Am Mittwochmorgen kam es im Bundeshaus zu einem Zwischenfall, in den die beiden SVP-Parlamentarier Thomas Aeschi und Michael Graber sowie bewaffnete Polizisten des Bundessicherheitsdienstes involviert waren.
Der Grund: Der SVP-Fraktionschef Aeschi und sein Fraktionskollege Graber wollten unbedingt zu dem Zeitpunkt eine Treppe hinuntersteigen, als diese kurzzeitig für einen Fototermin gesperrt wurde. Posieren sollten der Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP) und der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk vor der Statue der Eidgenossen. Die Polizisten sicherten diesen gesperrten Bereich im Bundeshaus.
«Die Polizisten sagten ihnen zuerst, sie dürften hier nicht durch. Laut mehreren Zeugen weigerten sich Aeschi und Graber, die Anweisung zu respektieren, und wollten weitergehen», beschreibt der «Tagesanzeiger» die unwürdige Szene.
Georg Humbel, ein Reporter der «NZZ am Sonntag», teilte die Szenen auf X und beschreibt das Gesehene als «Handgemenge»:
Das wird noch zu reden geben: Am Rand des Besuches des ukrainischen Parlamentspräsidenten kommt es zu einem Handgemenge zwischen den Bundespolizisten und Thomas Aeschi. Der SVP-Fraktionspräsident akzeptiert nicht, dass die Treppe kurze Zeit gesperrt ist. Er wird unsanft gestoppt! pic.twitter.com/hkbZG42lXQ
— georg humbel (@georghumbel) June 12, 2024
Auf Anfrage von watson wollte sich Thomas Aeschi nicht zum Vorfall äussern. Er verwies lediglich auf seinen Post auf X.
Dort teilte er ein Video des Vorfalls – mit dem Tag #FakeNews – und erklärte, dass die parlamentarische Arbeit während der Session Vorrang vor ausländischen Staatsbesuchen habe. Er habe sich deshalb nicht stoppen lassen von der Polizei.
#FakeNews @georghumbel @sonntagszeitung. Wie auf dem Video von @nau_live (https://t.co/FtXfan6VYG…) zu sehen ist, liess ich mich nicht stoppen. Es geht darum, dass während der Session die parlamentarische Arbeit vor ausländischen Staatsbesuchen Vorrang hat. pic.twitter.com/Dm432LMkYW
— Thomas Aeschi (@thomas_aeschi) June 12, 2024
Michael Graber meldete sich zunächst beim «Tagesanzeiger» und beschrieb den Vorfall als «absoluten Skandal».
Das Vorgefallene sei ein «absoluter Skandal». Ein Polizist habe ihn zu beschwichtigen versucht, indem er betonte, dass er nur Befehle ausführe. Daraufhin habe er diesem an den Kopf geworfen: «Ihr wärt im Dritten Reich die Ersten gewesen, die Hitlers Befehle ausgeführt hätten.» Weiter sagte Graber zum «Tagesanzeiger»: Wer immer verantwortlich dafür sei, «dass der Fraktionschef der grössten Schweizer Partei physisch zu Boden gestossen wurde», müsse zurücktreten.
Am Mittwochabend, als watson Graber erreicht, tönt er schon deutlich beruhigter. Er habe jetzt Zeit zum Nachdenken gehabt, so Graber. «Die Aussage, die ich zum Polizisten gemacht habe, war schon nicht ganz in Ordnung. Aber ich war auch völlig überrumpelt.»
Kurz vor der polizeilichen Auseinandersetzung sei eine Abstimmung im Nationalrat zu Ende gegangen. Er und Aeschi hätten einfach «ein Riesenpech gehabt», als erste den Saal zu verlassen und den Polizisten direkt in die Arme zu laufen.
«Man hat uns vorher nicht darüber informiert, dass ein solches Fotoshooting stattfindet.» Als sie dann die Treppe heruntergestiegen seien, so wie sie das immer tun würden, seien sie von den Polizisten nur mit «Kein Durchgang!», angebellt worden. «Aber keine Erklärung weshalb kein Durchgang. Nichts. Und ehe ich mich versehe, sehe ich, wie Kollege Aeschi von einem Polizisten angegangen wird. Das hat mich natürlich hässig gemacht», sagt Graber.
Er sei sich vorgekommen wie im falschen Film. «Aber das passiert eben, wenn man eine Kriegspartei in die Schweiz einlädt», so Graber.
An einer Medienkonferenz äusserte sich Nationalratspräsident Eric Nussbaumer zum Zwischenfall. Er betonte, dass Stefantschuk sein Gast sei und die erhöhten Sicherheitsanforderungen wichtig seien. Er verwies zudem auf die Hausordnung, die klar besage, dass das Sicherheitspersonal weisungsbefugt sei. Und er ergänzt: «Den Weisungen das Sicherheitspersonal ist zu folgen.»
Online löste das Handgemenge auf der Bundeshaustreppe löste sowohl Reaktionen für als auch gegen das Verhalten von Aeschi aus:
SVP-Bundesrat Albert Rösti nimmt seine Parteikollegen in Schutz. «Dass ein gewählter Parlamentarier, der ja allen bekannt ist, hier nicht die Treppe rauf und runter und seiner Arbeit nachkommen kann: Da bin ich der Meinung, das geht nicht», erklärt er im «SRF Rundschau Talk». Das Sicherheitsdispositiv müsse so getroffen werden, dass National- und Ständerate sich im Bundeshaus frei bewegen können.
Das habe ich wirklich noch nie erlebt. Überall im Treppenhaus im #Palamentsgebäude stehen mit #Maschinenpistolen bewaffnete Bundespolizisten, die die Leute und Mitglieder des Parlamentes daran hindern, sich im Gebäude frei zu bewegen. Das geht nicht! @ParlCH https://t.co/aPtos3jbC7
— Christian Wasserfallen (@cwasi) June 12, 2024
Es gibt im Bundeshaus Regeln, welche sich das Parlament zu seiner eigenen Sicherheit gibt. Die Sicherheitskräfte vollziehen diese Regeln in unserem Auftrag. Der Auftritt dieser Parlamentarier ist eine Schande. https://t.co/if0bgjf3nQ
— Elisabeth Schneider-Schneiter (@Elisabeth_S_S) June 12, 2024
Schon wieder verharmlost die SVP Holocaust und Faschismus. Im Bundeshaus. Diese Respektlosigkeit vor den Opfern der Nazis macht mich sprachlos. pic.twitter.com/s5I2pHgVk4
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) June 12, 2024
Beat Flach ist besonders pragmatisch und veröffentlicht einen Post mit alternativen Treppen und Aufzügen:
#Servicerweet Es gibt neben der Kuppelhallentreppe vier Aufzüge und vier Treppen, die von den Plenarsälen im Bundeshaus ins Parterre führen. Bei einem Staatsanlass in der Halle kann man die gut nutzen. Und ich danke dem Wachpersonal, dass unablässig für unsere Sicherheit sorgt. pic.twitter.com/DyliGWaI25
— Beat Flach (@beatflach) June 12, 2024
Die SP Schweiz erkannte sofort das Meme-Potenzial des Zwischenfalls und postete folgende Bildstrecke auf Instagram:
(yam)
OH MY GOD mein Hirn explodiert ja fast vor lauter Alternativen 🤯 ehe ich auf die Idee käme, wegen sowas eine Tätlichkeit anzufangen…
Einfach nur unsäglich und kindisch - der Aeschi wird immer mehr zu einem Josh Hawley der Schweizer Politik, ein Halbstarker im Anzug, so schlau wie stark.