Der Abstimmungskampf um die Abschaffung des Eigenmietwerts läuft. Zu den Gegnern gehören auch die Kantone. Die Finanzdirektorenkonferenz hat die Nein-Parole beschlossen. Die Ausfälle sind zu gross, sagt der Urner Finanzdirektor Urs Janett (FDP).
Herr Janett, auf dem Weg nach Altdorf musste ich schauen, ob der Vierwaldstättersee zugefroren ist. Wenn ein Liberaler gegen die Abschaffung einer Steuer ist, dann ist alles möglich.
Urs Janett: Ich bin ja nicht nur Liberaler, sondern vertrete auch die Haltung der Finanzdirektorenkonferenz zu dieser Vorlage. Und im Interesse der Kantone ist die Abschaffung des Eigenmietwerts ganz sicher nicht.
Sie reden von der Meinung der Kantone: Wie sieht es persönlich aus?
Ich bin zusammen mit meiner Frau Wohneigentümer. Ich würde von dieser Vorlage profitieren. Aber ich stelle das Staatswohl über mein privates Wohl.
Wäre das Staatswohl tatsächlich gefährdet?
Der Punkt ist, dass der Systemwechsel nicht zwingend ist. Wir haben ein System, das funktioniert, und lösen es mit einem System ab, das neue Unsicherheiten und Schlupflöcher mit sich bringt. Das neue System ist hinsichtlich der Objektsteuer rechtlich und insbesondere auch verfahrensökonomisch überhaupt keine gute Lösung. Zudem werden mit der Abschaffung des Eigenmietwerts die Steuerausfälle extrem gross sein. Wir reden von rund 1,8 Milliarden Franken im heutigen Zinsumfeld. Das in einer Situation, in der der Bund ein Sparprogramm aufzieht und händeringend nach 3 Milliarden sucht. Wir können nicht auf diese Einnahmen verzichten.
Die Befürworter sagen, dass die Hypozinsen von heute durchschnittlich 1,5 Prozent bald wieder steigen und dann die Ausfälle viel kleiner werden.
Derzeit sieht es gerade umgekehrt aus. Bei der Nationalbank drohen Negativzinsen. Dann würden auch die Hypozinsen eher sinken und damit die Ausfälle sogar noch grösser werden. Ein Zinssatz von 1 Prozent ist durchaus möglich.
Und einer von 2,9 Prozent, bei dem die Vorlage dem Staat sogar mehr Geld in die Kasse spült?
Das ist mittelfristig völlig illusorisch. Die allermeisten Hypotheken sind langfristig abgeschlossen. Selbst wenn die Zinsen plötzlich rasant steigen: Am durchschnittlichen Hypozins ändert sich erst deutlich verzögert etwas. Und sicher bis dahin bleiben die Ausfälle enorm gross.
Der Grossteil der Ausfälle fällt bei den Kantonen und den Gemeinden an. Viele weisen hohe Gewinne aus.
Ja, aber sie dürfen nicht von diesen erfreulichen Beispielen auf den Einzelfall schliessen. Rund zehn Kantone haben derzeit ein Sparprogramm aufgelegt oder haben ein solches gerade beschlossen. Auch wir in Uri. Wir haben dieses zum Glück gerade durchgebracht. Das war ein enormes Stück Arbeit. Alle wollen immer sparen, aber ja nicht bei sich selbst.
Können Sie beziffern, wie hoch die Ausfälle für Ihren Kanton wären?
Gemäss unseren Schätzungen wären es rund 4,5 Millionen Franken pro Jahr. Das klingt nach wenig. Unsere Gesamteinnahmen betragen 500 Millionen, davon 100 Millionen Franken aus Steuereinnahmen. Für uns sind die Steuerausfälle substanziell.
Die Kantone bekommen die Möglichkeit, eine neue Steuer einzuführen – eine für Zweitwohnungen.
Mit der Möglichkeit, eine Objektsteuer auf Zweitwohnungen einzuführen, gibt der Bund die heisse Kartoffel einfach an die Kantone weiter. Wenn wir ehrlich sind, ist das eine unausgegorene Scheinlösung. Es ist nie populär und nicht einfach, eine neue Steuer einzuführen. Zudem stellen sich viele Steuerschlupflöcher und rechtliche Fragen, die zuerst geklärt werden müssen.
Welche zum Beispiel?
Es gibt ganz viele Zweitwohnungen, die zumindest teilzeitig vermietet sind. Wo ziehen wir die Grenze? Bei fünf Wochen Vermietung pro Jahr, oder erst ab drei Monaten? Dies ändert sich vielleicht von Jahr zu Jahr. Zudem erheben zahlreiche Gemeinden mit vielen Zweitwohnungen bereits heute Tourismusgebühren – in Andermatt sind diese beispielsweise schon heute sehr hoch. Da kann man nicht noch einen beliebig hohen Betrag draufschlagen, sonst kämen wir gar in den Bereich einer konfiskatorischen Besteuerung. Dazu kommt, dass der Aufwand für die Steuerämter für diese Kontrollen sogar grösser wird. Das führt zu mehr Bürokratie und mehr Kosten.
Gäbe es eine gute Variante, den Eigenmietwert abzuschaffen?
