SP-Spitze reagiert mit Last-Minute-Antrag auf Krawall-Demo von Bern
Kein anderes Thema zieht derzeit so tiefe Furchen durch die Schweizer Sozialdemokratie wie der Nahost-Konflikt. SP-Parlamentarier berichten, wie sie teilweise mit hunderten Mails eingedeckt werden, endlich öffentlich Israel zu verurteilen.
Auf der anderen Seite übt der rechte Parteiflügel um den Zürcher Ständerat Daniel Jositsch immer wieder Kritik am Vorstand und wirft ihm auch schon mal mangelndes Geschichtsbewusstsein vor. Jositsch präsidiert die sozialliberale Reformplattform, zu deren Vorstand einst einflussreiche Parlamentarierinnen gehörten.
Vor Kurzem kam es an einem Parteitag der Aargauer SP zu einem Eklat: Ein SP-Mitglied sprach über Gaza von einem Open-Air-Konzentrationslager und berichtete von angeblichen Lügen der israelischen Armee und Propaganda. Die Diskussion wurde in der Folge abgebrochen und um mehrere Monate verschoben.
SP wirft Israel neu Genozid vor
Das nationale Co-Präsidium versucht derweil, den Parteifrieden mit Resolutionen zu wahren. Diese werden im Ton zunehmend schärfer gegenüber Israel. Noch vor einem Jahr bemühte sich die SP, die «brutale Gewalt» der Hamas und des israelischen Staates gleichermassen zu verurteilen.
In der jüngsten Resolution fehlt ein solcher Passus. Stattdessen beantragt das Präsidium, das militärische Vorgehen Israels in Gaza als Genozid zu benennen. Diese Haltung wollen die Sozialdemokraten am Parteitag von Sursee diesen Samstag bekräftigen.
Es zeichnet sich eine hitzige Debatte ab. «Die Reformplattform fordert, dass zumindest die Entwaffnung und Entmachtung der Hamas als Forderung in der Resolution des SP-Parteipräsidiums aufgenommen wird», schrieb Daniel Jositsch in einer Stellungnahme an die Medien, nachdem der Antrag publik wurde.
Was auch keine Erwähnung finden sollte, waren die Ausschreitungen rund um eine Palästina-Demo von Mitte Monat. Dass die Juso zur Teilnahme aufgerufen hatte, sorgte ebenfalls für Kritik.
Kurz vor dem Parteitag reagiert das Führungsduo. Am Donnerstagmittag wandte sich das SP-Co-Präsidium Mattea Meyer und Cédric Wermuth in einer E-Mail an die Delegierten der Partei. Das Präsidium habe entschieden, «aufgrund der ausserordentlichen Umstände» die Einreichefrist der Aktualität geschuldeten Resolution «ausnahmsweise zu verlängern», heisst es darin.
Hamas-Verbot und Friedenstruppen in Gaza
Neu auf der Traktandenliste ist eine zweite Resolution zum Gazakonflikt. Treibende Kraft dahinter ist die Berner Nationalrätin Andrea Zryd; das Präsidium unterstützt den Beschluss und empfiehlt ihn den Delegierten zur Annahme. Die Zusatzresolution geht unter anderem auf die neu geltende Waffenruhe ein.
Diese Waffenruhe habe einen neuen «Verhandlungsraum» geöffnet, für den sich auch die Schweiz engagieren müsse: «Die SP ruft den Bundesrat auf, gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft maximalen politischen Druck auszuüben, damit die involvierten Parteien Gewalt und Vertreibungen beenden».
Es brauche zudem eine konsequente Durchsetzung des Hamas-Verbots, einen Stopp der rüstungspolitischen Zusammenarbeit mit Israel und Schweizer Friedenstruppen in Gaza. Das Freihandelsabkommen sei auszusetzen, «bis Israel das Völkerrecht einhält».
Auch auf die Krawalle von Bern geht die Resolution Zryd ein: «Die SP verurteilt die Gewaltakte anlässlich der Palästina-Demo vom 11. Oktober 2025 in Bern auf Schärfste. Gewalt, Hass und Antisemitismus muss unter allen Umständen entschieden entgegengetreten werden, selbst wenn sie auf einer Welle scheinbar berechtigter Anliegen daherkommen», heisst es im Dokument. Es wird sich zeigen, ob der SP damit die parteiinterne Gratwanderung gelingt.
(aargauerzeitung.ch)
