Schweiz
Justiz

Bundesanwaltschaft durchsucht Nazi-Brockenhaus in St. Margrethen

Grosseinsatz in Nazi-Brockenhaus in St.Margrethen

In einem Brockenhaus am Bahnhof St.Margrethen werden Reichsadler mit Hakenkreuz, Stielgranaten der Panzer-SS, Hitler-Bilder und weitere Nazi-Memorabilia verkauft. Nun sind die Bundesanwaltschaft sowie zwei Polizeikorps zur Tat geschritten: Sie ermitteln wegen des Verdachts auf mehrere Delikte gegen eine Person, mutmasslich den Betreiber des Brockenhauses.
30.04.2024, 19:43
Raphael Rohner, Valentina Thurnherr und Daniel Walt / ch media
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Auch die Armee kam zum Einsatz.
Auch die Armee kam zum Einsatz.bild: raphael rohner/aargauerzeitung.ch

Am Bahnhof St.Margrethen ist es am Dienstagnachmittag zu einem Grosseinsatz unter der Leitung der Bundesanwaltschaft (BA) gekommen. Auch die Kantonspolizei St.Gallen sowie Angehörige der Armee waren vor Ort.

In einem Communiqué teilt die Bundesanwaltschaft mit, dass am Dienstag im Rahmen eines Strafverfahrens mehrere Hausdurchsuchungen in den Kantonen St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden durchführt worden seien. Dabei wurde die BA durch die Kantonspolizeien St.Gallen und Appenzell Ausserrhoden sowie das Fedpol und Spezialisten der Armee unterstützt.

«Alles nehmen sie mir weg»

Im von der Hausdurchsuchung betroffenen Gebäude befindet sich eine Brockenstube, die Nazi-Memorabilia verkauft. Der Besitzer bestätigt gegenüber dieser Zeitung: «Sie kamen früh am Morgen mit einem Sondereinsatzkommando der Polizei und mehreren Einsatzwagen. Jetzt sind sie schon den ganzen Tag meinen Laden am Ausräumen.» Alles nähmen sie ihm weg. «Hitlerjugend-Dolche, Holzhandgranaten - alles in meinem Laden ist aber legal.» Jemand habe ihn wohl verpfiffen.

Der Besitzer des Ladens vermutet eine Verschwörung gegen ihn und sein Geschäft. Er sitzt in einem Restaurant in der Nähe und ist so aufgebracht wie am Boden zerstört: «Diese Razzia ist illegal. Ich werde mich wehren gegen diese Durchsuchung.» Nach seinen Angaben hätte in Kürze ein Ausverkauf stattfinden sollen, der Betreiber wollte seinen Laden auflösen. «Der Schlussverkauf wird durchgeführt - egal was kommt. Ich habe noch weitere Lagerräume», so der Mann.

Der Besitzer des Brockenhauses ist kein unbeschriebenes Blatt. Mehrfach war er in der Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten: Er war unter anderem 1996 der Lieferant einer Handgranate, die in Buchs in einer Paketbombe ein 13-jähriges Mädchen tötete. Er bekam eine Haftstrafe von elf Jahren, welche er verbüsste. Die Kantonspolizei ermittelte damals umfangreich und konnte dem heutigen Besitzer des Brockenhauses mehrere weitere Delikte wie Brandstiftungen und Sprengstoffanschläge nachweisen.

Verwunderte Passanten kommen an die Polizeiabsperrung: «Das war so klar, dass da irgendwann die Polizei kommt und all den Plunder holt. Das war eine sprichwörtliche Zeitbombe», sagt ein Mann der mit seinem Hund spazieren geht. Er geht durch die Polizeiabsperrung durch und zügig am Brockenhaus vorbei.

Ein Geschäftsmann, der zu seinem parkierten Auto läuft, kennt den Besitzer des Brockenhauses ebenfalls bestens. Er hat eine andere Sicht der Dinge: «Der Mann wurde vor kurzem Vater, und jetzt muss er so etwas miterleben! Das ist doch reinste Schikane der Behörden. Die sollen ihm doch das Zeug lassen!», sagt er. Unterdessen werden Kanonen in einen Container verladen, und mehrere Polizisten dokumentieren sichergestelltes Material.

