Die Geschäftsprüfungskommissionen von National- und Ständerat hatten in den letzten Monaten das Verhältnis zwischen dem umstrittenen Bundesanwalt Michael Lauber und der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) unter die Lupe genommen.
Das Verdikt, niedergeschrieben in einem 61 Seiten starken Bericht, fällt vernichtend aus – für den Bundesanwalt und seine Entourage, das heisst seine Stellvertreter und seine Geschäftsleitung.
In ihren Schlussfolgerungen stellen die GPK fest: «Dass der Bundesanwalt die AB-BA im Rahmen des Disziplinarverfahrens als Aufsichtsbehörde nicht mehr akzeptierte, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Ausführungen seitens der Oberaufsicht.»
Aber nicht nur das: «Hingegen ist auch in den übrigen Aufsichtsbereichen festzustellen, dass der Bundesanwalt tendenziell Mühe bekundet, Aufsichtshandlungen der AB-BA zu akzeptieren, die nicht zuvor konsensuell mit ihm abgesprochen sind.»
Diese Feststellung gipfelt in der Erkenntnis der GPK: «Die AB-BA kann aufgrund mangelnder Kooperation durch die BA ihre Aufgabe zurzeit nicht im gewünschten Umfang wahrnehmen.» Mit anderen Worten: Die Aufsicht über Laubers Bundesanwaltschaft funktioniert nicht richtig, weil sich Lauber querstellt.
Lauber beklagte sich gemäss dem Bericht immer wieder, dass die Aufsicht ihm zu wenig Vertrauen entgegenbringe. Auslöser waren seine nicht protokollierten Treffen mit Fifa-Boss Gianni Infantino im Berner «Schweizerhof», die nur durch Zufall aufflogen.
Die GPK hält fest, ein Vertrauensverhältnis sei zwar grundsätzlich anzustreben, aber: «Es ist unerlässlich und vom Bundesanwalt zu verlangen, dass er seiner Aufsichtsbehörde gegenüber den nötigen Respekt entgegenbringt. Unter diesem Aspekt ist es zum Beispiel unhaltbar, wenn der Bundesanwalt wegen seines Konflikts mit der Aufsichtsbehörde nicht mehr zu den Aufsichtssitzungen erscheint oder wenn er an einer Medienkonferenz seine Aufsichtsbehörde frontal angreift.»
Zum Disziplinarverfahren sagte Lauber gegenüber der GPK: «Ich bin weiterhin erschüttert, dass man mir nicht im Ansatz Glauben schenkt. (...) Das Disziplinarverfahren ist einfach ein Blödsinn, das vergiftet die Atmosphäre, das muss man abklemmen.»
Lauber boykottierte ab Dezember 2019 Aufsichtssitzungen, und als er von der GPK dazu befragt wurde, überhörte er die Frage zunächst mehrmals, steht im Bericht.
Lauber und seine Führungsriege sprachen der Aufsicht zudem die Fachkompetenz ab. Sie arbeite unter Präsident Hanspeter Uster, der seit 2018 im Amt ist, «eher generell und oberflächlich». Lauber behauptete sogar: «Fragen Sie meine Mitarbeiter, welchen Eindruck sie von der Fachkompetenz der AB-BA haben. Es tut mir leid, aber sie ist nicht vorhanden.»
Das wiederum liess AB-BA-Mitglied Rolf Grädel, ehemals Berner Generalprokurator, der lange als Supporter der Bundesanwalts galt, nicht auf sich sitzen. Der GPK sagte Grädel: «Natürlich habe ich nie einen Terrorismusfall geführt, aber ich rieche auch, wenn ein Ei stinkt, obschon ich nie ein Ei gelegt habe. Nach 35 Jahren Strafjustiz habe ich den Eindruck, dass ich sehe, wo die Probleme liegen und wo man die Schwerpunkte suchen muss.»
Auch auf Laubers Stellvertreter Ruedi Montanari und Jacques Rayroud sowie den Generalsekretär Mario Curiger und den Informationschef André Marty wirft der Bericht ein schiefes Licht. Also auf die ganze fünfköpfige Geschäftsleitung.
So klagte Montanari in der GPK: «Plötzlich sehen sich der Präsident und der Sekretär der Aufsichtsbehörde als Chefs der BA. Ich habe es schriftlich, ich werde das auch deponieren: Sie sehen sich als Arbeitgeber, wir sind das Personal.» Eine Darstellung, die die GPK zurückweist.
Auf den Sekretär der AB-BA, Patrick Gättelin, schossen sich Laubers Leute ein. Sie versuchten, den kritischen Juristen vor der GPK schlecht zu machen. Marty klagte, Gättelin habe ihn im Zusammenhang mit den «Schweizerhof»-Treffen gefragt, ob er unter Amnesie leide. Bekanntlich erinnern sich mindestens vier Personen nicht mehr an eines dieser Treffen.
