Die erste Auslandreise führte den einstigen Bundesanwalt Michael Lauber 2012 nach Moskau, Russland. So steht es auf einer Liste, die die Bundesanwaltschaft 2017 auf Anfrage von CH Media herausgab. Es ging beim Besuch um «grundsätzliche Fragen der Rechtshilfe von Strafverfahren».
Erst im Dezember 2013, fast zwei Jahre nach Amtsantritt und eine weitere Moskau-Reise später, reiste Lauber dienstlich erstmals in ein Nachbarland der Schweiz, nach Italien. Thema auch hier: «Rechtshilfe».
«Rechtshilfe» macht man, wenn man lieber keine eigenen Strafverfahren führt. Die aktive Bekämpfung der italienischen Mafia stand definitiv nicht auf Laubers Prioritätenliste.
Das sieht beim neuen Bundesanwalt Stefan Blättler anders aus. Zwei Monate nach Amtsantritt absolvierte er seinen Antrittsbesuch in Rom, und mit ihm reiste Nicoletta della Valle, Direktorin des Bundesamts für Polizei Fedpol.
BA-Sprecherin Linda von Burg bestätigt auf Anfrage: «Bundesanwalt Stefan Blättler und die Direktorin von Fedpol Nicoletta della Valle weilten vom 2. bis 4. März 2022 anlässlich eines Arbeitsbesuchs bei ihren italienischen Partnerbehörden in Rom.» Es hätten «unter anderem Treffen bei der nationalen Kriminalpolizei (DCPC), der nationalen Direktion für Mafia- und Terrorismusbekämpfung (DNAA) und beim Justizministerium» angestanden, so die BA.
Dabei sei es einerseits um das «gegenseitige Kennenlernen und den damit verbundenen Ausbau des Netzwerkes» gegangen. Andererseits darum, «unter gegenseitiger Einhaltung der rechtsstaatlichen Prinzipien die kurz- bis längerfristigen Perspektiven zu erörtern und insbesondere den gemeinsamen Willen zur weiterhin sehr engen Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von kriminellen Organisationen aus Italien zu betonen.»
Dass Blättler es ernst meint, illustrieren auch die weiteren Mitreisenden nach Italien: Sein Stellvertreter Ruedi Montanari war dabei und die für Bekämpfung der Organisierten Kriminalität federführenden Staatsanwälte Carlo Bulletti und Sergio Mastroianni.
Dass der neue Bundesanwalt sich nicht als Wolkenschieber betätigen will, zeigt auch sein Vorgehen gegen Putins Russlands. Blättler habe eine breit zusammengesetzte «interne Taskforce einberufen». Ziel: Die BA will konkret und rasch tätig werden können, wie sie einen Bericht des «Tages-Anzeigers» bestätigt. Derzeit liege «der Fokus vor allem auf den Bereichen Völkerstrafrecht und Embargogesetz, die Situation wird jedoch unter anderem auch im Bereich Wirtschaftskriminalität laufend analysiert und die Taskforce bei Bedarf verstärkt».
Während sein Vorgänger im kleinen Zirkel arbeitete, will Blättler das vorhandene Wissen integral nutzen und die Informationen laufend austauschen. Dies in «übergreifender nationaler und internationaler Zusammenarbeit», so die BA.
Die von Blättler selbst geleitete Taskforce suche, so die BA, «gemeinsam mit Partnern rasche Lösungswege, um mögliche Beweismittel von einreisenden Flüchtlingen zu erheben und zu sichern, damit allfälligen späteren Rechtshilfeersuchen unter anderem des Internationalen Strafgerichtshofes oder ersuchender Staaten rasch und zielführend entsprochen werden kann». Zudem sollen «rasch eigene Strafverfahren eröffnet werden können, sobald sich mutmassliche Urheber von Verbrechen gegen das Völkerstrafrecht auf Schweizer Territorium aufhalten».
Auch wenn «Schweizerinnen und Schweizer im Ausland Kriegsverbrechen begehen würden oder sobald ein hinreichender Verdacht auf andere in die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft fallende Straftaten bestünde», will Blättler sofort aktiv werden. Die Bundesanwaltschaft halte sich auch im Bereich Sanktionen bereit, heisst es, auf Ersuchen des zuständigen Staatssekretariats für Wirtschaft Seco Strafverfahren zu eröffnen oder Vermögenssperren anzuordnen.
Blättler, der Strafverfolger. Unter ihm geht die Behörde, so sieht es aus, aktiv auf nationale und internationale Partner zu, um mutmassliche Verbrecher auch wirklich zur Rechenschaft ziehen zu können.
Die vormalige Russland-Rechtshilfe übrigens funktionierte nur im Sinn von Putin. Das zeigte sich 2015, als die Stiftung des Putin-Kritikers Alexei Nawalny den Sohn des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika anzeigte: Artjom Tschaika habe kriminelles Geld in die Schweiz verschoben. Kurz vor einem Treffen zwischen Lauber und Tschaika beerdigte die BA das Verfahren. (saw/aargauerzeitung.ch)