Unser Besuch in der Brocki

Bei einem Besuch in der Brockenstube vor einigen Monaten hatte sich ein Paar schockiert von dem gezeigt, was es soeben im Geschäft gesehen hatte. Von einer «Schande» hatten die beiden gegenüber dem Tagblatt gesprochen, es sei einfach abartig, was da drin verkauft werde. Eine «Geisterbahnfahrt ins Dritte Reich» sei es gewesen, liess sich der Mann seinerzeit zitieren.

In der Brockenstube waren damals unter anderem ein ein Meter grosser Reichsadler mit Hakenkreuz, Stielgranaten der Panzer-SS, Kinderuniformen der Wehrmacht und mehrere Ausgaben von Hitlers Hetzschrift «Mein Kampf» zu sehen gewesen. Der Besitzer hatte damals zu Protokoll gegeben, es sei doch unproblematisch, dass er Granaten der Panzer-SS, Hakenkreuzflaggen und weiteres verkaufe. «Alle Armeen haben ihre Uniformen, die Deutschen hatten nun mal die schönsten. Ich verkaufe ja nichts Verbotenes», hatte er festgehalten. Seine Kundschaft bestehe nicht etwa aus Skinheads oder Leuten in Springerstiefeln, sondern aus Sammlern, die etwas Bestimmtes suchten.

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund hatte sich auf Anfrage unserer Zeitung damals betroffen über das Angebot in diesem Brockenhaus gezeigt. Generalsekretär Jonathan Kreutner sprach von einem «besonders krassen Fall».

Zurzeit noch keine Person in Haft

Vor Ort in St.Margrethen waren mehrere Mitglieder der Kampfmittelbeseitigung der Schweizer Armee mit der Sicherstellung von Beweismitteln beschäftigt. Die Beamten luden Kanonen in Schiffscontainer und trugen Kisten voll mit beschlagnahmten Objekten aus dem Brockenhaus. Das Brockenhaus und der grosse Polizeieinsatz lockten zahlreiche Schaulustige an. Vom Bahnhofplatz her kamen immer wieder neugierige Leute zum Brockenhaus, die dann aber rasch wieder von dannen zogen, als es nach Beendigung des Einsatzes nichts mehr zu sehen gab.

Das betreffende Strafverfahren wird gemäss der Mitteilung zurzeit gegen eine Person geführt. Dabei dürfte es sich denn auch um den Betreiber der Brockenstube handeln. Der Verdacht: Widerhandlung gegen das Kriegsmaterial- und das Waffengesetz. Zusätzlich zu den Hausdurchsuchungen seien im Rahmen des betreffenden Strafverfahrens mehrere Personen einvernommen worden, heisst es weiter in der Mitteilung. Zurzeit befindet sich jedoch keine Person in Haft. Die BA hält fest, dass keine unmittelbare Gefahr für die Bevölkerung bestehe.

Weitergehende Auskünfte könnten aufgrund des laufenden Strafverfahrens zurzeit nicht erteilt werden, wie es weiter heisst. Wie immer gelte die Unschuldsvermutung. (aargauerzeitung.ch/lyn)

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160 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Horst-Rüdiger
30.04.2024 20:53registriert März 2020
"Der Mann wurde vor kurzem Vater, und jetzt muss er so etwas miterleben"
Dass er damals miterleben musste wie seine Handgranate einer Mutter die Tochter weggerissen hat, scheint er aber gut verkraftet zu haben. Frage mich wie so einer seinem Kind in die Augen schauen kann.
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Waldorf
30.04.2024 19:57registriert Juli 2021
Absolute Schande! Weiss man, ob sich die lokale JSVP wenigstens für die Anliegen dieses armen Mannes einsetzt? Hat Andreas Glarner dazu auf Facebook sein alseits beliebtes "Schweizer erwache" wieder mal gepostet? Bei diesen Umständen wäre es angezigt!
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Varanasi
30.04.2024 20:04registriert August 2017
Jessis! Mich wundert eigentlich nur, dass das wohl so manchen Leuten bekannt war, aber niemand eingegriffen hat. Wie kommt das?
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