Unser Lebensstil und unser Ressourcenverbrauch sind alles andere als nachhaltig. Rund 90 Prozent der weltweit verwendeten Rohstoffe werden Jahr für Jahr einfach weggeworfen, statt in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt zu werden. Dies zeigt der Circularity Gap Report, der jährlich von der Nonprofit-Organisation Circle Economy erstellt wird.
Ihr Ziel ist die Förderung der Kreislaufwirtschaft. Sie setzt, anders als die dominierende Linear- oder Wegwerfwirtschaft, auf eine umwelt- und ressourcenschonende Produktion von Gütern. Innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs werden Rohstoffe so lange wie möglich wiederverwertet. Defekte Produkte werden nicht entsorgt, sondern repariert.
Die erwähnte Zahl zeigt, dass der Weg noch weit ist. Dabei besteht Handlungsbedarf. Der Circularity Gap Report geht davon aus, dass der jährliche Rohstoffverbrauch bis 2050 auf rund 180 Milliarden Tonnen ansteigen wird. Das entspricht einer Verdoppelung gegenüber 2016. Doch die Kreislaufwirtschaft macht Fortschritte. Hier ein paar Beispiele:
Dänemark hat wohl die ehrgeizigsten Ziele in Sachen Nachhaltigkeit. Im Sommer 2020 verabschiedete das Parlament einen Klimaplan «für eine grüne Abfallwirtschaft und Kreislaufwirtschaft». Er sieht vor, bis 2030 zehn von 23 Kehrichtverbrennungsanlagen im Land zu schliessen. Ihre Kapazität soll von 4 auf 2,7 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden.
In der Schweiz wurde eine Volksinitiative für eine «grüne Wirtschaft» 2016 klar abgelehnt. Der Bundesrat kritisierte, sie wolle zu viel in zu kurzer Zeit. Er setzt unter anderem auf das Netzwerk Ressourceneffizienz Schweiz (reffnet.ch). Es will Unternehmen für einen sparsamen Umgang mit Ressourcen sensibilisieren und sie dabei unterstützen.
Gleich geht es weiter mit den erfolgreichen Beispielen, aber vorab eine kurze Werbeunterbrechung:
Und nun zurück zur Story ...
Der Bau- und Immobiliensektor ist die ressourcenintensivste Branche überhaupt. Auf sie entfällt etwa die Hälfte des gesamten Rohstoffverbrauchs. Entsprechend gross ist der Handlungsbedarf. Der Schlüsselbegriff in diesem Bereich lautet Urban Mining. Er basiert darauf, dass Siedlungsgebiete gigantische Rohstofflagerstätten darstellen.
Für die Bauwirtschaft bedeutet dies, dass Häuser nicht mit der Abrissbirne demoliert werden und der Bauschutt entsorgt wird. Sie werden zurückgebaut und die Materialien wiederverwertet. Das spart Beton, für dessen Produktion Sand und Kies benötigt werden. Beides wird in vielen Regionen immer knapper, umso wichtiger ist die zirkuläre Verwendung.
In der Schweiz werden jährlich rund 350 Kilogramm Stahl pro Person verbaut. Gleichzeitig fällt 190 Kilogramm Stahlschrott an. Dieser wird im Stahlwerk Gerlafingen zu Recyclingstahl verarbeitet, der laut Eigenwerbung der Firma die gleiche Qualität aufweist wie Primärstahl, aber rund 70 Prozent weniger Energie benötigt und 85 Prozent weniger CO2 emittiert.
Die SBB «sitzen» auf rund 76 Millionen Tonnen Material, und jährlich werden grosse Mengen beschafft. Deshalb wollen die Bundesbahnen eine Vorreiterrolle bei der Kreislaufwirtschaft spielen. Im Januar 2021 eröffneten sie ein Kompetenzzentrum. So sollen etwa Zugwaggons länger im Einsatz bleiben und Materialien wie Recycling-Asphalt verwendet werden.
Der Bedarf an Lithium-Ionen-Batterien ist enorm. Sie enthalten wertvolle Rohstoffe. Letzte Woche kündigte das kanadische Unternehmen Li-Cycle den Bau seiner ersten Anlage in Europa zur Wiederverwertung von rund 10’000 Tonnen Altbatterien pro Jahr an. Entstehen soll sie in Norwegen, wo die Elektromobilität weltweit am weitesten fortgeschritten ist.
Ikea-Möbel galten lange nicht als sonderlich robust und nachhaltig. Das soll sich nach dem Willen des weltgrössten Produzenten ändern. Bis 2030 will Ikea klimapositiv sein und zu 100 Prozent zirkuläre Möbel verkaufen, die aufgefrischt und rezykliert werden können. 2020 wurde im Herkunftsland Schweden die erste Filiale für Secondhand-Möbel eröffnet.
Die Modebranche hat einen besonders schlechten Ruf in Sachen Nachhaltigkeit. Ein grosser Teil der produzierten Kleider wird nie getragen, und Fast Fashion verschärft das Problem. Doch einzelne Produzenten halten dagegen, etwa die Firma Muntagnard aus Domat/Ems, die hochqualitative Kleider nach den Vorgaben der Kreislaufwirtschaft produzieren will.
Viel Wert auf Ökologie legt die deutsche Firma Globetrotter, der grösste selbständige Outdoor-Händler Europas. Er kennzeichnet besonders nachhaltige Produkte und bietet fachgerecht aufbereitete Secondhand-Ware an. Man kann Equipment mieten statt kaufen (Sharing Economy), und natürlich verfügt Globetrotter auch über eine Werkstatt.
«Reparieren statt Wegwerfen» lautet eine Devise der Kreislaufwirtschaft. In der Schweiz existieren 177 Repair Cafés, in denen man unterschiedliche Produkte, darunter Textilien, Schmuck und Unterhaltungselektronik, mit Profis instand setzen kann. Auf politischer Ebene werden mehr reparierbare Produkte und ein «Recht zu reparieren» gefordert.
Mehr als 80 Prozent aller PET-Getränkeflaschen werden in der Schweiz wiederverwertet. Lange galt das Rezyklat als qualitativ ungenügend für neue Trinkbehälter, doch nun hat Lidl Schweiz eine Wasserflasche im Sortiment, die zu 100 Prozent aus Recycling-PET besteht. Dieses kann auch für andere Zwecke verwendet werden, sogar für Textilien.
Selbst das Treibhausgas CO2 kann in die Kreislaufwirtschaft einfliessen. Eine Vorreiterrolle spielt Mibelle, die Kosmetik- und Hygienemarke der Migros. Sie stellt Industriealkohol für Reinigungsmittel mit CO2 her, und letztes Jahr hat sie die weltweit erste Flasche mit aus CO2 erzeugtem PET vorgestellt und den Deutschen Verpackungspreis 2021 gewonnen.
Diese Beispiele mögen kein Beweis für ein generelles Umdenken sein. Sie zeigen jedoch, dass die Sensibilität für eine nachhaltigere und ressourcenschonende Wirtschaft wächst. Auch wenn bei der zirkulären Verwendung von Rohstoffen viel Luft nach oben besteht.
Ich hasse so was.