Dass es so kommt, war so sicher wie der Segen des orthodoxen Patriarchen Kyrill: Wladimir Putin wird den Putschversuch von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin nicht ohne Rachefeldzug auf sich beruhen lassen. Laut aktuellem Bericht der «Moscow Times» sitzt der berüchtigte «General Armageddon», Sergej Surowikin, in Moskau in Haft.
The Defense Ministry has yet to comment on the alleged arrest of Surovikin, who has not been seen in public since Saturday.https://t.co/dr7xM4N33k
— The Moscow Times (@MoscowTimes) June 29, 2023
Also ausgerechnet Surowikin, der als einer der wenigen Militärs am Samstag in einem Video Prigoschin zum Einhalt aufgerufen hatte und die Wagner-Söldner zum Abbruch des Aufstands. Am Dienstag hatte die «New York Times» weltweit für Aufsehen gesorgt, als sie Surowikin als Mitorganisator des Putsches anschwärzte. Dabei berief sich die führende US-Zeitung auf Geheimdienstinformationen.
Weitere russische Stimmen in den sozialen Netzwerken berichten, dass eine regelrechte Säuberungswelle das russische Militär erfasst hat und führende Offiziere von den Geheimdiensten dazu verhört werden, wie sie sich zum Zeitpunkt von Prigoschins Marsch auf Moskau verhielten. Laut unbestätigten Angaben vom Wochenende sollen vier von zehn Mitgliedern der Ordnungskräfte nicht zur Ausführung der Operation «Festung» erschienen sein, welche der Kreml zur Putschabwehr am Samstag in Moskau ausrief.
Gegen aussen zelebrierte Putin in den vergangenen Tagen grosse Verbundenheit und Nähe zum Militär. Mehrfach lobte er seine Truppen öffentlich für deren Loyalität und Pflichterfüllung. Die Verhaftung Surowikins könnte nun hinter den Kulissen den Auftakt zu Putins Vendetta bilden. Auch sein Stellvertreter, Generalleutnant der Luftwaffe Andrej Judin, soll sich in Haft befinden. Offiziell stellt der Kreml eine Beteiligung Surowikins am Putsch bisher in Abrede.
Genaue Beobachter von Surowikins Videoaufruf haben festgestellt, dass der General auf seiner Uniform keine Rangabzeichen trug, als das zweiminütige Band aufgenommen wurde. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich «General Armageddon» bereits früh am Samstag als Mitwisser in Haft befand und seinen Aufruf auf äusseren Druck hin erliess.
Etwas braut sich in Russland zusammen
— White_Rabbit_Q (@White_Rabbit_Q) June 24, 2023
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte ein Video von Armeegeneral Sergej Surowikin, an die Führung, die Kommandeure und die Kämpfer des PMC Wagner, in der er dazu aufrief alle Probleme friedlich zu lösen.
In Russland gibt… pic.twitter.com/aQgRntuZIn
Ebenso denkbar ist aber auch, dass Surowikin einer geschickten Intrige zum Opfer gefallen ist, die in der Publikation der «New York Times» ihren Anfang nahm. Im Gegensatz zu Verteidigungsminister Schoigu und Generalstabschef Gerassimow gilt der brutal-rücksichtslose Offizier als fähiger Truppenführer, der im vergangenen Herbst die meisterhafte Absetzbewegung von 30'000 bei Cherson fast eingekesselten russischen Truppen befehligte.
Anfang Jahr fiel er jedoch bei Putin in Ungnade und wurde als Kommandeur in die Ukraine abgesetzt; vermutlich weil er sich weigerte, mit ungenügenden Kräften die dann erfolglose russische Winteroffensive zu starten und stattdessen lieber defensiv operierte. Insofern könnten sowohl die Ukrainer als auch Schoigu und Gerassimow jedes Interesse daran haben, den gefährlichen Konkurrenten dauerhaft auszuschalten.
Crime Family Update:
— Beefeater (@Beefeater_Fella) June 29, 2023
☠️ Putin wants to kill Prigozhin
☠️Prigozhin wants to kill Shoigu
☠️Shoigu wants to kill Surovikin and Prigozhin
☠️Kadyrov want to kill Prigozhin
☠️Girkin wants to kill Prigozhin and Shoigu and Putin
☠️Duma wants to kill Abramovich and Medvedev… pic.twitter.com/BWn8bc5OjW
Bei all der Aufregung der letzten Stunden um «General Armageddon» - seinen Übernamen trägt er wegen seiner Kriegsverbrechen in Syrien - geht beinahe vergessen, dass seit Samstag auch von Generalstabschef Waleri Gerassimow jede Spur fehlt. Zunächst hiess es, er sei beim Aufstand von den Wagner-Söldnern in Rostow gefangen genommen worden. Inzwischen gilt diese Version als wenig wahrscheinlich, wäre er doch sonst ziemlich sicher von seinem Erzfeind Prigoschin als Trophäe vorgeführt worden.
Somit kann auch über seinen Verbleib nur spekuliert werden. Von den russischen Topmilitärs scheint derzeit einzig Verteidigungsminister Sergej Schoigu fest im Sattel zu sitzen. Die russischen Medien zeigten den 68-Jährigen seit dem Wochenende mehrfach in Begleitung Putins. (aargauerzeitung.ch)