Arbeitsscheu? Nein, das ist Thomas Aeschi gewiss nicht. Der Zuger SVP-Nationalrat präsidiert die grösste Fraktion im Bundeshaus, er sitzt in dieser Funktion auch im Büro des Nationalrates, er politisiert in der gewichtigen Wirtschaftskommission und auch in der Sozial- und Gesundheitskommission, welche nicht nur an der Dämpfung der Gesundheitskosten arbeitet, sondern auch an der Sicherung der Sozialwerke.
Seit Kurzem hat Aeschi ein weiteres Mandat inne: Er nimmt Einsitz in der Gerichtskommission der Bundesversammlung. Das 17-köpfige Gremium bereitet unter anderem die Wahlen der Bundesrichter vor und macht eine Wahlempfehlung. Aeschi hatte vor den Sommerferien den Aargauer SVP-Nationalrat Luzi Stamm gebeten, seinen Platz übernehmen zu können. Da Stamm im Herbst ohnehin nicht mehr zur Wiederwahl antrete — zumindest nicht auf der SVP-Liste. Die personelle Rochade zeigt: Die SVP macht die Wahl der Bundesrichter zur Chefsache. Und das in einer Zeit, wo die Unabhängigkeit der Justiz und der Einfluss der Parteien auf vielen Ebenen viel zu reden geben.
CVP-Präsident Gerhard Pfister sagte dem «Tages Anzeiger» im Nachgang zum UBS-Urteil: Richterwahlen seien zu einem weiteren Aspekt der Parteipolitik geworden, weil das staatspolitische Bewusstsein kleiner geworden sei. Er plädiert dafür, dass man die Wahl der Bundesrichter dem Einfluss der Parteien entziehen soll.
Aeschi begründet seinen Wechsel in die Gerichtskommission damit, dass in der Septembersession vier Bundesrichterstellen neu besetzt werden. Die SVP arbeitet daraufhin, dass die Bundesversammlung ihre «krasse Untervertretung» korrigieren wird. Gemäss dem Parteienproporz, den das Parlament freiwillig einhält, stünden der SVP rund 12.5 ordentliche Richterstellen zu, sie verfügt aber nur über 10 Richter in Lausanne. Die Situation verschärfte sich im Juni, weil das Parlament eine CVP-Richterin wählte. Der SVP-Kandidat hatte sich nach einem politischen Hickhack zurückgezogen.
Er werde als Mitglied der Gerichtskommission die Mitglieder der übrigen Parteien an ihre Versprechen erinnern, sagt Aeschi. Sprich, dass die Untervertretung der SVP bei den nächsten Ersatzwahlen behoben werde. Aeschi ortet eine zunehmende Bedeutung von Richterwahlen, weil das Bundesgericht heute viel häufiger als früher Folgen aus internationalen Verträgen ableite. Das Bundesgericht habe etwa bei der Auslegung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) einen grossen Spielraum. Stelle das Bundesgericht fest, dass etwas EMRK-widrig sei, könne der Gesetzgeber nichts mehr dagegen ausrichten: «Das Bundesgericht stellt seit einigen Jahren internationales Recht über Schweizer Recht», sagt Aeschi. Die SVP ärgerte sich in der Vergangenheit mehrfach über Entscheide des Bundesgerichts, weil kriminelle Ausländer wegen der EMRK oder dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit nicht ausgeschafft worden sind
Stark war die Kritik der SVP auch beim Bundesgerichts-Urteil zur UBS: Die Lausanner Richter hatten der Herausgabe von 40’000 Kundendaten an Frankreich zugestimmt. Der Entscheid viel mit drei zu zwei Stimmen knapp. Ausgerechnet ein SVP-Bundesrichter gab den Ausschlag. SVP-Vertreter, darunter auch Aeschi, drohten danach, den entsprechenden Richter künftig nicht mehr zu wählen. In Justizkreisen sorgte diese Drohung für viel Unmut.
CVP-Bundesrichter Thomas Stadelmann warnte in dieser Zeitung, dass damit die Gewaltenteilung in Frage gestellt werde. Aeschi rechtfertigt sich: «Obwohl Richter nur dem Recht verpflichtet sind, kommt es oft zu 3:2 Entscheiden am Bundesgericht, da es unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten gibt. Deshalb ist entscheidend, welcher Partei ein Richter angehört und welche Gesinnung und Werthaltungen dieser Richter entsprechend vertritt.» Bundesrichter müssen sich in der Schweiz alle sechs Jahre zur Wiederwahl stellen. Was wenn sich die Ansichten des Richters über die Zeit stark verändern? «Dann macht es Sinn, dass dieser Richter fortan durch eine andere Partei portiert wird, deren Gesinnung und Werthaltungen sich eher mit jenen des entsprechenden Richters decken.»
Eine andere Lösung schlägt die Justiz-Initiative vor, die Ende August eingereicht wird. Sie verlangt, dass die Bundesrichter ausgelost werden — um dem parteipolitischen Geschacher ein Ende zu setzen. (aargauerzeitung.ch)
Machtpolitik bis zur Abschaffung der Gewaltenteilung.
Dies ist einer Konkordanzdemokratie definitiv nicht würdig.