Das Zürcher Verwaltungsgericht stuft die fristlose Entlassung eines Primarlehrers als «rechtswidrig» ein. Es spricht dem Mann eine Entschädigung und eine Abfindung in Höhe von 13 Monatslöhnen zu. Ein blosser Verdacht auf sexuelle Handlungen rechtfertige noch keine Kündigung, heisst es im Urteil.
Der 57-jährige Primarlehrer wurde im August 2011 in einer zürcherischen Schulgemeinde angestellt. Bereits im September kam es zu einer Aussprache mit der Schulpflege. Der Behörde waren Gerüchte zugetragen worden, wonach der Lehrer an einer anderen Schule ein zehnjähriges Mädchen sexuell bedrängt haben soll.
In den kommenden Monaten leitete die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren ein. Im September 2012 löste schliesslich die Schulgemeinde das Anstellungsverhältnis fristlos auf.
Die ehemalige Schülerin werfe dem Lehrer ein Verhalten vor, das unakzeptabel sei, begründete die Schulpflege die Entlassung. Es sei wiederholt zu Berührungen gekommen, «die man klarerweise als sexuelle Übergriffe bezeichnen muss». Dem Lehrer sei es nicht gelungen, die Vorwürfe «zweifelsfrei aus der Welt» zu räumen.
Ein öffentlich-rechtliches Arbeitsverhältnis auf den blossen Verdacht einer strafbaren Handlung aufzulösen, sei unzulässig, hält nun das Verwaltungsgericht in einem am Dienstag veröffentlichten Urteil fest.
Bei der Entlassung lag keine rechtskräftige Verurteilung vor, wie das Gericht im Urteil betont. Und es weist im Weiteren darauf hin, dass der Lehrer im November 2014 vom zuständigen Bezirksgericht in allen Anklagepunkten freigesprochen wurde.
Später begründete die Schulpflege die Entlassung sinngemäss auch damit, dass die gegen den Lehrer erhobenen Vorwürfe unabhängig von ihrer strafrechtlichen Würdigung ohnehin eine Weiterbeschäftigung verunmöglichen würden.
Hätte der Lehrer die gebotene Distanz zu Schülern nicht eingehalten, hätte dies zum Entzug des Lehrdiploms führen können – und dies hätte auch eine fristlose Entlassung rechtfertigen können, räumt das Gericht im Urteil ein. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass sich die Vorwürfe erhärtet hätten.
Wie das Verwaltungsgericht kritisiert, habe die Schulpflege jedoch «keine entsprechenden Abklärungen» getätigt und auch keinen Versuch unternommen, den Sachverhalt abzuklären. Sie habe sich einzig auf eine frühere «sehr einseitige Befragung» des zehnjährigen Mädchens abgestützt.
Laut Gericht lagen die angeblichen Vorfälle im Kündigungszeitpunkt bereits neun Jahre zurück. Zudem waren sie bereits vorher dem Volksschulamt bekannt, welches dem Primarlehrer nach einer Supervision den Unterricht ohne weitere Auflagen bewilligt hatte. «Unter diesen Umständen vermochten die Vorwürfe keine fristlose Kündigung zu rechtfertigen.»
(sda)