«Welche Tricks haben Sie, wenn Sie völlig übermüdet sind, Herr Grünenfelder?», fragt Projer, nach sechs Wochen Vaterschaftsurlaub zum ersten Mal wieder auf Sendung und gezeichnet von einer kurzen Nacht, den Avenir-Suisse-Direktor vor Beginn der Übertragung. «Ich komme in die Arena», antwortet dieser, und erntet dafür Lacher von allen Seiten.
Tatsächlich wird die zu Beginn nur schleppend vorankommende Diskussion zum Monsterthema Globalisierung mit fortschreitender Sendezeit zwar weder verständlich noch erkenntnisstiftend, dafür aber überraschend unterhaltsam.
Die Unterhaltung ist einem Running Gag auf Kosten des SVP-Nationalrats Lukas Reimann zu verdanken, einem applausfreudigen Publikum und einem erstaunlich milden Jonas Projer, der die Streithähne seelenruhig gewähren lässt.
Für die wenigen erhellenden Momente sorgt eine Professorin im Expertenstand, die im Gegensatz zu den vier «Arena»-Gästen in dieser komplexen Debatte erfrischend einfache Worte findet – zum Beispiel zum Widerstand gegen die Freihandelsabkommen, jenem Widerstand, den in dieser Sendung das ungleiche Team Tamara Funiciello (Juso-Präsidentin) und Reimann formiert.
Die Hoffnung des Zuschauers, die Diskussion möge nun so verständlich weitergehen, wird damit zerschlagen, dass die Gäste (neben Reimann und Funiciello sind das FDP-Ständerat Ruedi Noser und Avenir-Suisse-Direktor Peter Grünenfelder) innert weniger Minuten über Rolltreppen und AKW, Konzerndiktatur, Investorenschutz und Parallel-Justiz dermassen aneinander vorbeiparlieren, dass beim Zuschauer eigentlich nur ein einziger Satz hängenbleibt:
Es ist Professorin Walter, die wieder einigermassen Ordnung in die Sache bringt. Die Frage, ob es Freihandelsabkommen brauche oder nicht, sei obsolet, sagt die Politologin, die Frage sei nur, wie die Konfliktlösungen ausgestaltet würden.
Auch nach diesem Statement verzichten die Gäste nicht darauf, sich zu verzetteln. Immerhin schafft es Funiciello einigermassen, mit gewohnt kraftvoller Rhetorik den Zuschauer zu erreichen. «Das internationale Recht, das ich will, schützt den Bürger», sagt Funiciello. Die heutigen Probleme müsse man auf einer internationalen Ebene lösen, doch man müsse die Arbeitnehmer schützen – was diese Abkommen nicht täten.
Der Fabrikarbeiter im Emmental verliere, die Grosskonzerne gewännen, sagt die Juso-Präsidentin, niemand könne ihr sagen, was mit dem Fabrikarbeiter im Emmental geschehe, sagt sie gleich noch einmal. Noser und Grünenfelder betonen stoisch die Dringlichkeit und Vorteile von Freihandelsabkommen. Neue Märkte, mehr Vernetzung, mehr Arbeitsplätze.
Alles schon gehört, das führt zu nichts, denkt sich der Zuschauer, da rettet Professorin Walter die «Arena» wieder aus der Parolenspirale. Beide hätten recht, es gebe Gewinner der Globalisierung, und es gebe Verlierer, und diese müsse man irgendwie auffangen.
Von dieser versöhnlichen Lösungsorientiertheit lassen sich die «Arena»-Gäste nicht beirren, im Gegenteil, es scheint, als hätten die vier nach Walters Statement gedacht, sie müssten wohl die Ellbogen stärker ausfahren, kann ja nicht sein, dass alle ein bisschen recht haben – von nun an soll es Seitenhiebe hageln und dem Gegner herablassend ins Gesicht geschmunzelt werden.
