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Oligarchen-Gelder: Der Druck auf Schweizer Anwälte steigt

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Völlig überraschend kommt der Druck aus dem Ausland auf die Schweizer Anwältinnen und Anwälte nicht.Bild: Shutterstock

Oligarchen-Gelder: Der Druck auf Schweizer Anwälte steigt

Westliche Staaten kritisieren, dass Schweizer Anwältinnen und Anwälte unter dem geltenden Recht bei der Umgehung der Sanktionen helfen könnten. Die Branche wehrt sich – doch auch im Inland droht ihr Ungemach.
22.04.2023, 17:1922.04.2023, 17:20
Christoph Bernet / ch media
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Waffenexporte, Neutralität, Sanktionen: Gleich an mehreren Fronten steht die Schweiz im Zusammenhang mit ihrer Positionierung zum Ukraine-Krieg und dessen Folgen international unter Druck. Besonders viel Aufmerksamkeit erhielt in jüngster Zeit eine traditionell auf Diskretion bedachte Berufsgattung: die Schweizer Anwältinnen und Anwälte.

Anfang April mahnten die Botschafter der G7-Staaten in einem Brief an den Bundesrat, Schweizer Anwälte könnten zur Umgehung der Sanktionen beitragen. Es sei zu befürchten, dass sie «in ihrer Rolle als Finanzintermediäre» dabei mithelfen, illegale Finanzstrukturen aufzubauen und so «die Spuren von geparktem Vermögen» verschleiern.

Über die Schweizer Anwältinnen und Anwälte wollte diese Woche auch ein einflussreicher Besucher aus Washington sprechen: Unterstaatssekretär Brian Nelson, oberster Sanktionsbeauftragter von US-Präsident Joe Biden. Am Dienstag traf er sich mit Vertretern des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco). Bei dem Treffen war gemäss Seco auch die «Problematik der Vermögensverwaltung durch Anwälte ein Thema».

Völlig überraschend kommt der Druck aus dem Ausland auf die Schweizer Anwältinnen und Anwälte freilich nicht. Bereits im Zusammenhang mit den 2016 veröffentlichten «Panama Papers» sorgten einige der hiesigen Advokaten wegen der Errichtung von Offshore-Konstrukten zur Verschleierung von Geldern aus teilweise kriminellen Geschäften für Negativschlagzeilen.

Anwälte im Parlament zogen Revision die Zähne

Nicht zuletzt deswegen schlug der Bundesrat 2019 eine Revision des Geldwäschereigesetzes vor. Er wollte Sorgfalts- und Prüfpflichten für Anwälte und Notarinnen einführen. Das ist eine langjährige Forderung der Financial Action Task Force. Das internationale Gremium zur Bekämpfung der Geldwäscherei und der Terrorfinanzierung ist vor allem unter seinem französischen Kürzel Gafi bekannt.

Doch das Parlament wollte nichts wissen von zusätzlichen Vorschriften für Anwältinnen und Anwälte – nicht zuletzt, weil sich die zahlreichen Anwälte in National- und Ständerat energisch dagegen wehrten. Der damalige Finanzminister Ueli Maurer sprach von einem regelrechten «Feuerwerk der Anwälte». Er warnte in der Debatte vor einer Gesetzeslücke, die international angeprangert werde: «Wenn Sie jetzt Nein sagen, kommt es einfach wieder», so Maurer.

Die bürgerliche Parlamentsmehrheit liess sich davon nicht beeindrucken. So blieb es bei der im März 2021 beschlossenen Revision dabei: Anwältinnen und Notare sind nur dann der Geldwäschereigesetzgebung unterstellt, wenn sie als so genannte «Finanzintermediäre» handeln.

Das ist vereinfacht gesagt der Fall, wenn sie im Auftrag eines Klienten direkt über Geldströme verfügen, etwa als Bevollmächtige oder Geschäftsführer einer Firma. Dann gilt nicht das Anwalts-, sondern das schwächer geschützte Treuhandgeheimnis. Nicht unter das Gesetz fallen Anwälte, wenn sie im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit beraterisch aktiv sind – etwa beim Aufbau von komplexen Firmengeflechten. Solche Tätigkeiten sind vom Anwaltsgeheimnis geschützt.

Zwischen diesen beiden Blöcken liege eine Grauzone, welche die Schweiz weit ausdehne, sagte diese Woche der emeritierte Basler Strafrechtsprofessor und Korruptionsexperte Mark Pieth gegenüber der «Handelszeitung». Das lähme das Seco bei der Suche nach versteckten Oligarchengeldern.

