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SVP-Aeschi liefert sich Handgemenge mit Polizei – im Bundeshaus

SVP-Aeschi liefert sich Handgemenge mit Polizei – Rösti stellt sich hinter Kollegen

12.06.2024, 15:1013.06.2024, 10:54
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Am Mittwochmorgen kam es im Bundeshaus zu einem Zwischenfall, in den die beiden SVP-Parlamentarier Thomas Aeschi und Michael Graber sowie bewaffnete Polizisten des Bundessicherheitsdienstes involviert waren.

Der Grund: Der SVP-Fraktionschef Aeschi und sein Fraktionskollege Graber wollten unbedingt zu dem Zeitpunkt eine Treppe hinuntersteigen, als diese kurzzeitig für einen Fototermin gesperrt wurde. Posieren sollten der Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP) und der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk vor der Statue der Eidgenossen. Die Polizisten sicherten diesen gesperrten Bereich im Bundeshaus.

Ruslan Stefanchuk of Ukraine, Speaker of the Verkhovna Rada, the Parliament of Ukraine, left, is welcomed by Eric Nussbaumer, SP-BL, head of the Swiss National Council, during his visit of the Swiss P ...
Dieses Foto war der Grund für die kurzzeitige Sperrung der Treppe im Bundeshaus.Bild: keystone

«Die Polizisten sagten ihnen zuerst, sie dürften hier nicht durch. Laut mehreren Zeugen weigerten sich Aeschi und Graber, die Anweisung zu respektieren, und wollten weitergehen», beschreibt der «Tagesanzeiger» die unwürdige Szene.

So sah das Handgemenge im Bundeshaus aus:

Video: extern / rest/ZüriToday
Warum die Bundespolizei im Bundeshaus ist
Für den Schutz von völkerrechtlich geschützten Personen in der Schweiz – wie dem ukrainischen Parlamentspräsidenten – ist das Bundesamt für Polizei (Fedpol) zuständig. Dieses passt das eingesetzte Sicherheitsdispositiv in enger Zusammenarbeit mit den Parlamentsdiensten an, wie es der Nachrichtenagentur Keystone-SDA auf Anfrage mitteilte. Die Sicherheit im Parlamentsgebäude werde von bewaffneten Sicherheitsbeamten gewährleistet. (sda)

Georg Humbel, ein Reporter der «NZZ am Sonntag», teilte die Szenen auf X und beschreibt das Gesehene als «Handgemenge»:

Das sagen Aeschi und Graber zum Vorfall

Auf Anfrage von watson wollte sich Thomas Aeschi nicht zum Vorfall äussern. Er verwies lediglich auf seinen Post auf X.

Dort teilte er ein Video des Vorfalls – mit dem Tag #FakeNews – und erklärte, dass die parlamentarische Arbeit während der Session Vorrang vor ausländischen Staatsbesuchen habe. Er habe sich deshalb nicht stoppen lassen von der Polizei.

Michael Graber meldete sich zunächst beim «Tagesanzeiger» und beschrieb den Vorfall als «absoluten Skandal».

«Es ist Session und wir sind gewählte Parlamentarier.»

Das Vorgefallene sei ein «absoluter Skandal». Ein Polizist habe ihn zu beschwichtigen versucht, indem er betonte, dass er nur Befehle ausführe. Daraufhin habe er diesem an den Kopf geworfen: «Ihr wärt im Dritten Reich die Ersten gewesen, die Hitlers Befehle ausgeführt hätten.» Weiter sagte Graber zum «Tagesanzeiger»: Wer immer verantwortlich dafür sei, «dass der Fraktionschef der grössten Schweizer Partei physisch zu Boden gestossen wurde», müsse zurücktreten.

Am Mittwochabend, als watson Graber erreicht, tönt er schon deutlich beruhigter. Er habe jetzt Zeit zum Nachdenken gehabt, so Graber. «Die Aussage, die ich zum Polizisten gemacht habe, war schon nicht ganz in Ordnung. Aber ich war auch völlig überrumpelt.»

Kurz vor der polizeilichen Auseinandersetzung sei eine Abstimmung im Nationalrat zu Ende gegangen. Er und Aeschi hätten einfach «ein Riesenpech gehabt», als erste den Saal zu verlassen und den Polizisten direkt in die Arme zu laufen.

«Man hat uns vorher nicht darüber informiert, dass ein solches Fotoshooting stattfindet.» Als sie dann die Treppe heruntergestiegen seien, so wie sie das immer tun würden, seien sie von den Polizisten nur mit «Kein Durchgang!», angebellt worden. «Aber keine Erklärung weshalb kein Durchgang. Nichts. Und ehe ich mich versehe, sehe ich, wie Kollege Aeschi von einem Polizisten angegangen wird. Das hat mich natürlich hässig gemacht», sagt Graber.

Er sei sich vorgekommen wie im falschen Film. «Aber das passiert eben, wenn man eine Kriegspartei in die Schweiz einlädt», so Graber.

So reagieren Politikerinnen und Politiker

An einer Medienkonferenz äusserte sich Nationalratspräsident Eric Nussbaumer zum Zwischenfall. Er betonte, dass Stefantschuk sein Gast sei und die erhöhten Sicherheitsanforderungen wichtig seien. Er verwies zudem auf die Hausordnung, die klar besage, dass das Sicherheitspersonal weisungsbefugt sei. Und er ergänzt: «Den Weisungen das Sicherheitspersonal ist zu folgen.»

Online löste das Handgemenge auf der Bundeshaustreppe löste sowohl Reaktionen für als auch gegen das Verhalten von Aeschi aus:

SVP

SVP-Bundesrat Albert Rösti nimmt seine Parteikollegen in Schutz. «Dass ein gewählter Parlamentarier, der ja allen bekannt ist, hier nicht die Treppe rauf und runter und seiner Arbeit nachkommen kann: Da bin ich der Meinung, das geht nicht», erklärt er im «SRF Rundschau Talk». Das Sicherheitsdispositiv müsse so getroffen werden, dass National- und Ständerate sich im Bundeshaus frei bewegen können.

FDP

Mitte

SP

GLP

Beat Flach ist besonders pragmatisch und veröffentlicht einen Post mit alternativen Treppen und Aufzügen:

Die nicht ganz so ernste (aber lustige) Reaktion der SP

Die SP Schweiz erkannte sofort das Meme-Potenzial des Zwischenfalls und postete folgende Bildstrecke auf Instagram:

(yam)

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501 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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derEchteElch
12.06.2024 11:52registriert Juni 2017
Auch ein gewählter Parlamentarier kann während einer Session 5 Minuten warten, oder 5 Minuten früher erscheinen und so vor dem Fototermin passieren oder einen anderen Weg gehen…

OH MY GOD mein Hirn explodiert ja fast vor lauter Alternativen 🤯 ehe ich auf die Idee käme, wegen sowas eine Tätlichkeit anzufangen…
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Magnum
12.06.2024 11:54registriert Februar 2015
Ist natürlich einer reiner Zufall, dass die beiden SVP-Parlamentarier Anweisungen ignorierten, die dazu dienten, ein Foto mit einem SP-Kollegen und einem Vertreter der Ukraine zu ermöglichen.
Einfach nur unsäglich und kindisch - der Aeschi wird immer mehr zu einem Josh Hawley der Schweizer Politik, ein Halbstarker im Anzug, so schlau wie stark.
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RuZzophob
12.06.2024 11:52registriert Oktober 2022
Politiker stehen nicht über Anweisungen von Bundespolizisten oder Polizisten allgemein. Sollte eigentlich strafrechtliche Konsequenzen für die beiden geben.
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