Schweiz
Interview

Christoph Blocher über Bundesratswahlen, seine Töchter und die Medien-Expansion.

ARCHIVBILD ZUR UEBERNAHME DES ZEHNDER-VERLAGES DURCH DIE BAZ HOLDING --- Alt Bundesrat und Verantwortlicher Strategie Christoph Blocher an der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Volkspartei (S ...
«Das üblich unappetitliche Gesellschaftsspiel»: Blocher über die Bundesratswahlen.Bild: KEYSTONE
Interview

«Wird ihre Tochter Bundesrätin, Herr Blocher?» – «Zum Glück haben wir keine Erbmonarchie!»

SVP-Chefstratege Christoph Blocher über die Bundesratswahlen, seine Töchter und die Medien-Expansion
19.08.2017, 17:3219.08.2017, 17:58
othmar von matt / schweiz am wochenende
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Ein Artikel von Schweiz am Wochenende
Schweiz am Wochenende

Herr Blocher, wen würden Sie in den Bundesrat wählen? Ignazio Cassis (TI), Isabelle Moret (VD) oder Regierungsrat Pierre Maudet (GE)?
Christoph Blocher:
Kommt es darauf an? Wir sollten gemäss Konkordanz einen Freisinnigen wählen. Schlägt die FDP mehr als einen Kandidaten vor, würde ich mich für jenen entscheiden, der zur Schweiz steht.

Wer kommt dem am nächsten: Cassis, Moret oder Maudet?
Das wäre zu prüfen. Auch diese Bundesratswahlen sind das üblich unappetitliche Gesellschaftsspiel. Dieses hat inzwischen einen Kulminationspunkt erreicht, wohl weil es der Schweiz noch relativ gut geht. Niemand fragt mehr, was ein Bundesrat überhaupt zu tun hat.

Unappetitliches Gesellschaftsspiel?
Das mühevolle Amt scheint zu einem Karrierespiel verkommen zu sein. Frau Bundespräsidentin Doris Leuthard sprach vom Bundesratsein als Privileg. Und obwohl jeder für vier Jahre gewählt ist, tritt ein Bundesrat zurück, wenn es ihm «stinkt» und wann es ihm passt. Didier Burkhalter möchte in seinem Leben noch etwas «anderes tun». Das sind Selbstverwirklichungs-Rücktritte. All das hat mit einem seriösen Amtsverständnis nichts zu tun!

Bei den Bundesratswahlen ist mehr Ernsthaftigkeit gefragt?Sicher! Ein ernsthafter Grund ist der Vertretungsanspruch des Tessins. Der Bundesrat ist eine politische Behörde, und die Bundesverfassung sieht vor, dass die Landesgegenden angemessen vertreten sein sollen. Zudem befindet sich das Tessin in einer schwierigen Situation. Es ist etwas isoliert von Bern, trägt mit dem Kanton Uri die Hauptlast für den Nord-Süd-Verkehr, hat ein grosses Problem mit Grenzgängern und Arbeitslosen, da es an Italien grenzt. Und seine Stimme kommt im Bundesrat nicht zur Geltung. Darum schlug die SVP bei der letzten Bundesratswahl auch den Tessiner Staatsrat Norman Gobbi vor. Doch das Parlament wollte einen dritten Romand.

«Isabelle Moret wird als Frau propagiert. Ist das noch ein Thema?»

Ein Grund für Sie, Cassis zu wählen?
Ich würde einen Tessiner wählen, wenn es nicht zwingende Gründe gibt, ihn abzulehnen. Also ein Tessiner, der die Schweiz in die EU treibt, nützt weder dem Tessin noch der Schweiz. Ich will jetzt aber keine Partei nehmen für einen Bundesrats-Kandidaten.

Wichtig ist für Sie, wie sich der neue Bundesrat zu Europa verhält?
Das ist das zentrale Thema. Regierung und Parlamentsmehrheit haben die Absicht, den verhängnisvollen Vertrag mit der EU abzuschliessen und zwar mit einer institutionellen Bindung: Fremde Gesetze unter Ausschaltung der Bürger, und fremde Richter bei Streit über denselben. Das heisst schlussendlich EU-Beitritt. ETH-Untersuchungen zeigen, dass heute nur noch 15 Prozent der Schweizer in die EU wollen. Wann kehrt unsere Regierung endlich?

Sie erwarten aber nicht, dass ein FDP-Kandidat Ihre Position zu Europa vertritt?
Nein. Aber, dass er für die verfassungsmässige Unabhängigkeit und Selbstbestimmung der Schweiz ist. Für keinen Vertrag also, der die Handlungsfähigkeit der Schweiz unterbindet oder einschränkt. Da reicht es auch nicht, sich kurz vor der BR-Wahl für ein Schiedsgericht statt den Europäischen Gerichtshof EuGH einzusetzen. Das hat die SVP längst vorgeschlagen, ist aber von Bundesrat, Parlamentsmehrheit und der EU abgelehnt worden.

