Schweiz
International

Sri Lanka: Krise um Entführung einer Schweizer Botschaftsmitarbeiterin

A security guard poses for the photographer in front of the Swiss Embassy in Colombo, Sri Lanka, Monday, September 22, 2014. A media trip is organised by FDFA (Federal Department of Foreign Affairs) t ...
Ein Sicherheitsmann auf dem Areal der Schweizer Botschaft in Colombo (Archivbild).Bild: KEYSTONE

Botschaftsmitarbeiterin entführt – Krise zwischen Schweiz und Sri Lanka eskaliert weiter

In Colombo wurde eine Mitarbeiterin der Schweizer Botschaft entführt – offenbar, um Informationen über einen in die Schweiz geflüchteten Polizeioffizier zu erpressen. Aber jetzt dreht Sri Lankas Machthaber den Spiess um.
04.12.2019, 13:23
Henry Habegger / ch media
Mehr «Schweiz»

Es geschah am 25. November in Colombo, der Hauptstadt von Sri Lanka. Auf offener Strasse wurde einen lokale Angestellte der Schweizer Botschaft in einen Lieferwagen gezerrt und während zwei Stunden festgehalten. Laut Schweizer Aussendepartement EDA sollte die Frau «zur Herausgabe geschäftsrelevanter Informationen» gezwungen werden. Anscheinend wollten die Unbekannten von der Frau Informationen über den Polizeioffizier Nishantha Silva erpressen, der sich zuvor in die Schweiz abgesetzt und hier Asyl beantragt hatte.

Morde an Regimekritikern

Laut Medienberichten ermittelte der als integer geltende Nishantha wegen Verbrechen, die unter Präsident Mahinda Rajapaksa begangen wurden, der bis 2015 an der Macht war. Es ging unter anderem um Morde an Regimekritikern und Korruption bei Rüstungsgeschäften.

Former Sri Lankan president Mahinda Rajapaksa, left, and former Defense Secretary and his brother Gotabaya Rajapaksa wave to supporters during a party convention held to announce the presidential cand ...
Mächtiger Familienclan: Sri Lankas Präsident Gotabaya Rajapaksa (r.) und sein Bruder Mahinda, der von 2005 bis 2015 Präsident war.Bild: AP

Nachdem aber Rajapaksas ebenfalls mit Morden in Verbindung gebrachter Bruder Gotabaya am 16. November 2019 zum Präsidenten Sri Lankas gewählt wurde, blieb Ermittler Nishantha nur die Flucht - offenbar in die Schweiz. Er hatte zuvor Morddrohungen erhalten, sein Polizeischutz war trotzdem abgezogen worden. Die Schweiz nimmt die Entwicklung sehr ernst. Es handle sich um gravierende Vorfälle, sagt beispielsweise SP-Aussenpolitiker Fabian Molina.

Am Montag hatte Staatssekretärin Pascale Baeriswyl den sri-lankischen Botschafter, der in Berlin sitzt, ins Aussendepartement in Bern zitiert. Das EDA teilte danach mit, dass die Schweiz «ein rechtsstaatliches Verfahren zur Lösung des Falls» unterstütze, dass die Mitarbeiterin allerdings aus medizinischen Gründen nicht vernehmungsfähig sei.

Bundesrat Ignazio Cassis und Staatssekretärin Pascale Baeriswyl äussern sich vor den Medien zum Wechsel der Spitzendiplomatin. Sie wird Uno-Botschafterin in New York.
Staatssekretärin Pascala Baeriswyl und Aussenminister Ignazio Cassis.Bild: KEYSTONE

Die Schweizer Botschaft in Colombo erstattete nach dem Übergriff auf die Botschaftsangestellte in Sri Lanka Anzeige und forderte «eine rasche und lückenlose Aufklärung der Hintergründe».

«Illegaler Akt der Schweiz»

Kreise um Machthaber Rajapaksa drehen den Spiess jetzt aber um und greifen die Schweiz frontal an. Gestern meldete sich das National Joint Committee (NJC) zu Wort und warf der «Schweizer Botschaft und ihrer Regierung» vor, sie habe die Ausreise des Polizeioffiziers Nishantha erleichert und diesem Asyl gewährt. Das sei ein «rücksichtsloser und illegaler Akt».

epa08003529 Supporters of Sri Lanka's President-elect Gotabaya Rajapaksa celebrate in Colombo, Sri Lanka, 17 November 2019. Rajapaksa defeated ruling party's candidate Sajith Premadasa in th ...
Anhänger von Präsident Gotabaya Rajapaksa feiern dessen Wahlsieg am 17. November 2019.Bild: EPA

Das National Joint Committee ist die Dachorganisation der dominierenden singhalesischen Buddhisten in Sri Lanka. Auch die Rajapaksas sind singhalesischen Buddhisten. NJC wirft der Schweiz vor, die weigere sich, die Identität der entführten Mitarbeiterin preis zu geben und tue nur so, als würde sie bei der Aufklärung des Falls kooperieren. «Dies offensichtlich darum, weil eine Untersuchung das illegale Verhalten seitens der Schweizer Regierung bestätigen würde.»

