Vor dem Zürcher Obergericht hat sich am Montag ein 55-jähriger Mann wegen sexueller Übergriffe auf Kinder verantwortet. Er gab sich geläutert und kämpfte wortreich gegen die drohende Verwahrung. Das Gericht wird sein Urteil am Montagabend eröffnen.
Dem Schweizer, ein ehemaliger Clown und kirchlicher Mitarbeiter, werden Übergriffe auf zwei zur Tatzeit rund zehnjährige Knaben und ein etwa sechsjähriges Mädchen vorgeworfen. Bei den Kindern handelt es sich um die Tochter des Beschuldigten, dessen Stiefsohn und einen damaligen Kirchenchor-Knaben.
In seiner Befragung vor dem Obergericht am Montag gab sich der Beschuldigte einsichtig, nachdem er noch vor der ersten Instanz seine Übergriffe verharmlost hatte. Dennoch hielt er fest: «Ich bin kein Triebtäter.» Er habe die Kinder ja nicht überfallen.
Inzwischen sei er sich aber bewusst, dass er den Kindern Schaden zugefügt habe. Er wolle und brauche «Begleitung». Im Gefängnis habe er bereits «viel Identitätsarbeit» geleistet. Heute entstünden ja zum Glück Beratungsstellen und Pädophilie werde enttabuisiert.
Immer wieder machte der Beschuldigte deutlich, dass er sich selbst als Opfer der «Gesellschaft» und deren «struktureller Gewalt» sieht. Ihm sei aber auch bewusst geworden, dass er selbst Teil dieser «strukturellen Gewalt» sei. Er wolle kein Aussenseiter sein, sondern Teil der Gesellschaft. Er sei überzeugt, dass es einen Weg für ihn gebe.
Er sei bereit für eine Therapie, versicherte er. Er würde eine stationäre Massnahme absolvieren, wenn das Gericht eine solche anordne. Sinnvoller, weil lebensnaher, scheine ihm aber eine ambulante Behandlung. Auch medikamentöse Triebhemmer würde er nehmen, um weitere Delikte zu vermeiden. «Ich schlucke alles», sagte er.
Die Staatsanwältin liess sich nicht beeindrucken. «Weder von Einsicht noch von Reue» sei etwas erkennbar, sagte sie. Die schönen Worte seien nicht in Einklang zu bringen mit seinen Taten. Es bestehe erhebliche Rückfallgefahr.
Der Mann habe keine schwere psychische Störung, die eine stationäre Massnahme rechtfertigen würde: «Verwahrung ist die einzige Option.» Zudem forderte sie - wie vor dem Bezirksgericht - eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren.
Der Verteidiger beantragte Freispruch von den Anklagepunkten sexuelle Nötigung und Schändung. Bezüglich der sexuellen Handlungen mit Kindern und Pornografie ist der Beschuldigte geständig. Angemessen sei eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren und eine ambulante Therapie.
Dem Beschuldigten habe damals jegliches Unrechtsbewusstsein gefehlt. Er habe «im Geiste einer libertären Sexualität der 1980er-Jahre» gehandelt. Dass er die Kinder berührt habe, sei «mehr ein Spiel» gewesen.
Die Zeit im Gefängnis habe aber zu einem Sinneswandel geführt. Inzwischen sei er einsichtig. Er habe «verstanden und verinnerlicht», dass er keinerlei Kontakte zu minderjährigen Buben haben dürfe und dass eine Therapie nötig sei.
Das Bezirksgericht Meilen hatte den Mann im Oktober 2020 der sexuellen Nötigung, der Schändung, der sexuellen Handlungen mit Kindern - alles mehrfach begangen - sowie der Pornografie schuldig gesprochen. Es verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren, aufgeschoben zu Gunsten einer stationären Massnahme, und auferlegte ihm ein Verbot jeglicher Tätigkeiten mit Minderjährigen.
Der Beschuldigte wurde seit den 1980er-Jahren mehrmals wegen pädophiler Delikte verurteilt. Diese Strafen sind allerdings mittlerweile gelöscht. (saw/sda)
Warum soll das jetzt besser werden?
Ich finde, der Schutz von Kindern hat Vorrang vor den Befindlichkeiten des Straftäters.
Als ehemaliges Missbrauchsopfer kenne ich die lebenslangen Folgen solcher Taten und mein Verständnis für Rücksicht hält sich da eher in Grenzen.