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Bundesanwaltschaft fordert Freiheitsstrafe von 48 Monaten

Bundesanwaltschaft fordert Freiheitsstrafe von 48 Monaten für mutmasslichen Dschihadisten

09.05.2023, 22:3909.05.2023, 22:39

Die Bundesanwaltschaft hat eine Freiheitsstrafe von 48 Monaten für einen in Schaffhausen geborgenen Türken wegen mehrfachen Widerhandlungen gegen das IS-Gesetz und wegen Gewaltdarstellungen gefordert. Sie beantragte am Dienstag vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona zudem eine Landesverweisung von zehn Jahren.

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Das Bundesstrafgericht in Bellinzona. Bild: keystone

Die dem Angeklagten vorgeworfenen Taten fallen in die Zeit vom Mai bis Ende Oktober 2019. Der Verteidiger beantragte eine Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Aufgrund der günstigen Prognose sei diese bedingt auszusprechen. Zudem plädierte der Anwalt dafür, von der Landesverweisung abzusehen.

Sein Klient sei in der Schweiz geboren und aufgewachsen. Er sei gut integriert und habe einen tadellosen Lebenswandel. So habe er eine Zweit-Ausbildung absolviert, habe eine Stelle, keine Schulden und einen leeren Strafregisterauszug.

Der Angeklagte hat laut Bundesanwaltschaft (BA) eine in Österreich lebende Minderjährige in ihrer positiven Haltung zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) massgeblich gestützt. Der Chat-Verlauf über die sozialen Medien und die bei den österreichischen Strafverfolgungsbehörden gemachten Aussagen der aus Afghanistan stammenden Jugendlichen seien explizit und eindeutig.

Sie würden klare Pläne des jungen Türken zeigen. Der Angeklagte habe die junge Frau heiraten und mit ihr nach Syrien reisen wollen. Er habe sie gedrängt, sagte der Staatsanwalt des Bundes. Über eine Heirat habe er mit zwei weiteren Frauen kommuniziert. Eine von ihnen habe den Kontakt abgebrochen, weil sie sich zu stark unter Druck fühlte.

Alles in allem zeigten die Untersuchungsergebnisse einen zutiefst überzeugten und gewaltbereiten Mann, der seine Absichten in die Tat habe umsetzen wollen. Die Aussagen der einen jungen Frau seien sehr glaubwürdig und sie habe sich damit selbst belastet. Unterdessen ist sie rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt worden.

Grosse Beachtung

In der Winterthurer Salafistenszene hat der 26-Jährige laut Staatsanwalt durch seine Bearbeitung, Übersetzung und Verbreitung von vor allem türkischsprachiger Propaganda Anerkennung erlangt. Er habe dafür eine Medienagentur gegründet und bis nach Deutschland Beachtung gefunden.

Er habe niemals in Syrien in den Dschihad ziehen wollen, erklärte hingegen der Angeklagte. Auch sei der Vorwurf der BA bezüglich der Minderjährigen in Österreich unzutreffend. Die beiden begegneten sich nie und tauschte sich nur über soziale Medien aus.

Darin vereinbarten sie laut Anklage eine Heirat nach islamischem Recht. Dazu wollten sie sich in Hamburg (D) treffen um anschliessend nach Syrien zu reisen. So lautet der Vorwurf in der Anklageschrift. Der Angeklagte bestätigte vor Gericht seine Absicht, die junge Frau zu heiraten. Er sei jedoch davon ausgegangen, dass sie 18 und nicht erst 17 Jahre alt sei. Zudem habe er sie durch die Heirat von der IS-Ideologie abbringen wollen.

Anerkannt hat der junge Türke die Anklagepunkte hinsichtlich der Bearbeitung und Verbreitung des Propagandamaterials. Der Angeklagte versah Videos, die er auf Youtube und Telegramm gefunden hatte, mit Untertiteln und dergleichen. Auf seinem Handy fand die BA jedoch auch 221 Videodateien und 30 Fotos.

Grausame Szenen

Der Staatsanwalt des Bundes erklärte, dass auf allen Dateien Gewaltdarstellungen zu finden seien. In der Anklageschrift sind nur 60 der Video näher umschrieben. Diese Dateien enthalten laut den Ausführungen äusserst grausame Szenen von Hinrichtungen, Leichen, Körperteilen oder Kindersoldaten.

Warum er solche Videos schaute? Weil er dazugehören wollte. Dieses Bemühen um Zugehörigkeit nannte der Angeklagte immer wieder. Er fühlte sich bei den Salafisten der Winterthurer Gruppe aufgenommen.

Der Ideologie des IS habe er abgeschworen - gleich zu Beginn der 140 Tage in Untersuchungshaft ab Ende Oktober 2019. Ein Deradikalisierungs-Programm hat der Angeklagte nie besucht. Er habe dies nicht für nötig gefunden.

Rechtsradikale Gruppe

Anderen Gruppierungen gehöre er nicht an, sagte der Angeklagte. Etwas quer steht dabei der Fakt, dass er bei der letzten Befragung durch die BA mit einem Abzeichen der Grauen Wölfe erschien. Es handelt sich dabei um die Bezeichnung der türkischen Rechtsextremisten.

Damit konfrontiert erklärte der Angeklagte, dass er nicht genau gewusst habe, wofür das Zeichen stehe. Gemäss BA habe er jedoch früher gesagt, dass er Teil der Organisation gewesen sei. (sda)

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