Es war Pierre Maudet, der sich dafür einsetzte. Offenbar bietet die EU jetzt Hand dazu.
Nein, es wird lediglich diskutiert, ob künftig ein Schiedsgericht über die Angemessenheit von Strafmassnahmen bei Verletzung des Rahmenvertrags durch die Schweiz entscheiden soll. Wir lehnen auch diese entwürdigenden Strafmassnahmen durch die EU ab. Die Schweiz ist keine Kolonie der EU. Zudem: Wer setzt künftig das Recht? Wer erlässt die Gesetze? Die Schweiz oder die EU? Gemäss Absicht von Bundesbern und Brüssel die EU. Nach Unterschrift dieses Rahmenvertrages könnte die EU zum Beispiel plötzlich bestimmen, die Unionsbürgerrichtlinie sei Folge der Personenfreizügigkeit und sei für die Schweiz obligatorisch. Wer will das schon?

Wie beurteilen Sie die Kandidatur von Isabelle Moret?
Sie wird als Frau propagiert. Ist das noch ein Thema? Ich bin Vater von drei Töchtern in leitender Stellung. Nicht weil sie Frauen sind, haben sie diese Stellung inne. Tritt Doris Leuthard zurück, sitzt aber plötzlich nur noch eine Frau im Bundesrat. Ja, und? Wir hatten schon vier Frauen und drei Männer. Meinetwegen könnten es auch einmal sieben sein.

Sie würden Moret nicht wählen?
Also sicher nicht nur, weil sie eine Frau ist!

Würde Moret gewählt, kämen fünf Bundesräte aus dem Dreieck Bern-Freiburg-Waadt.
Zwar keine Katastrophe, aber wohl gegen die verfassungsmässige Verankerung der gleichmässigen regionalen Vertretung als Richtschnur. Bis 2019 dürften drei Bundesräte zurücktreten: Leuthard, Maurer und Johann Schneider-Ammann. Warten wir ab. Weshalb Leuthard schon heute eine solche Ankündigung machte, weiss ich nicht. Sie wird damit eine Lame Duck.

Wie sehen Sie die Situation für Ueli Maurer?
Er ist für vier Jahre gewählt. Ob er das Amt gesundheitlich und von der Kraft her ausüben kann, um bis zum Ende zu bleiben, muss er selbst entscheiden. Aber er ist ausgesprochen fit.

Bundesraete Ueli Maurer, macht mit einem Mann ein Selfie waehrend der traditionellen Bundesratsreise, am 06. Juli 2017, in Lenzburg. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
«Er macht gute Arbeit»: Blocher über Ueli Maurer (rechts).Bild: KEYSTONE

Gibt es Gespräche der SVP-Spitze mit Maurer?
Über einen Rücktritt? Nein. Natürlich hat man vor seiner Wiederwahl und der Departementsrochade darüber gesprochen. Und damals waren vier Jahre – wie für alle andern – selbstverständlich. Gerade bei einem neuen Departement sind vier Jahre unerlässlich.

In der SVP ist ein gewisser Druck spürbar, dass auch Maurer zurücktreten soll.
Davon habe ich nichts gemerkt. Vielleicht von einem, der selbst Bundesrat werden möchte (lacht).

Gibt es diesen Druck nicht auch in der SVP-Spitze?
Nein. Das wüsste ich. Er macht eine gute Arbeit. Unter ihm wird auch das Grenzwachtkorps deutlich besser geführt als zuvor. Dies gilt auch für die Finanzen.

Weshalb sollte er zurücktreten?
Er ist gewählt, um zu arbeiten und nicht, um kurzzutreten.

«Alle unsere Kinder sind heute selbstständige Persönlichkeiten.»

Vielleicht, weil Ihre Tochter Magdalena Martullo-Blocher Bundesrätin werden soll.
Wer sagt das? Zumindest nicht sie. Sie führt ein bedeutendes Unternehmen und kann in ihrem jugendlichen Alter doch nicht einfach davonspringen.

Das ginge schon.
Es wäre sehr, sehr schade.

Es gäbe einen familieninternen Ersatz: Rahel Blocher, Ihr jüngstes Kind, das in Ihrer Robinvest sitzt.
Diese hat auch wichtige Führungsaufgaben: Sie wirkt in der Robinvest und ist verantwortlich für die Musikinsel Rheinau – immerhin neben Musikübungseinrichtungen mit einem Hotel mit 130 Betten vergleichbar. Zudem: Alle unsere Kinder sind heute selbstständige Persönlichkeiten. Ich glaube nicht, dass Magdalena dies möchte, aber sie muss dies selbst beantworten. Ich habe noch nie mit ihr darüber gesprochen, und die Frage ist sowieso nicht aktuell.

Das wird sie aber in den nächsten zwei Jahren.
Fragen soll man beantworten, wenn es Zeit ist!

Elisabeth Kopp bezeichnete Magdalena Martullo-Blocher in der «Nordwestschweiz» explizit als mögliche Nachfolgerin von Ueli Maurer.
Der Sitz von Ueli Maurer steht aber gar nicht zur Verfügung.