Besonders unter die Räder gerät dabei Lukas Reimann. Für die Aussage, Globalisierung sei eine nicht wegzuredende Tatsache, erntet er belustigte und erstaunte Blicke von Funiciello, auf seine Lobesrede über Taiwan (Reimann trägt einen Taiwan-Schweiz-Pin auf der Brust und schwärmt davon, dass dieses Land kein internationales Abkommen habe, aber Export-Weltmeister sei – so müsse man es doch machen, ganz ohne staatliche Bürokratie) reagiert Grünenfelder mit: «Herr Reimann, ganz konkret, wie wollen Sie das machen? Bei einem Glas Bier besprechen?» Und Noser, ganz irritiert, vergisst ob Reimanns kruden Argumenten sogar die Etikette.
Der Spruch, er sei doch ein Jurist, gefällt Noser und Grünenfelder dermassen, dass sie ihn in den nächsten Minuten – die Diskussion dreht sich mittlerweile um Ernährungssicherheit, Tierfutter aus dem Ausland und mit Chlor kontaminierte Hühner – noch zwei Mal bringen. Die Lacher haben Noser und Grünenfelder auf ihrer Seite, den Applaus Funiciello, als sie sagt, es sei ja klar, dass Noser sich nicht um das Chlor im Poulet schere, er könne sich das Bio-Hühnchen ja leisten.
Der wenig erfolgreiche Reimann versucht nach den Seitenhieben wieder Fuss zu fassen, indem er Funiciello ohne Rücksicht auf eine sinnvolle Diskussionslinie angreift. «Was machen eigentlich die Linken!?», plärrt er, erntet dafür zwar zunächst Applaus, rollt damit aber zu seinem eigenen Nachteil Juso-Präsidentin Funiciello den Teppich für einen Streit über die «Anti-Menschenrechts-Initiative» der SVP aus, den Moderator Projer tatsächlich so lange gewähren lässt, bis sich der klare Verlierer Reimann zurückzieht.
Das führt zu nichts, denkt sich der Zuschauer erneut, Professorin Walter muss sich einschalten. Das macht sie dann auch: Die Globalisierung passiere, es gebe Risiken, die man nicht unterschätzen dürfe, nicht jeder würde gewinnen. Die Schweiz sei in einer schlechteren Verhandlungsposition bei TTIP. Und wenn das Abkommen Realität werde, werde es für viele Unternehmen attraktiver, in der EU zu produzieren als in der Schweiz.
Erfrischend sachlich und verständlich, denkt sich der Zuschauer, doch irgendwie hat man auch das schon gehört. Der nächste Einspieler verspricht Abwechslung: Der Greenpeace-Kampagnen-Film gegen TTIP, dessen Verantwortlicher sitzt auf der Zuschauerbank in der «Arena». Der Film ist an «Herr der Ringe» angelehnt, ein «hoch globalisierter Film», sagt Projer, «Demagogie», wirft Grünenfelder ein. Man sei für eine Globalisierung, aber TTIP sei nicht die Lösung, verteidigt sich Greenpeace-Kampagnen-Leiter Christian Engeli.
Die Sendezeit neigt sich dem Ende zu, der Zuschauer atmet erleichtert auf, als Funiciello sagt, sie würde gern einen Punkt finden, muss dann aber doch geduldig zusehen, wie die Gäste noch das eine oder andere Fass aufmachen, Koreas Stabilität beispielsweise, der Rückgang der Kindersterblichkeit, Vaterschaftsurlaub, Pestizide und KMU.
Nach ein paar Minuten ist es wieder Funiciello, die die Hoffnung schürt, man komme in dieser «Arena» auf einen Punkt: Als die Juso-Präsidentin über den Kaffee spricht, auf den sie nicht verzichten wolle, sieht der Zuschauer schon, wie sich der Kreis schliesst, zurück zu Tricks gegen Übermüdung. Doch Funiciello lässt die Chance nicht aus, noch ein Mal gegen Noser und Grünenfelder zu schiessen.
Projer muss den Angegriffenen wohl oder übel noch die Chance geben, sich zu verteidigen. Erhellendes kommt auch da nicht mehr heraus, aber danach kann der Moderator Streithähne und Zuschauer guten Gewissens in den Apéro entlassen.