Der Europarat will den Wolfsschutz lockern. Der zuständige Ausschuss hat am Dienstag den Schutzstatus von «streng geschützt» auf «geschützt» gesenkt. Gleichentags hiess der Ständerat die Prüfung von Gebieten ohne Wölfe und einen stärkeren Herdenschutz gut.
Der Nationalrat hatte bereits in der Sommersession eine Motion angenommen, die die Schaffung von «wolfsfreien Zonen» verlangte. So weit ging der Ständerat nicht. Er lehnte den Vorstoss ab – mit der Begründung, dass ein solches Vorhaben kaum umsetzbar wäre. Die kleine Kammer will die Idee jedoch mit einer eigenen Kommissionsmotion prüfen lassen.
Konkret verlangt die kleine Kammer einen Abbau der Bürokratie, damit der Aufwand der Kantone für ein Gesuch zur Wolfsjagd geringer wird. Der Bundesrat, vertreten durch Umweltminister Albert Rösti, lehnt die Motion ab – mit dem Hinweis, dass im Februar ohnehin eine neue Verordnung im Sinne der Motion in Kraft treten werde.
Mit einer weiteren Motion fordert der Ständerat schnellere genetische Analysen der Kadaver von von Wölfen gerissenen Tieren sowie raschere Verfahren für Abschussbewilligungen von Problemwölfen. Ausgebaut und vereinfacht werden sollen zudem die Unterstützung für den Herdenschutz und Schadenersatz-Zahlungen an von Rissen betroffene Tierhalter. Laut Rösti wird auch dies bereits umgesetzt.
Die Debatte im Bundeshaus wurde durch aktuelle Ereignisse beeinflusst. Denn gleichzeitig stimmte ein Ausschuss des Europarats für die Herabstufung des Schutzstatus des Wolfs. Nach dem Entscheid des Europarats wird es drei Monate dauern, bis der Schutzstatus im Rahmen der Berner Konvention gesenkt wird.
Bis dahin könnte theoretisch noch ein Drittel der Unterzeichnerstaaten ein Veto einlegen – was aber unwahrscheinlich ist, weil für den Entscheid vom Dienstag eine Zweidrittelmehrheit nötig war. Wenn weniger als ein Drittel Einspruch erhebt, tritt der Beschluss nur für diejenigen Staaten in Kraft, die keine Einwände erhoben haben.
Ein gesenkter Schutzstatus gäbe den EU-Staaten mehr Flexibilität, die Jagd auf Wölfe zuzulassen, ohne aber den Schutz ganz aufzuheben – der Zustand der Wolfspopulation dürfe nicht in Gefahr geraten, heisst es in einer Pressemitteilung des Europarats.
Welche Länder wie abgestimmt haben, ist nicht bekannt. Die EU-Kommission, die in Strassburg stellvertretend für die 27 EU-Mitgliedstaaten spricht, dürfte jedenfalls für den Vorschlag gestimmt haben. Ebenso die Schweiz, die sich bereits 2022 für eine Absenkung des Wolfsschutzes starkgemacht hatte – damals scheiterte diese aber unter anderem am Nein der EU.
Der Europarat ist von der EU unabhängig. Das Gremium kümmert sich um die Wahrung der Menschenrechte, ist aber auch für die Einhaltung der Berner Konvention zuständig, einem 1979 verabschiedeten völkerrechtlichen Vertrag zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Die Schweiz ist Mitglied des Europarats und hat die Konvention ratifiziert.
Während viele Viehzüchter die Lockerung des Wolfsschutzes begrüssen, warnen Tierschutzorganisationen vor der Gefahr einer Schwächung der Art. Die Herabstufung des Schutzstatus ist aus der Sicht der Umweltverbände fachlich unhaltbar und sendet ein schlechtes Signal aus für den Artenschutz.
Die Herabstufung sei kein Patentrezept für weniger Nutztierrisse, teilten Pro Natura, die Gruppe Wolf Schweiz, Birdlife und WWF in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. Auch in Wolfsbeständen mit intensiven Abschüssen komme es zu Rissen. Diese würden durch Abschüsse von Wölfen sogar begünstigt, wenn die Sozialstruktur der Wolfsrudel zerstört werde. Ein guter und flächendeckender Herdenschutz bleibe unumgänglich. (sda/dpa/apa/thw)