Kein Geständnis, keine Zeugen, keine eindeutigen Beweise – keine leichte Aufgabe für die Gerichte. Was in jener Januarnacht vor fünf Jahren im Schlafzimmer eines Ehepaars aus dem Fricktal vorgefallen ist, können die Richter nur anhand von Indizien beurteilen. Und doch müssen sie entscheiden, ob die Vorwürfe gegen den Ehemann stimmen.
Er soll seiner Frau beim Abendessen ein beruhigendes Medikament ins Wasser gemischt und später versucht haben, sie mit einem Kissen zu ersticken. Sie wehrte sich, konnte sich befreien und zu einer befreundeten Familie fliehen, die dann die Polizei alarmierte.
Die beiden Urteile der unteren Instanzen weichen stark voneinander ab: Während das Bezirksgericht Rheinfelden den Ehemann freisprach, verurteilte ihn das Aargauer Obergericht wegen versuchter vorsätzlicher Tötung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren. Wie so oft obliegt daher dem Bundesgericht der endgültige Entscheid.
Bei einem Indizienprozess geht es darum, die einzelnen Teile zu einem Bild zusammenzusetzen, das der Wahrheit so nah wie möglich kommt. Oder wie es die Bundesrichter in ihrem am Freitag veröffentlichten Entscheid formulieren: «Eine Mehrzahl von Indizien, welche für sich allein betrachtet nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auf eine bestimmte Tatsache oder Täterschaft hindeuten und insofern Zweifel offen lassen, können in ihrer Gesamtheit ein Bild erzeugen, das den Schluss auf den vollen rechtsgenügenden Beweis von Tat oder Täter erlaubt.»
Und Beweisstücke, die es zu deuten gilt, liegen im Fricktaler Fall einige vor: Wortfetzen und Rufe der Angegriffenen, aufgezeichnet von einem Aufnahmegerät, das die Ehegattin unter dem Bürotisch des Mannes versteckt hatte. Dazu kommen E-Mails an seine Geliebte, der Brief des Anwalts der Ehefrau mit der Ankündigung ihrer Scheidungsabsichten, den der Beschuldigte zerriss und entsorgte sowie das von ihr heimlich in Fläschchen abgefüllte, von ihm mit Medikamenten versetzte Wasser aus ihrem Trinkglas.
Der Beschuldigte wollte verhindern, dass diese Beweise gegen ihn verwendet werden können – ohne Erfolg. Das Bundesgericht hält alles für verwertbar. Das gilt auch für die heimlich und somit rechtswidrig gemachten Tonaufnahmen. Bei einer schweren Straftat überwiege das öffentliche Interesse an der Aufklärung das Interesse des Ehemanns an der Unverwertbarkeit des Beweises, heisst es im Urteil.
Zusätzlich belastend wirkt die Auswertung seiner Internetrecherchen: Erkundigt hat er sich nach Substanzen, die beruhigend, angstlösend, schlaffördernd wirken. Erfolglos versuchte er zudem, online GBL – besser bekannt als K.o.-Tropfen – zu bestellen.
Die obersten Richter vermag der Beschuldigte auch mit seinen weiteren Argumenten nicht zu überzeugen. So kritisierte er unter anderem, das Aargauer Obergericht habe mit dem Schuldspruch den Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» verletzt. Das Bundesgericht bestätigt das Vorgehen der Vorinstanz jedoch in sämtlichen Punkten, findet im Entscheid gar lobende Worte.
«Sehr sorgfältig und stringent», «methodisch korrekt», «überzeugend», steht da etwa. Und so kommen die Bundesrichter zum Schluss: Angesichts der Indizien ergebe sich «ein derart schlüssiges und in sich stimmiges Bild, dass keine ernst zu nehmenden Zweifel an der Täterschaft des Beschwerdeführers verbleiben». Das heisst: Der Schuldspruch wegen versuchter vorsätzlicher Tötung ist zu Recht erfolgt.
Auch mit seiner Kritik an der Höhe der Strafe findet der Ehemann kein Gehör. Im Falle eines Schuldspruchs hatte er fünf statt acht Jahre Freiheitsstrafe gefordert. Doch das Bundesgericht teilt die Einschätzung der Vorinstanz, wonach der Beschuldigte entschlossen, planmässig und perfide vorgegangen sei.
So habe er ein Abendessen, das er vermeintlich zur Feier eines positiven Taggeldbescheids zubereitet habe, dazu genutzt, seiner Ehefrau ein beruhigendes Medikament ins Wasser zu mischen, um sie später ohne grosse Gegenwehr ersticken zu können.
Trotz Eheproblemen habe er sich nicht in einer Zwangslage befunden und es habe sich auch nicht um eine Affekttat gehandelt, hält die oberste Instanz fest. Und: Sein Verschulden wiege schwer. Die Beschwerde des Ehemannes wird abgewiesen, er wird mindestens zwei Drittel der acht Jahre Freiheitsstrafe absitzen müssen.