Das Burka-Verbot in Frankreich ist rechtens. Das Gesetz gegen das Tragen des Ganzkörperschleiers in der Öffentlichkeit verstosse nicht gegen die Religionsfreiheit, entschieden die Richter des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte am Dienstag in Strassburg.
Gegen das Burka-Verbot hatte eine junge französische Muslimin am 11. April 2011 geklagt – dem Tag, an dem das Gesetz in Frankreich in Kraft trat. Sie argumentierte, dass sie Burka und Nikab aus religiöser Pflicht, als Ausdruck ihrer Kultur und persönlichen Überzeugung trage.
Weder ihr Ehemann noch ihre Familie drängten sie dazu. Das Burka-Verbot dagegen diskriminiere sie als Frau, wegen ihrer Religion und ihrer ethnischen Herkunft.
Die Strassburger Richter gestanden ein, dass das Gesetz «starke negative Auswirkungen auf die Situation von Frauen hat, die sich aus Glaubensgründen für das Tragen einer Vollverschleierung entscheiden».
Mit Blick auf Schätzungen, wonach von den rund fünf Millionen Muslimen in Frankreich weniger als 2000 eine Vollverschleierung tragen, erklärte das Gericht ausserdem, das Verbot könne durchaus als «unverhältnismässig erscheinen».
Die Richter betonten aber, Frauen dürften in Frankreich in der Öffentlichkeit religiöse Kleider tragen, solange das Gesicht sichtbar sei. Zudem gründe das Gesetz nicht «explizit» auf der religiösen Bedeutung der Vollverschleierung, sondern auf der Tatsache, dass diese das Gesicht vermumme. Des weiteren sei das angedrohte Strafmass sehr niedrig.
In Frankreich droht jeder Frau eine Geldbusse von 150 Euro, die auf der Strasse und an anderen öffentlichen Orten den Ganzkörperschleier Burka oder den Gesichtsschleier Nikab trägt, der nur einen schmalen Schlitz für die Augen freilässt. Frauen können auch zu einem Kurs in Staatsbürgerkunde verpflichtet werden.
Burka und Nikab werden dabei in dem Gesetz nicht erwähnt. Verboten ist vielmehr dem Wortlaut zufolge, auf der Strasse und an anderen öffentlichen Orten Kleidung zu tragen, «die dazu bestimmt ist, das Gesicht zu verbergen».
Die frühere französische Regierung unter Präsident Nicolas Sarkozy hatte das 2010 verhängte Verbot damit gerechtfertigt, dass Burkas der weltlichen Ordnung Frankreichs widersprächen und Frauen erniedrigten. Zudem verhinderten die Ganzkörperschleier die Identifizierung ihrer Träger und stellten damit ein Sicherheitsrisiko dar.
Die Strassburger Richter sahen darin zwar keine ausreichende Rechtfertigung für das allgemeine Verbot der Vollverschleierung. Sie hielten aber die Argumentation für gerechtfertigt, wonach die Vollverschleierung dem Zusammenleben in einer Gesellschaft schade, weil das Gesicht bei der Interaktion zwischen Menschen eine wichtige Rolle spiele.
«Die Wahrung der Voraussetzungen für ein ‹Zusammenleben› sind ein legitimes Ziel», schrieben die Richter in der Urteilsbegründung. Das Burka-Verbot habe damit eine «objektive und vernünftige Begründung» und könne als «verhältnismässig» angesehen werden.
Die klagende Muslimin reagierte nach Worten ihres Anwalts Ramby de Mello «enttäuscht» auf das Urteil. Sie habe den Richterspruch aber erwartet und werde ihn «akzeptieren». Ohnehin sind keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung möglich: Gefällt wurde das Urteil von der Grossen Kammer des Gerichtshofs, es ist daher rechtskräftig. (pbl/sda)