Das System wirkt von aussen vielleicht seltsam. Könnte man das Steuersystem der Schweiz noch einmal ganz von vorn erfinden, würde man wohl einen anderen Ansatz wählen. Das heutige System, gepaart mit Abzügen für Zinsen und Investitionen, ist aber über die Jahre gewachsen und stellt auch die steuerliche Gleichbehandlung zwischen Mieterinnen und Eigentümern her. Dieses Konstrukt der Fairness macht Sinn und es funktioniert.
Die Befürworter der Abschaffung sprechen beim Eigenmietwert von einer Geistersteuer.
Der Eigenmietwert ist steuersystematisch ein Naturaleinkommen. Ähnlich wie Dividenden von Aktien. Es handelt sich um den Ertrag aus einem Vermögen, das in einer Liegenschaft gebunden ist. Wie gesagt: Es geht auch um das Prinzip der Fairness. Mieter können ihre Miete auch nicht von der Steuer absetzen.
Profitieren würden vor allem Leute, die ihre Hypotheken abbezahlt und ihr Haus saniert haben. Das betrifft viele Senioren. Es wäre doch auch fair, wenn sie etwas entlastet würden.
Andererseits wird der Vorwurf laut, die Eigenmietwert-Abschaffung sei ein Geschenk an eine Generation, die nun bald eine dreizehnte AHV-Rente bekommt. Eine Generation, deren Gesundheitskosten die Jungen solidarisch mittragen. Und eine, die von einem hohen Umwandlungssatz in der Pensionskasse profitiert. Hier kommt der Generationenvertrag schon in Schieflage.
Es gibt aber Rentnerinnen und Rentner, die in Schwierigkeiten geraten wegen des Eigenmietwerts.
Das streite ich nicht ab. Es ist so, dass gewisse Leute kein grosses Einkommen mehr haben, aber wegen ihrer Immobilie ein hohes Vermögen, auf das sie Steuern bezahlen müssen. Für die kann es problematisch werden. Doch es gibt auch Rentner, die kein Einkommen mehr haben und die jeden Monat 2000 Franken Miete zahlen müssen. Leute mit Wohneigentum haben immerhin ein Vermögen.
Neu würde ein Ersterwerber-Abzug eingeführt. So könnten junge Familien beim Hauskauf in den ersten Jahren weiterhin Abzüge machen. Bringt das was?
Für jene, die sich eine Immobilie leisten können, schon. Aber das sind heute aufgrund der nötigen Eigenmittel und der Tragbarkeit vielleicht noch zehn Prozent der Bevölkerung. Wegen dieses Ersterwerber-Abzugs erhält niemand zusätzlich eine Hypothek von einer Bank. Wenn sich eine junge Familie aufgrund der stetig steigenden Immobilienpreise tatsächlich ein Haus leisten kann, dann wohl eher ein älteres Objekt. Das braucht Investitionen. Doch weil ohne den Eigenmietwert auch die Abzugsmöglichkeiten wegfallen, fahren diese Familien am Ende sogar schlechter.
Die Linken warnen vor Steuererhöhungen in den Kantonen, wenn der Eigenmietwert wegfällt.
Teilweise wird das bestimmt nötig sein. Sicher nicht überall, aber überall dort, wo der Spielraum schon heute knapp ist. So oder anders wird das Geld für andere Bereiche fehlen. Gemäss Berechnungen trifft das jeden Haushalt mit zirka 500 Franken jährlich, auch die Mietenden. Zudem bestehen derzeit sehr viele Unsicherheiten. Etwa mit den Zöllen oder der Sicherheitslage. Da sind wir sicher gut beraten, wenn wir nicht noch einfach Geschenke verteilen.
In den letzten Umfragen wollten aber 60 Prozent der Befragten dieses Geschenk. Sind Sie trotzdem noch zuversichtlich?
Die Debatte läuft gerade erst an. Ich bin zuversichtlich, dass unsere Argumente fruchten werden. All das Geld, das dem Staat durch die Abschaffung entgehen würde, fehlt nachher an einem anderen Ort. Bei der Bildung, beim Sozialen oder bei den Strassen. Wollen wir das wirklich?
Offensichtlich schon.
Ja, das wundert mich auch. Grundsätzlich muss eine Gesellschaft solidarisch sein. Sie ist nur so stark, wie sie zu jenen schaut, die sozial am schwächsten sind. Im vorliegenden Fall profitieren viele Leute, die schon jetzt sehr gut gestellt sind. Und das sage ich, obwohl ich innerhalb des Freisinns sicher nicht zum linken Flügel zähle.
Und wären Steuerentlastungen eigentlich wohlgesinnt.
Auf jeden Fall, aber nicht mit dieser Scheinlösung. Ich bin der Ansicht, dass für jede Vorlage die Finanzierung geklärt sein muss, was hier nicht der Fall ist. Hier kritisiere ich das Bundesparlament. Da werden laufend Sachen beschlossen, ohne sich über deren Gegenfinanzierung Gedanken zu machen. Wir können nicht immer nur nehmen. (aargauerzeitung.ch)
Menschen mit grösstenteils abbezahlten und saniertem Haus gehören mit riesigem Abstand (!) zur vermögendsten Personengruppe in der Schweiz.
Das ist einfach ein Fakt.
Genau diesen Menschen ohne Not ein riesiges Steuergeschenk zu machen, ist staatspolitisch und auch volkswirtschaftlich unsinnig und falsch.
Und Nein: Es geht nicht um Neid.
Bin selber Immobilienbesitzer und würde leicht profitieren.