Sie werden vor allem dann angerufen, wenn die Schweiz von einer Eierknappheit bedroht ist. Fühlen Sie in den letzten Tagen eine besondere Verantwortung?
Joël Charrière: Wir spüren diese Verantwortung durch unsere Hauptabnehmer, aber auch durch den Kontakt mit unseren direkten Kunden, denen wir vor Ostern absagen müssen, weil wir nicht mehr genug Eier haben. Und sie verstehen es nicht, wenn sie Tausende von Hühnern um uns herumlaufen sehen.
In den Supermärkten sieht es derzeit in den Regalen nicht gut aus. Kann man schon von einer Knappheit sprechen oder noch nicht?
Technisch gesehen herrscht keine Knappheit, da jeden Tag frische Eier in die Regale kommen.
Aber wird es kurz vor Ostern zu einem Engpass kommen?
Das ist sehr schwer vorherzusagen.
Die Supermärkte müssen Eier importieren, um den Mangel zu beheben. Was ist der Hauptunterschied zu Schweizer Eiern?
Die Standards für die Tierhaltung. Die Standards in der Schweiz sind die strengsten der Welt. Viele Länder um uns herum haben Standards, die unseren ähneln könnten, aber sie werden nicht immer angewendet. Wenn die Eier einmal in der Schweiz sind und die Kriterien erfüllen, nach denen sie verkauft werden, werden sie nicht noch einmal kontrolliert. Im Grunde genommen können die Schweizer Eierproduzenten vor Ostern nicht mehr mit der Produktion Schritt halten.
Was passiert, wenn der Markt angespannt ist? Wird der Druck auf Ihre Schultern grösser?
Nein, denn die Produktion der Tiere kann nicht gesteigert werden.
Was müsste idealerweise getan werden, um diesen drohenden Engpässen entgegenzuwirken?
Es gibt nichts, was wir tun können. Das richtige Gleichgewicht zu finden ist fast unmöglich, da der Markt saisonal funktioniert. Das Problem ist, dass wir vor Weihnachten eine enorme Nachfrage nach Backwaren haben und der Grossteil der Nachfrage kurz vor Ostern explodiert.
Gibt es für dieses Problem keine Lösung?
Nein, vielleicht könnte man daran arbeiten, den Konsum von Eiern im Sommer zu erhöhen, aber das ist nicht leicht umzusetzen.
Oder sollen die Schweizer aufhören, alle gleichzeitig Eier zu essen?
Das ist noch komplizierter!
Das bedeutet aber auch, dass das Ei ein echter Star auf den Tellern ist, das ist doch toll für Sie, oder?
Das ist natürlich eine sehr gute Nachricht. Ich bin auch aktiv in der Werbung für Eier, vor allem auf Messen, und vielleicht ist es auch unser Verdienst, dass die Schweizer so viele Eier essen. Man muss auch bedenken, dass die Leute immer weniger Fleisch essen.
Ihr Betrieb befindet sich in Blessens im Kanton Freiburg. Wie hat das alles für Sie angefangen?
Meine Eltern haben vor über 25 Jahren mit einem sehr kleinen Hühnerstall angefangen. Als ich dann meine Ausbildung abgeschlossen hatte, wollte ich diesen Produktionszweig ausbauen.
Wie viele Hühner besitzen Sie heute?
Ich habe 15'800 Hühner.
Wie viel Fläche braucht es?
Das Gebäude an sich muss 1200 oder 1300 Quadratmeter gross sein. Dann gibt es noch den gesamten Aussenauslauf, der riesig ist, und wir haben etwa zwei Quadratmeter pro Huhn zur Verfügung. Insgesamt würde ich also sagen, dass wir uns 40'000 Quadratmetern Auslauf nähern.
Wenn ich das richtig verstanden habe, haben Sie sogenannte «braune Legehennen aus Freilandhaltung mit Wintergarten».
Ja. Mit der Ausnahme, dass wir dieses Jahr eine andere Farbe haben.
Was ändert das konkret?
Sie legen weisse statt braune Eier.
Wie ist der Geschmack?
Es gibt keinen Unterschied im Geschmack. Es ist einfach eine Frage der Rasse und der Gene der Hühner.
Ich habe den Eindruck, dass die Schweizer Eier mit weisser Schale bevorzugen, stimmt das?
In der Westschweiz ist das nicht der Fall.
Der Röstigraben ist überall, sogar in den Eiern?
Ja, so kann man es sagen.
Die Schweizer sind manchmal etwas verwirrt über die verschiedenen Bezeichnungen. Was ist zum Beispiel der Unterschied zwischen Bodenhaltung und Freilandhaltung wie der Ihren?
Bei der Freilandhaltung hat das Huhn Zugang zu einem nicht überdachten Auslauf im Freien. Bei der Bodenhaltung hat das Huhn Zugang zum Wintergarten, wo es jeden Tag raus kann, aber unter einem Vordach. So sind sie vor allem vor Raubvögeln geschützt. Freilandhaltung ist wirklich ein offener Bereich.
Bei Ihnen zu Hause sind sie also im Freien, aber Sie haben auch einen Wintergarten?
Ja, man muss sich den Wintergarten als Zwischenbereich vorstellen. Sie haben den Hühnerstall, wo sie fressen, trinken und schlafen. Dann wird ab 10 Uhr morgens der Wintergarten geöffnet, ein Raum mit frischer Luft, der aber vor Gefahren geschützt ist. Und dann gehen sie am Nachmittag in den Freiluftparcours, wirklich draussen.
Wie lange müssen Hühner im Freien bleiben, damit sie offiziell als Freilandhühner gelten?
Sie müssen von 13.00 bis 17.00 Uhr draussen sein. Den Wintergarten öffnen wir um 10 Uhr.
