Daniel Jositsch, bei der Ersatzwahl von Simonetta Sommaruga im vergangenen Jahr haben Sie durch Ihr Vorgehen viel verbrannte Erde hinterlassen. Ist das vergessen oder braucht es weitere Aufarbeitung?
Daniel Jositsch: Ich bin ja konstant in Gesprächen mit Mitgliedern der SP-Fraktion. Natürlich habe ich Fehler gemacht, das kann ich auch akzeptieren. Gewisse Dinge sind aber vielleicht auch falsch interpretiert worden, dies kann man dann in Gesprächen ausräumen. Wichtig ist, zu sehen, dass die Fraktion in erster Linie jemanden sucht, der den Sitz der SP verteidigen und die sozialdemokratische Politik im Bundesrat möglichst wirkungsvoll umsetzen kann. Das ist die Frage, die im Vordergrund steht.
Mit Elisabeth Baume-Schneider wurde im Dezember eine welsche Frau gewählt, nun tritt Alain Berset zurück. Kann man von Glück reden, dass durch diese beiden Vorgänge Ihre erneute Kandidatur erst möglich wird?
Ich bin auch glücklich, wenn ich nicht hätte kandidieren können. Es ist aber richtig, dass eine Konstellation eingetreten ist, die es mir ermöglicht, zu kandidieren. Ich ging davon aus, dass Alain Berset nochmals vier Jahre Bundesrat bleibt. Ich hätte dies auch unterstützt, weil ich finde, dass er eine sehr gute Politik gemacht hätte. Wäre dies der Fall gewesen, dann wäre eine Kandidatur für mich nicht mehr infrage gekommen. Dass es jetzt anders kam, das sind Zufälligkeiten im Leben. Aber wie gesagt: Es gibt auch ein Leben, ohne Bundesrat zu sein.
Sie sagen, dass Sie nur kandidieren, wenn Sie von der SP-Fraktion auf das offizielle Ticket gesetzt werden. Wieso betonen Sie dies so explizit?
Weil ich von Journalisten immer wieder gefragt werde, ob ich eine Wahl auch ausserhalb des Tickets akzeptieren würde. Darüber wurde auch immer spekuliert. Ich wollte einfach nochmals klar und im Vorhinein sagen, dass dies für mich nicht infrage käme, damit diese Diskussion nicht wieder entsteht.
Wie wichtig ist es, dass die Geschäftsleitung der SP Kanton Zürich Ihre Kandidatur so deutlich unterstützt?
Es braucht ja so oder so die Unterstützung der Kantonalpartei. Der erste Schritt ist aber die Geschäftsleitung. Wie die Delegierten entscheiden, werden wir am 26. Oktober sehen (dann findet die Delegiertenversammlung statt, Anm. d. Red.).
Die Bundesverfassung schreibt vor, dass der Bundesrat die Landesgegenden und Sprachregionen angemessen vertreten sollte. Der Kanton Zürich als bevölkerungsreichster Schweizer Kanton wäre mit Ihnen wieder Teil des Bundesrats. Ist dies für Sie von Relevanz?
Ich persönlich finde es nicht so wichtig, ob Zürich im Bundesrat vertreten ist oder nicht. Natürlich ist Zürich der Wirtschaftsmotor und ein wichtiger Bildungs- und Kulturstandort und vieles mehr. Ich finde es vielmehr wichtig, dass der urbane Teil der Schweiz auch wieder vertreten ist, das können aber auch andere abdecken, nicht nur Zürcher.
Es besteht die Möglichkeit, dass die SP mit zwei Frauen im Bundesrat vertreten ist. Sie sind Mitglied der selbsternannten Schweizer Gleichstellungspartei, gleichzeitig haben Sie eigene Interessen. Ist dies ein Spagat?
Nein. Ich habe mich immer für Gleichstellung eingesetzt, weswegen ich auch explizit befürwortete, dass das Ticket jetzt auch für Frauenkandidaturen offen ist. Kennt man dann alle Kandidierenden, kann die Fraktion und danach die Bundesversammlung entscheiden, welche Person sie am geeignetsten findet. Ist dies eine Frau, sehe ich da überhaupt kein Problem.
Kommen Sie aufs Ticket, dürften Sie sehr gute Wahlchancen haben. Ärgern Sie sich über Ihr Verhalten bei der letzten Wahl, das Ihnen jetzt schaden könnte?
Schauen Sie, es macht wenig Sinn, sich zu ärgern über das, was passiert ist. Wie gesagt, wenn man handelt, dann handelt man. Ich hätte rückblickend einige Dinge anders gemacht, andere aber auch nicht. Jetzt ist die Situation, wie sie ist.
Sollten Sie gewählt werden, wofür möchten Sie sich einsetzen?
Dies ist schwierig zu sagen, weil ja nicht klar ist, welches Departement man erhält. Es gibt aber Punkte, die den Gesamtbundesrat betreffen. Sicherung der Sozialwerke, die Wahrung der Kaufkraft, das bilaterale Verhältnis zu Europa, die neue Sicherheitssituation, die wir in Europa haben, das sind sicher Hauptpunkte.
Sie sprachen an der Medienkonferenz davon, einen «Höllenrespekt» vor dem Bundesratsamt zu haben. Wie meinen Sie das?
Auf der einen Seite ist das Amt sehr zeitintensiv, auf der anderen Seite trägt man eine riesige Verantwortung für dieses Land und die Menschen. Ich glaube, es wäre vermessen, ein solches Amt anzutreten und nicht einen gewissen Respekt davor zu haben. Dies motiviert einen dann aber auch, möglichst viel Energie einzubringen.
Das ist sein Recht und wenn ihn die Partei und die Fraktion aufs Ticket setzen, hat er gut Chancen gewählt zu werden.
Er hat zwar noch keine Erfahrung in einer Exekutive gesammelt, aber seine beruflichen und politischen sowie Erfahrungen im Ausland kämen mit zum Wohl des Amtes zur Geltung.
Auf keinen Fall sollte man sich (vor allem die SP) nicht bereits wieder in diffuse gesuchte Chancengleichheitsgefechte verhaspeln. D. Jositsch hat seinen «Grind», der sich im Kreis rechter Köpfe zu behaupten vermag.
Und ein paar Macken hat halt Jede*r.