Im Herbst 2023 stehen die nächsten eidgenössischen Wahlen an. Die Parteien bringen sich schon jetzt in Stellung, setzen Themen und schärfen ihr Profil. Einer, der die Aktionen der Parteien ständig beobachtet, ist Lukas Golder. Er ist Co-Leiter des Forschungsinstituts gfs.bern und schätzt im Interview die Chancen der Parteien ein.
Herr Golder, es dauert nicht mehr allzu lange bis zu den nationalen Wahlen. Welche Partei sehen Sie auf Siegeskurs – Stand heute?
Lukas Golder: Momentan müssen wir nicht von einer dramatischen Verschiebung ausgehen, vor allem nicht zwischen den Blöcken. Vermutlich wird die grüne Welle von 2019 zwar bestätigt, sie wird aber nicht in grossem Masse weiterrollen. Unter Druck stehen auf jeden Fall die Regierungsparteien. Die jüngeren, neuen Parteien – vor allem Grüne und Grünliberale – dürften hingegen zulegen.
Weshalb rechnen Sie nicht mit deutlichen Veränderungen?
Falls es tatsächlich zu einer grossen Verschiebung der Wähleranteile zwischen den Parteien kommt, dann wohl insbesondere wegen der Mobilisierung. Denn Untersuchungen zeigen: Die Parteibindungen der Schweizerinnen und Schweizer sind relativ stark. Wir wählen oft jene Parteien, die wir schon vier Jahre zuvor gewählt haben. Und aktuell zeichnet sich auch nicht ein dominierendes Thema ab, welches einer bestimmten Partei zu massiv mehr Stimmen verhelfen könnte.
Das käme Parteien in der Mitte gelegen, richtig?
Genau. Wenn ein bestimmtes Thema dominiert – also beispielsweise das Klima vor vier Jahren – dann werden oft Bevölkerungsgruppen mobilisiert, die zuvor nicht an die Urne gingen. Oder umgekehrt: Je stärker die traditionellen Wählerschaften wählen gehen, desto stärker profitieren davon die Mitte und die FDP. Gleichzeitig spielt bei diesen beiden Parteien auch das Alter der Wählenden eine grosse Rolle. Gelingt es, junge Menschen zu mobilisieren, so wählen diese in der Tendenz eher die Polparteien. Für Mitte und FDP wäre das also ein Nachteil.
Welche Themen werden im Fokus der Wahlen 2023 stehen?
Seit den vergangenen Wahlen hat sich einiges verändert. Wir haben die Pandemie, einen Krieg in Europa und nun auch noch Inflation und eine drohende Energiekrise. Sollte eines dieser Mega-Themen dominant werden und eine Partei in der Folge eine Leaderposition übernehmen, dann hätte das einen grossen Effekt auf den Ausgang der Wahlen. Ein Beispiel: 2019 war der Klimawandel das Top-Thema der Wahlen. Davon profitiert haben Grüne und Grünliberale, stark an Wähleranteilen eingebüsst hat die SVP.
Inwiefern beeinflusst der Krieg in der Ukraine die Wahlen in der Schweiz?
Das hängt davon ab, wie er sich entwickelt. Im Moment sind Sicherheits- und Wirtschaftsthemen sehr präsent. Das wirkt potenziell mobilisierend für die rechten und etablierten Parteien. Sollte es allerdings zu einer überraschenden Wende im Krieg kommen, also beispielsweise zu einem Frieden, dann wäre das klar zugunsten der Linken und der neuen Kräfte. (bzbasel.ch)
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