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Ständerat will Burkas nicht verbieten – jetzt muss das Volk entscheiden

Ständerat will Burkas nicht verbieten – jetzt muss das Volk entscheiden

09.03.2017, 11:2110.03.2017, 08:50
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Hans Wicki, FDP-NW, links, und Josef Dittli, FDP-UR, rechts, sprechen miteinander an der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 9. Maerz 2017 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Ant ...
Will kein Burkaverbot: Der Ständerat.Bild: KEYSTONE

Die Burka wird in der Schweiz vorerst nicht verboten. Der Ständerat hat am Donnerstag einen Vorstoss aus dem Nationalrat für ein Verbot abgelehnt. Dieser ist damit erledigt, doch wird sich voraussichtlich noch das Stimmvolk äussern.

Ja oder Nein zum Burkaverbot – soll die Schweiz ein Verhüllungsverbot einführen?
Ja. Diese Art der Verhüllung hat hier nichts verloren.41%
Nein. In der Schweiz herrscht Religionsfreiheit. Darunter fällt auch das Tragen einer Burka.36%
Bin verwirrt. Würde das Verhüllungsverbot auch für Bauersfrauen und ihre Kopftücher gelten?23%

Der Ständerat lehnte die parlamentarische Initiative von Nationalrat Walter Wobmann (SVP/SO) mit 26 zu 9 Stimmen bei 4 Enthaltungen ab. Dieser wollte in der Verfassung verankern, dass niemand sein Gesicht im öffentlichen Raum verhüllen darf.

Das Verbot hätte neben der Vollverschleierung (Burka) auch den Gesichtsschleier (Niqab) umfasst, der nur die Augen freilässt. Andere Formen der Verschleierung wären ebenfalls unter die Bestimmung gefallen.

Im Ständerat wiesen die Gegner darauf hin, dass Burka und Niqab in der Schweiz selten anzutreffen seien. Ihretwegen drohten nun aber nationale Kleidervorschriften, stellte Andrea Caroni (FDP/AR) fest. Das widerspreche den freiheitlichen Grundsätzen.

Mehr Nacktwanderer als Burkas

Die Standesvertreter betonten zudem, die Kompetenz liege bei den Kantonen. Diese sollten gemäss ihren unterschiedlichen Bedürfnissen Regelungen erlassen können. Im Appenzell beispielsweise gebe es mehr Nacktwanderer als Burkaträgerinnen, sagte Caroni. Deswegen habe das Parlament aber kein nationales Nacktwandererverbot erlassen. Die beiden Appenzell hätten das auf kantonaler Ebene geregelt.

Hidschab & Co. – islamische Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka

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Hidschab & Co. – Verhüllungen vom Kopftuch bis zur Burka
Hidschab: Wird vor allem als Bezeichnung für ein Kopftuch verwendet, das Haar und Ohren vollständig bedeckt, das Gesicht indes frei lässt. Meist werden zusätzlich die Halsregion, der Ausschnitt und eventuell die Schultern bedeckt.
quelle: shutterstock
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Ein weiteres Argument war der Tourismus. Er selbst würde nie im Leben solche Kleidung tragen, sagte Hans Stöckli (SP/BE). Ein Verbot wäre aber ein Problem für den Tourismus, die Zahl von Touristinnen und Touristen aus islamischen Ländern steige.

Frauen-Argument «verlogen»

Kritik übten die Gegnerinnen und Gegner am Argument der Befürworter, es gehe auch um die Diskriminierung von Frauen. Sie sei dezidiert dagegen, dass Frauen unterdrückt und in ein «Stoffgefängnis» eingesperrt würden, betonte Anita Fetz (SP/BS). Doch es handle sich um ein vorgeschobenes Argument, «scheinheilig und verlogen». Die gleichen Kreise seien gegen ein modernes Eherecht eingetreten.

«Der Initiant will nicht ein Problem lösen, sondern einen symbolischen Kulturkampf lancieren», sagte Fetz. «Da kann ich nicht mitmachen.» Fabio Abate (FDP/TI) stellte fest, es sei keine Frage der Kleidung, ob die Rechte von Frauen respektiert würden oder nicht.

«Bevölkerung fühlt sich unwohl»

Für ein Burkaverbot machte sich Thomas Minder (parteilos/SH) stark. Er wies darauf hin, dass bereits 15 Länder ein solches Verbot erlassen hätten. Der Grund sei klar: «Die Bevölkerung fühlt sich unwohl, wenn Personen sich verhüllen», sagte Minder.

