Im Jahr 2015 ist das gemeinsame Asylsystem der EU durch den Andrang von über einer Million Schutzsuchenden in kurzer Zeit zusammengebrochen. Das soll sich nicht wiederholen. Nach drei Jahren Verhandlungen hat sich die EU nun auf einen neuen «Asyl- und Migrationspakt» geeinigt. Das sind die wichtigsten Fragen und Antworten.
An den EU-Aussengrenzen werden die Kontrollen verstärkt und neue, strengere Verfahren eingeführt. Wer aus einem Land wie Marokko oder Tunesien kommt, wo die Anerkennungsquote unter 20 Prozent liegt, wird in ein Express-Verfahren geschickt. Dieses darf maximal drei Monate dauern und soll in geschlossenen Zentren nahe der Grenze stattfinden. Für Kontroversen sorgt, dass auch Familien mit Kindern in diese haftähnlichen Einrichtungen geschickt werden können. Bis zu 120'000 solcher Schnellverfahren sollen im Jahr stattfinden. Wer kein Recht auf Asyl hat, soll umgehend zurückgeschafft oder in ein sicheres Drittland abgeschoben werden.
Nein. Die EU-Mitgliedstaaten verpflichten sich zwar zu einem Solidaritätsmechanismus. Dieser sieht vor, pro Jahr 30'000 Asylbewerber auf die EU-Länder zu verteilen, um die Erstankunftsländer wie Griechenland oder Italien zu entlasten. Die Übernahme von Asylbewerbern ist aber freiwillig. Wer keine Migranten aufnehmen will, kann einen Ausgleichsbetrag von 20'000 Euro pro Person bezahlen und sich «freikaufen».
Bei einem aussergewöhnlichen Andrang wie 2015 wird ebenfalls ein Mechanismus aktiviert, der Umverteilungen beinhalten kann. Wenn es zu einer Instrumentalisierung kommt und Migranten als Druckmittel eingesetzt werden, wie es an der weissrussischen und türkischen Grenze der Fall war, können Asylverfahren vorübergehend ausgesetzt und mehr Menschen in den geschlossenen Zentren festgehalten werden.
Nein. Asylbewerber sollen zwar leichter abgeschoben werden können und das auch in Länder, die nicht ihre Heimatländer sind. Aber es muss explizit ein Bezug zu diesem Land bestehen. Das könnte zum Beispiel sein, dass bereits Familienangehörige in dem Land leben.
Als Binnenland profitiert die Schweiz von einem funktionierenden EU-Asylsystem. Es kommen nicht nur weniger Leute in die Schweiz, sondern es können im Rahmen des heute geltenden Dublin-Regel auch mehr Menschen innerhalb der EU zurückgeschickt werden. Seit einigen Monaten weigert sich zum Beispiel Italien, Asylbewerber von der Schweiz zurückzunehmen, für die es eigentlich zuständig wäre. Das dürfte sich ändern. Ausserdem: Die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied muss den Teil mit dem Solidaritätsmechanismus nicht übernehmen. Das heisst, die Schweiz muss sich weder an der Umverteilung von Migrantinnen oder Migranten beteiligen, noch 20'000 Euro pro Person bezahlen.
Das muss sich zeigen. Schnelle Grenzverfahren bringen nicht viel, solange Rückführungen wegen fehlender Kooperation der Herkunftsstaaten unmöglich sind. Auch ist zu bezweifeln, dass die Rechtsverschärfung allein Menschen von ihrer Flucht nach Europa abhalten wird. Erfahren die Länder an den EU-Aussengrenzen keine Solidarität, dürften sie zudem schnell wieder zur Praxis zurückkehren, Migrantinnen und Migranten unregistriert in andere EU-Länder weiterziehen zu lassen. In Brüssel sind sich aber viele einig, dass im Vergleich zur chaotischen Lage von heute so ziemlich alles eine Verbesserung ist. (bzbasel.ch)