Allerdings war es Hanspeter Uster gewesen, der die – naheliegende – Frage gestellt hatte. Montanari seinerseits behauptete, der AB-BA-Sekretär äussere sich unangebracht gegenüber BA-Mitarbeitern. Auch Laubers Generalsekretär Mario Curiger stiess ins gleiche Horn, der Sekretär verhalte sich «definitiv respektlos».
Die Kritik am Sekretär hat einen Hintergrund: Unter Gättelin zog die AB-BA die Aufsichtsschraube endlich an. Der Jurist wurde laut GPK denn auch vom AB-BA-Mitglied Jörg Zumstein, einem Berner Anwalt, in Schutz genommen: Er habe, so die GPK, den Sekretär ausdrücklich gelobt und als kompetent und engagiert beurteilt, er leiste Überdurchschnittliches. Dass er sich im Ton vergriffen habe, treffe nicht zu.
Lauber spielte sich, diese Erkenntnis zieht sich wie ein roter Faden durch den Bericht, gleichsam als Chef der Aufsichtsbehörde auf. So bestimmte Lauber, wieweit die AB-BA in Akten von Strafverfahren - es ging um die Fifa-Verfahren - Einsicht nehmen durfte. Er verweigerte ihr Akteneinsicht. Die GPK stellt fest: «Es ist die Aufsichtsbehörde und nicht die Bundesanwaltschaft, die zu entscheiden hat, ob eine solche Einsichtnahme für die Erfüllung ihres Auftrags nötig ist oder nicht. Solche Entscheide der Aufsicht unterstehen keiner gerichtlichen Überprüfung.»
Die Geschäftsprüfer stellen fest: «Dabei kann es nicht sein, dass die Bundesanwaltschaft der Aufsicht den Takt vorgibt. Das Gesetz verwehrt der Aufsichtsbehörde einzig direkte Weisungen in einzelnen Strafverfahren.»
Der Bericht der Oberaufsicht stützt die geschlossen auftretende Aufsichtsbehörde insgesamt und deren Präsidenten Hanspeter Uster. Lauber griff ihn öffentlich an und versuchte, ihm eine Kehrtwende in der Aufsichtsphilosophie zu unterstellen. Das weist die GPK jetzt zurück: «Die Darstellung der Bundesanwaltschaft, mit dem neuen AB-BA-Präsidenten sei eine völlig neue Aufsicht («Paradigmenwechsel») eingeführt worden, ist nicht bestätigt.» Uster setze gewisse Schwerpunkte anders und möchte die Aufsicht verstärken, aber in anderen Punkten werde die bewährte bisherige Praxis weitergeführt.
Die GPK spricht auch hier Klartext: «Auch nicht nachweisen lassen sich auf die Person abzielende Darstellungen der Bundesanwaltschaft, der AB-BA-Präsident sei gegenüber dem Bundesanwalt voreingenommen oder feindlich gesinnt oder er halte sich für den Chef des Bundesanwalts und seiner Stellvertreter.» Uster geniesse bei den übrigen Mitgliedern der AB-BA zudem eine hohe Akzeptanz.
Eine klare Abfuhr erteilte die GPK dem Versuch Laubers, die AB-BA quasi unter Vormundschaft zu stellen, indem ein Mediator eingeschaltet werden sollte. «Die Voraussetzungen für eine Mediation waren nicht gegeben, und für eine vom Bundesanwalt beantragte Quasi-Verbeiständigung der AB-BA gab es keinerlei Rechtfertigung», schreibt die Oberaufsichtsbehörde des Parlaments. Und: «Das Verhältnis zwischen diesen beiden Behörden ist stark gestört.»
Uster und der AB-BA werden einige kleinere Fehler vorgehalten. So der Umstand, dass die Prüfung eines Disziplinarverfahrens gegen Lauber über Medien bekannt wurde. Uster entschuldigte sich gegenüber der GPK. Ihm war ein Fehler unterlaufen: Er hatte eine E-Mail an Lauber mit dieser Information versehentlich nicht abgeschickt.
Die Aufsichtsbehörde und die Bundesanwaltschaft haben bis zum 15. September Zeit, zu den Schlussfolgerungen im Bericht Stellung zu nehmen. Die Inspektion wurde von Subkommissionen durchgeführt, die von Ständerat Hans Stöckli (SP) und Nationalrätin Manuela Weichelt-Picard (Grüne) geleitet werden.
Wenn eine derart zentrale Position sich derart unkooperativ und den Aufsichtsbehörden die ihre Aufgabe sachgemäss machen gegenüber respektlos verhält, zweifle ich daran, dass er seine restlichen Aufgaben integer und korrekt ausübt.