Die Geschichte hatte im vergangenen Juni begonnen, als Samantha gemeinsam mit einer Freundin zum Geburtstag einer Bekannten im Zürcher Limmattal eingeladen war. Dort hätten sie mit «Cüpli» angestossen und gefeiert, sagte sie in der Anhörung zu Einzelrichter Daniel Peyer. Nach Mitternacht habe sie aber nichts mehr getrunken. Um 4 Uhr morgens bestellten die beiden jungen Frauen ein Taxi und fuhren Richtung Wettingen. Unterwegs soll es dann passiert sein.
Samantha trat vor dem Bezirksgericht als Strafklägerin auf und erschien mit ihrer Verteidigerin. Sie beschuldigte den Taxifahrer der verbalen und physischen sexuellen Belästigung. Die junge Frau mit langen schwarzen Haaren und blonden Spitzen, mit schwarz-weisser Handtasche und schwarzem Pulli erzählte, wie sie jene Sommernacht erlebte: Bei der besagten Taxifahrt stieg zuerst die Freundin aus.
Als Samantha alleine auf dem Beifahrersitz war, habe der Taxifahrer dann höflich gefragt, ob er sie etwas fragen dürfe. Er habe sie gefragt, wie alt sie sei, wo sie wohne und ob sie schon einmal Sex gehabt hätte. «Ich sagte, dass ich einen Freund habe und schon lange mit ihm zusammenwohne. Und dass es sexuell nicht so gut laufe bei uns», erzählte Samantha freimütig. «Ich habe ihn zurückgefragt, ob er Kinder hat. Ich habe eine Vaterfigur in ihm gesehen.»
Der Taxifahrer habe ihr dann von allerlei sexuellen Eskapaden erzählt und auch von der «Goldwand» gesprochen. «Ich wusste damals nicht, was das ist. Danach habe ich nicht mehr zugehört», sagte Samantha. Gerichtspräsident Peyer klärte sie darüber auf, dass das «Goldwand» in Rieden ein Bordell ist und merkte an, dass das für eine Taxifahrt ein ziemlich freimütiges Gespräch gewesen sei: «War Ihnen das nicht unangenehm?»
Samantha sagte, ihr sei erst unwohl geworden, nachdem der Fahrer das Taxi in Wettingen abgestellt und vorgeschlagen habe, dass sie doch im Thermalbad in Bad Zurzach «geilen Sex» im Wasser haben könnten. Das habe er auch schon gemacht. Dann habe er ihr seine Visitenkarte gegeben, sie zweimal unsittlich an der Brust berührt und ihr durch die Hose seinen erigierten Penis gezeigt. «Ich sass wie versteinert da und bin vom Schlimmsten ausgegangen», gab Samantha zu Protokoll.
Aus der Sicht des Angeklagten, der ohne Verteidiger vor Gericht erschien, hörte sich die ganze Geschichte allerdings etwas anders an. Nicht er habe das Gespräch auf das Thema Sex gelenkt, sondern Samantha. «Ich habe keinen Fehler gemacht», sagte der Kosovare auf Schweizerdeutsch mit Akzent. Der Mann mit grauem Kurzhaarschnitt erschien adrett gekleidet mit Hemd und grauem Wollpullover. «Entweder hat sie mich falsch verstanden oder sie will mich erpressen.»
Er habe die beiden jungen Frauen noch gebeten, sich im Auto nicht zu übergeben, weil sie sehr angeheitert in sein Taxi gestiegen seien. Samanthas Freundin habe nicht mehr alleine stehen können, als er sie einlud. Bis Würenlos hätten sie dann kein Wort geredet. Er erzählte vor Gericht, er habe früher in einem Industriebetrieb gearbeitet und fahre seit Jahren Taxi.
Sichtlich aufgeregt sagte der Mann, er sei ein anständiger Mensch und Familienvater. «Wir sind im Guten auseinandergegangen», erinnerte er sich. «Es hat kein schlechtes Wort gegeben, ich habe sogar noch Trinkgeld von ihr bekommen.» Er habe Samantha nur ein paar Ratschläge gegeben, wie sie ihr Liebesleben wieder in Schwung bringen könne – und da habe er eben vorgeschlagen, sie solle doch einmal mit ihrem Freund ins Thermalbad nach Bad Zurzach, das sei ein schöner Ort für Paare.
Er habe Samantha nie berührt. Da hätte er schon andere Gelegenheiten gehabt, aber er sei immer anständig geblieben. Und er sagte: «Sie stand unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.»
Samantha sagte aber zu Gerichtspräsident Peyer: «Das stimmt nicht, mir ging es gut. Ich hatte nie das Gefühl, dass ich kötzeln musste.» Er glaubte ihr. Das Urteil wurde den beiden Parteien diese Woche schriftlich eröffnet. Obwohl Aussage gegen Aussage stand, seien Samanthas Erzählungen konsistent und glaubhaft gewesen, kommt das Gericht zum Schluss.
Der Beschuldigte wurde im Sinne der Anklage zu 1500 Franken Busse verurteilt und muss die Verteidigungs- und Verfahrenskosten übernehmen. Da Samantha keine Genugtuung forderte, gebe es auch keinen Anhaltspunkt für einen Erpressungsversuch. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.