Das Parlament müsse sich die Frage stellen, auf wen es die Politik ausrichte. Wenn das Volk entscheiden könne, werde es klar zustimmen - noch deutlicher als es der Minarettinitiative zugestimmt habe. «Was wir in Bundesbern oft vergessen, ist das Lesen zwischen den Zeilen», kritisierte Minder. Es gehe nicht um einzelne Burka- oder Niqabträgerinnen, sondern um die «fortschreitende Islamisierung».

Das kleinere Übel

Auch Filippo Lombardi (CVP/TI) und Werner Luginbühl (BDP/BE) sprachen sich mit Verweis auf die Stimmung in der Bevölkerung für das Verbot aus. Es wäre besser, wenn sich das Parlament der Frage annähme, sagte Lombardi.

Er machte auch kulturelle Gründe geltend: In der Schweiz zeige man sein Gesicht. Für Luginbühl ist der parlamentarische Weg «das kleinere Übel». Der Wille, das Thema zu bewirtschaften, sei gross, stellte er fest.

Knappes Ja im Nationalrat

Der Nationalrat hatte der Initiative im Herbst äusserst knapp zugestimmt, mit 88 zu 87 Stimmen bei 10 Enthaltungen. Vollverschleierung und der radikale Islam müssten in einem Zusammenhang gesehen werden, sagte Wobmann in der grossen Kammer.

Eine Burka für alle Fälle

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Eine Burka für alle Fälle
Die böse Burkaträgerin, mit der das «Komitee gegen erleichterte Einbürgerung» um Andreas Glarner Wahlkampf macht, kam vielen sofort bekannt vor.
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Nach dem Nein im Ständerat kommt es nun voraussichtlich zu einer Volksabstimmung: Das «Egerkinger Komitee» um Wobmann hat die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» lanciert. Die Initianten haben bis am 15. September 2017 Zeit, die nötigen 100'000 gültigen Unterschriften zu sammeln. Nach Angaben von Rednern im Ständerat sind bereits 70'000 Unterschriften zusammen gekommen.

Im Tessin verboten

Im Kanton Tessin gilt seit dem 1. Juli 2016 ein Verhüllungsverbot. Die Stimmberechtigten hatten 2013 eine entsprechende Initiative auf kantonaler Ebene angenommen. Im ersten halben Jahr wurde gegen sechs Frauen ein Verfahren eröffnet.

Ob das Verbot zulässig ist, war zunächst umstritten gewesen. Der Bundesrat und das Parlament kamen aber zum Schluss, dass das Tessiner Verhüllungsverbot bundesrechtskonform ausgelegt werden könne. Der Bundesrat hielt zwar fest, dass er solche Verbote nicht für sinnvoll halte, da in der Schweiz nur sehr wenige Personen Gesichtsverhüllungen aus religiösen Gründen trügen.

Er verwies jedoch auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Juli 2014, gemäss dem ein ähnliches französisches Gesetz nicht gegen die Menschenrechtskonvention verstösst. Auf dieses Urteil berufen sich auch die Initianten des Volksbegehrens. (sda)

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154 Kommentare
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Angelo C.
09.03.2017 13:30registriert Oktober 2014
Nun ja, der NR hat es angenommen, der SR nicht, während es an der Urne mit jedwelcher Sicherheit angenommen wird, zumal es sich ja nicht nur um ein reines "Burka-Verbot", sondern um ein GENERELLES Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum handelt, welches anarchistische Linksterroristen wie den schwarzen Block und potenzielle Kriminelle mit einschliesst.

Es wird demnach lediglich eine Zeitverschiebung bis zur Volksbefragung geben, wonach das Gesetz landesweit in Kraft tretebn wird.

Wetten dass... 😉?!

Noch was : es ist so ziemlich stupid, Kopftücher, wie hier in der Umfrage, mit einzubeziehen.
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Maria B.
09.03.2017 20:33registriert Februar 2015
Bei allen Pro und Contras ist für mich und meine Zustimmung letztlich entscheidend, dass es um ein ganz generelles Verhüllungsverbot geht, was Fussballrowdies, Kriminelle und Chaoten jeder Art miteinschliesst.

Es geht also um mehr als bloss um die Burka...
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Effersone
09.03.2017 17:32registriert April 2016
Wieviele Burkaträgerinnen es in der Schweiz gibt ist für mich eigentlich nebensächlich. Die Frage ist, ob die Schweiz bzw. Die Schweizer Bevölkerung eine frauenverachtende Praktik tolerieren oder verbieten soll. Für mich ist der Fall eigentlich ziemlich klar.
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