligen Zivildienstes für Europäer unter 25 Jahren – nicht gerade das, was die russische Armee vor einer Invasion der Ostukraine abhalten würde.
Dafür kündigte Macron an, er wolle den EU-Partnern eine Reform des Schengen-Raums unterbreiten. Ziel sei es, die Aussengrenzen besser zu schützen und ein politisches Koordinationsorgan zu schaffen. Ein souveränes Europa, sagte der französische Präsident, sei ein Europa, das «seine Grenzen im Griff hat». (aargauerzeitung.ch)
Nachteile? Ja, jeder Vertrag hat Vor- und Nachteile. Nur wenn beide Partner aufeinander zugehen und Eingeständnisse machen, ist es ein ausgewogener Vertrag. Es wäre schön, wenn wir einen pragmatisch-konstruktiven Weg mit unseren europäischen Nachbarn pflegen könnten. Der erste Schritt liegt aber def bei uns!