«Wir haben ein Interesse daran, die Angriffsfläche so gering wie möglich zu halten», erinnerte Finanzministerin Karin Keller-Sutter die Notarinnen und Anwälte in einem Tamedia-Interview im Februar.

Noch unter ihrem Vorgänger Ueli Maurer nahm das Finanzdepartement (EFD) im Oktober 2022 einen neuen Anlauf, um diese Grauzone zu regulieren. Bis zum Sommer will es eine neue Vorlage ausarbeiten. Diese soll neue Massnahmen zur Stärkung des Dispositivs im Kampf gegen Geldwäscherei beinhalten, darunter Anpassungen für Anwälte und Notare.

USA sind selber kein Musterknabe

Eine gewisse Offenheit signalisiert dieses Mal Anwalt und Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy, der sich bei der letzten Revision gegen neue Vorschriften für seine Berufsgattung gewehrt hat. «Wenn der Bundesrat glaubwürdig aufzeigen kann, wo die heutige Gesetzgebung Lücken aufweist und wie diese ohne Verletzung des Anwaltsgeheimnisses geschlossen werden können, sind wir offen für gezielte Anpassungen.» Doch der Walliser betont, dass die Schweizer Geldwäschereiregeln im internationalen Vergleich streng seien und auch für Anwältinnen und Anwälte gelten, «sobald diese Geld in die Hände nehmen».

Der Genfer Anwalt und FDP-Nationalrat Christian Lüscher bezeichnet das Anwaltsgeheimnis als «fundamentalen Pfeiler unseres Rechtsstaats», das nicht unter dem Vorwand der Geldwäschereibekämpfung geschleift werden dürfe. Insofern die Anwältinnen und Anwälte als Finanzintermediäre handelten, würden für sie die gleichen Geldwäschereibestimmungen gelten wie für andere Akteure, betont auch er.

Auch für den Schweizerischen Anwaltsverband muss die aktuelle Gesetzgebung den internationalen Vergleich «nicht scheuen». Wer mit internationalem Druck und der Haltung der Gafi argumentiere, müsse aufzeigen können, wieweit es weltweit eine griffigere Regulierung gebe als die in der Schweiz geltende und wo deren angeblichen Grauzonen und Lücken liegen.

GLP-Nationalrätin Judith Bellaiche hat sich bereits bei der letzten Revision für strengere Regeln eingesetzt. Gemäss ihr führen der Anwaltsverband und seine Vertreter im Parlament ein «Rückzugsgefecht». Sie verstehe, dass sich der Berufsstand gegen pauschale Unterstellungen aus dem Ausland wehre, wonach alle Schweizer Anwältinnen und Anwälte als Geldwäschereigehilfen fungierten. Aber strengere Regeln brauche es gleichwohl. Die Schweiz spiele mit ihrem Finanzplatz auf einem internationalen Spielfeld: «Dann müssen wir dessen Regeln einhalten. Man kann nicht an der Weltmeisterschaft mitspielen, aber nach den Regeln der Regionalliga spielen wollen.»

Für alle drei angefragten Parlamentarier sind die derzeitigen Druckversuche auf die Schweiz nicht allein sachlich begründet, sondern auch Ausdruck von Machtpolitik. Das lässt sich mit einer Zahl illustrieren. Von den 40 Empfehlungen der Gafi erfüllt die Schweiz 35 ganz oder grösstenteils, fünf nur teilweise. Die USA, die derzeit am meisten Druck aufsetzen, erfüllen fünf Empfehlungen nur teilweise – und vier überhaupt nicht.

(aargauerzeitung.ch)

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11 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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N. Y. P.
22.04.2023 18:24registriert August 2018
Der Bundesrat schlug 2019 eine Revision des Geldwäschereigesetzes vor. Der Bundesrat wollte die Geldwäscherei und die Terrorfinanzierung auch bei den Anwälten bekämpfen.

Doch das Parlament wollte nichts wissen von zusätzlichen Vorschriften für Anwältinnen und Anwälte – nicht zuletzt, weil sich die zahlreichen Anwälte in National- und Ständerat energisch dagegen wehrten.

Auf deutsch: Die Anwälte im National- und Ständerat wollen weiterhin Geld waschen und DEN TERROR FINANZIEREN.

So einfach sehe ich das.

Es ist schon eine traurige S**bande, unsere Anwälte. Pfui Teufel.
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N. Y. P.
22.04.2023 18:26registriert August 2018
@USA

Ich würde solange Sanktionen gegen den Schweizer Finanzplatz erheben, bis unsere Gnomen die 300 Milliarden Oligarchengelder gefunden haben.

🇺🇸
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