Mit ihr hätte die SVP die erste Frau im Bundesrat. Bei ihren grossen Fähigkeiten ist es obsolet, die Frauenfrage aufs Tapet zu bringen. Das können wir ja 2019 besprechen. Ich verspreche Ihnen dann wieder ein Interview. Nur führen sie dieses dann besser mit ihr selbst.

Sie möchten sicher, dass Ihnen Ihre Tochter in den Bundesrat folgt.
Wir haben glücklicherweise keine Erbmonarchie. Für mich war es schon erstaunlich, dass sich meine Tochter als Nationalrätin zur Verfügung stellte. Es war Toni Brunner, der sie überzeugen konnte, nicht ich. Ich für mich sagte immer: Sollte mein politisches Amt als Nationalrat eines Tages nicht mehr mit der Führungsaufgabe bei der Ems vereinbar sein, müsste ich zurücktreten. Man lässt nicht 3000 Mitarbeiter serbeln, nur weil man in Bern im Nationalrat sitzt. Dort ist man eher ersetzbar als im Unternehmen. Es ging aber beides und bei Magdalena Martullo gleicherweise auch. Sie ist eine ausgesprochene Milizpolitikerin!

Trauen Sie es Rahel Blocher zu, die Ems zu übernehmen?
Die Frage stellt sich nicht! Sie hat ihren Verantwortungsbereich.

Sie trauen es ihr also zu.
Natürlich. Aber es ist kein Thema.

«Dass die politischen Gegner, die von all den Fake News und dem medialen Eintopf profitieren, beunruhigt sind, ist verständlich.»

SVP-Präsident Albert Rösti hat im «Blick» Magdalena Martullo-Blocher lanciert und gesagt, sie wäre eine «gute Bundesrätin». Also ist das Szenario sehr ernst zu nehmen?
Fähig wäre sie sicher. Aber wählt das Parlament fähige? Es ist jetzt kein Thema und Magdalena gehört nicht zu den Parlamentariern, die auf einen Posten warten!

Weltpolitisch beschäftigt die schwere Krise zwischen den USA und Nordkorea.
Ja. Hier hätte vielleicht ein neu gewählter Bundesrat die Möglichkeit für eine Mission. Die Schweiz könnte, wenn sie glaubhaft neutral ist, vielleicht eine Rolle spielen in diesem Konflikt. China, Russland, USA, Südkorea, Japan und die EU sind alle Partei. Und kommen nicht infrage. Die Schweiz vertritt als dauernd Neutraler Interessen der USA im Iran und könnte im Fall Nordkorea wohl etwas erreichen. Eine solche Mission müsste aber in aller Stille stattfinden und setzt Neutralität voraus. Solange wir nicht im UNO-Sicherheitsrat sind, wären wir glaubwürdig.

Sie kaufen 25 Gratis-Wochenzeitungen mit 800000 Lesern. Die Leserzahl soll auf 1 Million gehoben werden. Verfolgen Sie mit den Wochenzeitungen eine politische Absicht?
Die BaZ Holding hat diese Zeitungen übernommen. Es sind Lokalzeitungen, die das kleinräumige Geschehen in den Mittelpunkt stellen. Das ist die politische Absicht.

Ihr neues Medienimperium weckt Ängste in der Politik vor einer «Berlusconisierung» der Medienlandschaft. Wie sehen Sie das?
Dass die politischen Gegner, die von all den Fake News und dem medialen Eintopf profitieren, beunruhigt sind, ist verständlich. Dass sie uns so überschätzen, muss man in Kauf nehmen.

Stärken Sie mit dem Kauf – indirekt – die SRG, den öffentlich-rechtlichen Sender?
Ich wüsste nicht warum? Pressevielfalt ist das, was ich mir wünsche.

Ist damit Ihr Projekt einer Sonntagszeitung definitiv vom Tisch?
Im Moment ja. Kommt Zeit, kommt Rat.

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aurak_567
19.08.2017 18:05registriert März 2016
Ich bin Vater von drei Töchtern in leitender Stellung. Nicht weil sie Frauen sind, haben sie diese Stellung inne.

Hahahahaha
😂😂😂😂
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Jein
19.08.2017 19:58registriert August 2017
Jemand der inmitten seiner Amtszeit vom Parlament zurücktritt und dieses als Zeitverschwendung bezeichnet, sollte sich zügeln etwas über "Selbstverwirklichungs-Rücktritte" und "seriösem Amtsverständnis" zu sagen. Doppelmoral von einem SVPler, colour me shocked!
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essy*
19.08.2017 19:36registriert Januar 2016
"Und obwohl jeder für vier Jahre gewählt ist, tritt ein Bundesrat zurück, wenn es ihm «stinkt» und wann es ihm passt. Didier Burkhalter möchte in seinem Leben noch etwas «anderes tun». Das sind Selbstverwirklichungs-Rücktritte."

Sowas würde Blocher natürlich niemals tun. Als er noch im Nationalrat sass... Oh, ups, warte mal... Da war doch was?! 🙄
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