Es geschah am 25. November in Colombo, der Hauptstadt von Sri Lanka. Auf offener Strasse wurde einen lokale Angestellte der Schweizer Botschaft in einen Lieferwagen gezerrt und während zwei Stunden festgehalten. Laut Schweizer Aussendepartement EDA sollte die Frau «zur Herausgabe geschäftsrelevanter Informationen» gezwungen werden. Anscheinend wollten die Unbekannten von der Frau Informationen über den Polizeioffizier Nishantha Silva erpressen, der sich zuvor in die Schweiz abgesetzt und hier Asyl beantragt hatte.
Laut Medienberichten ermittelte der als integer geltende Nishantha wegen Verbrechen, die unter Präsident Mahinda Rajapaksa begangen wurden, der bis 2015 an der Macht war. Es ging unter anderem um Morde an Regimekritikern und Korruption bei Rüstungsgeschäften.
Nachdem aber Rajapaksas ebenfalls mit Morden in Verbindung gebrachter Bruder Gotabaya am 16. November 2019 zum Präsidenten Sri Lankas gewählt wurde, blieb Ermittler Nishantha nur die Flucht - offenbar in die Schweiz. Er hatte zuvor Morddrohungen erhalten, sein Polizeischutz war trotzdem abgezogen worden. Die Schweiz nimmt die Entwicklung sehr ernst. Es handle sich um gravierende Vorfälle, sagt beispielsweise SP-Aussenpolitiker Fabian Molina.
Am Montag hatte Staatssekretärin Pascale Baeriswyl den sri-lankischen Botschafter, der in Berlin sitzt, ins Aussendepartement in Bern zitiert. Das EDA teilte danach mit, dass die Schweiz «ein rechtsstaatliches Verfahren zur Lösung des Falls» unterstütze, dass die Mitarbeiterin allerdings aus medizinischen Gründen nicht vernehmungsfähig sei.
Die Schweizer Botschaft in Colombo erstattete nach dem Übergriff auf die Botschaftsangestellte in Sri Lanka Anzeige und forderte «eine rasche und lückenlose Aufklärung der Hintergründe».
Kreise um Machthaber Rajapaksa drehen den Spiess jetzt aber um und greifen die Schweiz frontal an. Gestern meldete sich das National Joint Committee (NJC) zu Wort und warf der «Schweizer Botschaft und ihrer Regierung» vor, sie habe die Ausreise des Polizeioffiziers Nishantha erleichert und diesem Asyl gewährt. Das sei ein «rücksichtsloser und illegaler Akt».
Das National Joint Committee ist die Dachorganisation der dominierenden singhalesischen Buddhisten in Sri Lanka. Auch die Rajapaksas sind singhalesischen Buddhisten. NJC wirft der Schweiz vor, die weigere sich, die Identität der entführten Mitarbeiterin preis zu geben und tue nur so, als würde sie bei der Aufklärung des Falls kooperieren. «Dies offensichtlich darum, weil eine Untersuchung das illegale Verhalten seitens der Schweizer Regierung bestätigen würde.»
Das Committee stellt sogar den Verdacht in den Raum, die Schweiz wolle die lokale Angestellte «gegen deren Willen aus Sri Lanka entfernen». Das sei der Grund, warum die Schweiz bei den sri-lankischen Behörden beantragt habe, die Angestellte mit einer Ambulanz in die Schweiz zu fliegen.
Wenn sich der Zustand der sri-lankischen Bürgerin aber wirklich derart verschlechtere, sei es an Sri Lanka und nicht an der Schweiz, ihr die nötige medizinische Hilfe zukommen zu lassen, um ihr Leben zu retten.
Auch Sri Lankas Aussenministerium warf der Schweiz am Sonntag vor, sie verdrehe die Fakten: Die von der Schweiz im Namen des «angeblichen Opfers» präsentierten Angaben des «angeblichen Opfers» über den Vorfall und seinen zeitlichen Ablauf stimmten nicht mit Zeugenaussagen und technischen Ermittlungen überein.
Staatssekretärin Baeriswyl forderte den Botschafter Sri Lankas am Montag daher auf, «die angeblichen Beweise gegen die Darstellung der Schweizer Botschaft» zu erläutern.
Der Streit zwischen der Schweiz und Sri Lanka eskaliert. Das Aussendepartement von Bundesrat Ignazio Cassis will nicht zu den neuen Entwicklungen und den neuen Anwürfen aus Colombo äussern. Nicht bestätigt ist auch, ob der sri-lankische Polizeiinspektor Nishantha Silva in der Schweiz ist und hier Asyl beantragt hat. (aargauerzeitung.ch)