Am Rand des EU-Gipfeltreffens in Brüssel redet Mark Rutte Klartext: «Um ehrlich zu sein, ich war sehr enttäuscht.» Das sagte der niederländische Ministerpräsident über den Entscheid des Bundesrats, den Export von 96 in Italien eingelagerten Leopard-1-Panzern des Rüstungskonzerns Ruag zu blockieren. Die Niederlande hatten die Schweiz offiziell darum gebeten und angeboten, die Rechnung zu bezahlen.
Nach einem Umweg über Deutschland hätten die flottgemachten Panzer in die Ukraine zum Kriegseinsatz geschickt werden sollen. Daraus wird nun nichts. Rutte: «Ich stand in engem Austausch mit dem Schweizer Bundespräsidenten und hätte mir wirklich ein anderes Resultat erhofft.» Die Schweizer Haltung sei schwierig nachzuvollziehen und werfe Fragen auf. Man wolle nun nach alternativen Lösungen suchen, so der Niederländer, dessen Land die Ukraine in ihrer Verteidigung gegen den russischen Angriff tatkräftig unterstützt.
Auf die Frage, ob die Angelegenheit die Beziehungen zwischen Bern und Den Haag belasten würde, sagte Rutte, er hoffe es nicht und man werde es zu vermeiden versuchen. Besonders förderlich dürfte es aber nicht sein. Im komplizierten Verhältnis der Schweiz zur EU gehört seine Regierung oft zu den wenigen Verbündeten des Bundesrats in Brüssel. So waren es neben Deutschland vor allem die Niederlande, die sich stets für eine Freigabe der blockierten Forschungszusammenarbeit eingesetzt hatten.
Aber auch international sorgte der Bundesratsentscheid zu den Leopard-Panzern für Schlagzeilen. Ein Artikel der britischen «Financial Times» erreichte eine hohe Reichweite auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. «Das Ende der Schweizer Waffenexporte und -produktion» schrieb der Leiter des Zentrums für Sicherheit und Verteidigung der «Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik» dazu. Als «hoffnungslos naiv» beschrieb der Brüssel-Korrespondent des Wirtschaftsblatts «The Economist» die Schweizer Neutralitätspolitik angesichts des Krieges.
I spoke to a large audience in Switzerland today, arguing that reviewing the age-old neutrality doctrine might actually be a good idea, considering global and regional security ( and institutional) developments https://t.co/xKVNTuSu8j
— Wolfgang Ischinger (@ischinger) June 29, 2023
Im Bundesrat selbst hatte laut zwei unabhängigen Quellen insbesondere Verteidigungsministerin Viola Amherd für den Verkauf gekämpft, mit Unterstützung von Aussenminister Ignazio Cassis. In einem Mitbericht soll Amherd vor einem Reputationsschaden gewarnt haben, falls der Bund den Panzer-Handel blockiere. Es sei dies nicht allein ein sicherheitspolitisches Thema. Die Frage betreffe auch das Verhältnis der Schweiz zu ihren europäischen Partnerstaaten.
Sie spielte damit auf die laufenden Sondierungsgespräche mit der EU an. Zudem wünscht sich Bern eine engere Kooperation mit dem Militärbündnis Nato. Schon bei ihrem Besuch in der Nato-Zentrale in Brüssel im März musste Amherd mehrmals erklären, warum die Schweiz die Weitergabe von Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion blockiere. Obwohl Mitglieder des Bundesrats nicht müde werden, bei ihren internationalen Treffen die Schweizer Neutralität zu erklären, ist das Unverständnis seither nicht kleiner geworden.
Der Bundesrat, so heisst es derweil in Bern, habe aufgrund der geltenden Gesetze nicht anders entscheiden können. So stellt ein vertrauliches Rechtsgutachten des Bundesamts für Justiz fest, der Verkauf hätte nur über einen Notrechtsbeschluss des Bundesrats ermöglicht werden können. Hingegen zeigt man sich im Umfeld des Bundesrats zuversichtlich, dass ein anderer Panzerdeal bald möglich werden soll: Der Verkauf von 25 Panzern des Typs Leopard 2 an Deutschland. Diese sollen aber nicht in die Ukraine gelangen, sondern in der deutschen Bundeswehr Bestandslücken füllen.
Nun wäre es elegant gewesen, hätte der Bundesrat am Mittwoch seine Absage an den Deal mit den Leopard-1-Panzern mit einem andern Geschäft auffangen können: dem seit langem angekündigten Hilfspaket für den Wiederaufbau in der Ukraine. Dieses soll zusätzlich zu den bereits für die Jahre 2024-2028 geplanten rund 1.8 Milliarden Franken ein längerfristiges, starkes Engagement der Schweiz in der Ukraine sicherstellen. Es geht auch darum, dass die Schweiz im weltweiten Vergleich bezüglich Hilfsbereitschaft nicht abfällt.
Vor kurzem noch hiess es, das Paket werde vor den Sommerferien im Bundesrat traktandiert. Das sei nun daran gescheitert, weil Aussenminister Ignazio Cassis den Entwurf des Paktes zurückgewiesen habe, heisst es. Das Papier habe bereits konkrete Vorschläge und Strategien enthalten; die Rede war von rund 2 Milliarden Franken. Cassis wünsche nun aber eine weitere Grundsatzdebatte.
Hintergrund des Manövers könnten freilich finanzpolitische Fragen sein. Dem Vernehmen nach sollen Gelder aus der Entwicklungszusammenarbeit (IZA) in die Ukraine umgelenkt werden. Bis 80 Prozent der Ukraine-Gelder könnten demnach bei der IZA abgezweigt werden. Die Hilfe in der Ukraine ginge damit langfristig auf Kosten der armen Länder im Süden. Im Februar sagte Cassis zu einem solchen Szenario noch: «Ziehen wir uns aus Regionen und Ländern zurück, wo unsere Unterstützung nötig ist und sehr geschätzt wird, würde das nicht verstanden.» (aargauerzeitung.ch)
Die Schweiz als Selbstbedienungsladen für Rechtspopulisten wird nicht mehr lange von den Nachbarstaaten gedulded werden.
Vielen Dank an alle Wähler dieser "gmögigen" und "die einzigen die die Schweiz bewahren" Gruppierung. Ihr schafft es tatsächlich genau das zu zerstören, was eure Rattenfänger vermeintlich schützen wollen: eine freie und souveräne Schweiz!
* Solange Geld mit Waffenexpot verdient werden kann kein Problem.
Aber wenn ein Land Angegriffen, die Spitäler und andere zivile einrichtungen zerbombt werden ist man "Neutral"
🤔💩