Nach dem Abschluss der bilateralen Verträge war die Schweiz für die EU 30 Jahre lang ein Sonderfall. Weder EU-Mitglied noch Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), aber trotzdem irgendwie Teil des gemeinsamen Binnenmarktes.
Dieser Sonderstatus hatte gewisse Konsequenzen, vor allem in organisatorischer Hinsicht: Niemand schien sich in Brüssel so richtig verantwortlich zu fühlen. Die Schweiz fiel zwischen alle Bänke und im Zweifel kümmerte sich der EU-Kommissionspräsident halt selbst um das Dossier. Zumindest bis im letzten Frühling, als der Bundesrat nach Jahren des Hickhacks den Verhandlungen zum Rahmenabkommen endgültig den Stecker zog.
Jetzt, wo klar ist, dass es mit dem Rahmenabkommen nichts mehr wird, setzt die EU-Kommission zu einer Flurbereinigung an. Ab 1. Januar 2022 wird die Schweiz zusammen mit dem Vereinigten Königreich, den EWR-Staaten Norwegen, Island und Liechtenstein sowie den Zwergstaaten Andorra, San Marino und Monaco in einer eigenen Abteilung namens «Westeuropäische Partner» zusammengefasst.
Angesiedelt ist die Abteilung nicht etwa beim «EU-Aussenministerium» des Aussenbeauftragten Josep Borrell. Sondern direkt beim mächtigen Generalsekretariat der EU-Kommission, wie ein EU-Sprecher auf Anfrage von «CH Media» bestätigt.
Was nach einer rein technischen Umstrukturierung klingt, hat womöglich politische Konsequenzen. In Bern war man immer sehr erpicht, möglichst nicht in denselben Topf mit den Briten geworfen zu werden. Immerhin akzeptiert man im Gegensatz zum Vereinigten Königreich die Personenfreizügigkeit und will sich auch nicht von der EU abwenden, sondern in der Tendenz eher annähern.
Auf Distanz blieb man gleichzeitig zum EWR nach der gescheiterten Beitrittsabstimmung von 1992. Der Schweizer Sonderfall, er hat für den Bundesrat gerade in den Beziehungen zur EU immer gut funktioniert. Oftmals schaffte man es, unter dem Radar fliegen zu können und sich den einen oder anderen Vorteil zu bewahren.
Damit ist jetzt Schluss.
Die EU-Kommission hat offensichtlich entschieden, alle Staaten, die der EU nicht beitreten wollen, aber doch am Binnenmarkt teilnehmen (oder zumindest sehr nahe dran sind), aus einem Guss zu behandeln. Das Ziel soll nicht nur die Zusammenlegung von Personalressourcen sein, sondern offensichtlich auch ein kohärenter Umgang mit diesen «Partnerstaaten».
Der entscheidende EU-Beamte, bei dem künftig die Fäden zusammenlaufen dürften, ist für die Schweiz ein alter Bekannter: Er heisst Richard Szostak und war bei der Vorgänger-Kommission von Jean-Claude Juncker dessen rechte Hand und Allzweckwaffe. Es war Szostak, der mit den Schweizer Staatssekretären Roberto Balzaretti, Mario Gattiker und Pascale Baeriswyl die Verhandlungsklingen kreuzte.
Der polnisch-britische Doppelbürger gilt als blitzgescheit, sanft im Ton, aber hart in der Sache. Im Moment rapportiert er als Leiter der Brexit-Task-Force an den EU-Vizepräsidenten Maros Sefcovic, welcher vor Kurzem als neuer Ansprechpartner für Aussenminister Ignazio Cassis bestimmt wurde.
Als Hauptberater dürfte Szostak dem Slowaken künftig auch in Sachen Schweiz zur Seite stehen und eventuell schon beim nächsten Treffen mit Cassis beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos mit am Tisch sitzen.
(aargauerzeitung.ch)
Was braucht es eigentlich noch, damit unsere Europapolitik der letzten 30 Jahre als das Eigentor anerkannt wird, das es immer war?
Es war schön und bequem - aber eben, nix wärt ewig.
Ein neuer Anlauf zum Beitritt zum EWR könnte vieles vereinfachen. Im Club mit, zumindest was die Ausgangslage am Arbeitsmarkt/pro Kopf BIP anbelangt, sind die EWR-Staaten und die Schweiz sehr ähnlich.
Ich denke, dass die Interessen der bestehenden EWR-Mitglieder ggü der EU vergleichbar sind mit unseren. Oder sich zumindest nicht massiv widersprechen.
Nach dem Motto:
Besser gemeinsam als einsam.
Das wird nachhaltige Konsequenzen für unser Land haben und wir dürfen uns dann beim bürgerlich-konservativen Bundesrat bedanken, wenn wir wieder Zollschranken haben, Produkte doppelt genehmigen lassen müssen oder Arbeitsbewilligungen für Aussendienstmitarbeiter einholen werden, damit die im EU-Raum arbeiten können.
Dies ist ein Pyrrhussieg der kleingeistigen Eidgenossen, der uns aber teuer zu stehen kommen wird!