Sie haben vorhin von Raubvögeln gesprochen. Ist das ein grosses Problem in Ihrem Betrieb?
Ja, die Bedrohung ist ständig da. Dieses Jahr haben die Greifvögel nicht viel Nahrung. Wir sind fast täglich Angriffen ausgesetzt. Nicht nur von Greifvögeln, sondern auch von Füchsen.
Wie sieht ein typischer Tag aus, wenn man 15'800 Hühner betreut?
Das bedeutet, dass ich morgens sehr früh aufstehen muss, gegen 4.30 Uhr. Ich mache eine erste Runde, um zu sehen, ob die Nacht gut verlaufen ist. Dann beginne ich mit dem Einsammeln der Eier. Nach dem Frühstück bis 10 Uhr geht es weiter mit dem Einsammeln der Eier, bevor die Hühner ins Freie gebracht werden. Zwischen 16.00 und 17.00 Uhr findet noch ein Kontrollgang statt, man sammelt die letzten Eier ein und bringt die Tiere schliesslich zurück in den Stall.
Wie bringt man herumtollende Hühner nach Hause?
Mit Besen! Sie werden von einer oder zwei Personen sanft gejagt, damit sie wieder in den Stall zurückkehren.
Und wie lange dauert das?
Ich würde sagen, zwischen 30 Minuten und einer Stunde.
Wie hoch ist Ihre durchschnittliche Jahresproduktion?
Es sind etwa vier Millionen Eier pro Jahr.
Kann die Anzahl der Eier pro Huhn je nach Zuchtform unterschiedlich sein?
Dank der Fortschritte in der Genetik sind die Tiere heute sehr produktiv, aber man kann nicht sagen, dass eine Henne, die 300 Eier legt, im Vergleich zu einer anderen, die nur 150 Eier legt, ausgebeutet wird. Auch hier bestimmt die Rasse, wie viele Eier es sind.
Wer sind heute Ihre wichtigsten Kunden?
Mein Hauptkunde ist eine Firma in Sursee namens Ei AG, die die Eier speziell für Coop vermarktet.
Wie ist die Beziehung zu den grossen Einzelhandelsketten?
Die Diskussion zwischen den Käufern und den Erzeugern ist viel offener und direkter. Jeder kann also seinen Bedarf definieren und man kann die Preise unter guten Bedingungen verhandeln. Auch wenn man sich am Ende nicht immer einig ist.
Gibt es eine Möglichkeit für den Kunden, zu erkennen, dass die bei Coop gekauften Eier von Ihrem Betrieb stammen?
Ja, die Eier sind codiert.
Wollen die Verbraucher wie bei Obst und Gemüse auch bei Eiern ein perfektes Aussehen?
Ja, ich beobachte das ein wenig im Direktverkauf. Käufer, die aus den Schachteln wählen können, nehmen vorzugsweise ein Ei, das keine Flecken hat. Wenn ein Ei kleiner ist als die anderen, bleibt es auf jeden Fall im Regal liegen.
Welche Beziehung haben Ihre Kinder zu den Hühnern auf dem Familienbetrieb? Haben sie ein Lieblingshuhn?
Wenn sie mit mir die Hühner nach Hause bringen, verstehen sie, dass dieselben Tiere an denselben Orten sind. Und einige unserer Hühner haben ihre Eigenheiten. Das merken die Kinder schnell.
Wenn man 4 Millionen Eier pro Jahr produziert, muss man doch auch eine Menge davon essen, oder?
Ich persönlich esse zwei oder drei Eier pro Tag. Zwei zum Frühstück, und danach kann man sie zu Kuchen und Keksen machen.
Und Sie als Produzent, mögen Sie lieber Rühr- oder Spiegeleier?
Rühreier!
Als meine Tochter jünger war, fragte sie mich, warum es keine Küken gibt, wenn man morgens Eier aufschlägt. Wie kann ich ihr die Frage so einfach wie möglich beantworten?
Es braucht keinen Hahn, damit eine Henne Eier legt. Auf unserer Farm haben wir zum Beispiel keinen Hahn, sodass die Eier nicht befruchtet werden. In unseren Produkten werden keine Küken zu finden sein.
Oft wird darüber diskutiert, ob Eier im Kühlschrank oder bei Raumtemperatur wie im Supermarkt aufbewahrt werden sollten.
In der Schweiz gilt die Regel: Zimmertemperatur. Zwischen 15 und 18 Grad. Sie können sie trotzdem in den Kühlschrank legen, aber Sie sollten sich bewusst sein, dass sie nach dem Herausnehmen nicht mehr kühl werden können, sondern verbraucht werden müssen, weil sie geschwitzt haben.
Amerikaner sind oft schockiert, wenn sie in unseren Supermärkten die Eier ausserhalb der Kühlschränke sehen. Warum ist das so?
Ich denke, es ist vor allem eine Frage der Sicherheit. Ich weiss, dass in den USA die Eier gewaschen werden, wenn sie die Fabriken verlassen. Und gewaschene Eier verlieren ihre Haltbarkeit.
Wie lange lebt ein Huhn?
Ein Huhn kann bis zu 4–5 Jahre alt werden. Sie legen 16 Monate lang Eier, dann gehen sie in Rente und danach in den Schlachthof. Sie werden als Fleisch verwertet.
Feiert man Ostern, wenn man schon das ganze Jahr über mit Eiern herumläuft?
Ja, wie jeder andere auch. Wir verstecken auch manchmal Eier für die Kinder, aber wie Sie schon sagten, wenn man jeden Tag bei Sonnenaufgang Eier einsammelt, hat man schnell genug davon gesehen. (lacht)
Die meisten Hühner landen auch bei der Bio-Haltung in der Biogasanlage, da eierlegende Hühner sich nicht für die Fleischproduktion eignen...