Spiess umgedreht

Das Committee stellt sogar den Verdacht in den Raum, die Schweiz wolle die lokale Angestellte «gegen deren Willen aus Sri Lanka entfernen». Das sei der Grund, warum die Schweiz bei den sri-lankischen Behörden beantragt habe, die Angestellte mit einer Ambulanz in die Schweiz zu fliegen.

Wenn sich der Zustand der sri-lankischen Bürgerin aber wirklich derart verschlechtere, sei es an Sri Lanka und nicht an der Schweiz, ihr die nötige medizinische Hilfe zukommen zu lassen, um ihr Leben zu retten.

Streit eskaliert

Auch Sri Lankas Aussenministerium warf der Schweiz am Sonntag vor, sie verdrehe die Fakten: Die von der Schweiz im Namen des «angeblichen Opfers» präsentierten Angaben des «angeblichen Opfers» über den Vorfall und seinen zeitlichen Ablauf stimmten nicht mit Zeugenaussagen und technischen Ermittlungen überein.

Staatssekretärin Baeriswyl forderte den Botschafter Sri Lankas am Montag daher auf, «die angeblichen Beweise gegen die Darstellung der Schweizer Botschaft» zu erläutern.

Der Streit zwischen der Schweiz und Sri Lanka eskaliert. Das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis will nicht zu den neuen Entwicklungen und den neuen Anwürfen aus Colombo äussern. Nicht bestätigt ist auch, ob der sri-lankische Polizeiinspektor Nishantha Silva in der Schweiz ist und hier Asyl beantragt hat. (aargauerzeitung.ch)

Sri Lankan retired military officer Ajith Prasanna protests outside the Swiss Embassy demanding the questioning of its employee in Colombo, Sri Lanka, Monday, Dec. 2, 2019. Sri Lankan authorities have ...
Ein srilankischer Militärangehöriger protestiert am Montag vor dem Eingang der Schweizer Botschaft.Bild: AP
Botschaftsmitarbeiterin darf nicht ausreisen
Ein Gericht auf Sri Lanka hat einer Mitarbeiterin der dortigen Schweizer Botschaft zeitweise verboten, das Land zu verlassen. Die Frau müsse bis Anfang kommender Woche eine Aussage zu ihrer angeblichen Entführung machen, hiess es am Dienstag von dem Gericht.
Das Schweizer Aussendepartement EDA wollte sich auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA nicht zu dem Entscheid äussern.
Am Montag hatte vor der Botschaft in Colombo ein ehemaliger srilankischer Militäroffizier demonstriert und verlangt, die Schweiz soll die Befragung der Frau durch die Polizei im südasiatischen Land zulassen. Die Schweiz beteuerte, sie arbeite bei den Ermittlungen mit Sri Lanka zusammen.(cbe/sda)
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Sie sind die jungen Diplomaten
1 / 8
Sie sind die jungen Diplomaten
Samira Cizero (34) wuchs in Bern auf und hat in Genf Internationale Beziehungen studiert. Nach ihrem Studium arbeitete sie vier Jahre lang in Burundi im Bereich Friedenspolitik, anfangs für eine NGO und später für die UNO. Samira Cizero will Diplomatin werden, weil sie die Werte der Schweizer Aussenpolitik schätzt, unter anderem den Grundsatz, Minderheitenrechte zu wahren und in Konflikten zu vermitteln. Sie tritt den praktischen Teil ihrer Ausbildung auf der Schweizerischen Botschaft in Kairo an. ... Mehr lesen
quelle: srf/severin nowacki
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Wo sind die Verschollenen von Sri Lankas Bürgerkrieg?
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
10 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Jakobokaj
04.12.2019 15:11registriert Mai 2019
SriLankanische Regierung: korrupt und unfähig
1270
Melden
Zum Kommentar
avatar
Heini Hemmi
04.12.2019 13:34registriert November 2017
Ojeminee, und Krankencassis ist dafür zuständig. Keine schönen Aussichten.
9619
Melden
Zum Kommentar
avatar
Schlawiner
04.12.2019 16:38registriert Januar 2018
Phöse Swisterland.
479
Melden
Zum Kommentar
10
Rai-Journalisten streiken gegen Kontrolle der Politik

Journalisten von Italiens öffentlich-rechtlichem Rundfunksender Rai sind am Montag für 24 Stunden in den Streik getreten. Die Mitarbeiter legen ihre Arbeit unter anderem wegen der «allgegenwärtigen Kontrolle durch die Politik» nieder.

Zur Story