Der Moment, auf den man 50 Qualifikationsrunden gewartet hat, ist da. Endlich ist Playoff-Zeit. Volle Hallen, ekstatische Fans, hitzige Stimmung, krachende Zweikämpfe und jede Menge Tore. Zutaten, die das Herz des Eishockeyspielers höherschlagen lassen.
Bei manchen Eishockeyspielern ist es aber nicht nur die Atmosphäre, die das Herz höherschlagen lässt. Auch der Nikotinkick von einer Portion Snus lässt das Herz zehn Schläge pro Minute schneller arbeiten. In der Eishockey-Szene ist der Mundtabak aus Schweden durch die vielen skandinavischen Spieler verbreitet. Daraus wird auch kein grosses Geheimnis gemacht.
Bei Interviewterminen liegt die Dose dann auch schon mal offen auf dem Tisch, und dauert das Gespräch länger als eine Viertelstunde, wird der Snus im Mund durch einen neuen ersetzt. Diese Gewohnheit vor Junioren zu verbergen, ist schwierig. Die Versuchung für Nachwuchssportler ist gross, früher oder später auch zur Dose mit den Tabakbeuteln zu greifen.
Snus-Konsumenten können ihren Stoff nicht wie Raucher an jeder Ecke kaufen. Man bekommt die Nikotinbombe nur per Onlinebestellung aus Schweden – zum Bezahlen braucht man eine Kreditkarte. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wollte beim ersten Auftauchen von Snus in den Neunzigern verhindern, dass er verkauft werden darf. Das BAG wollte «kein neues Tabakprodukt zulassen, das nachweislich krebserregende Substanzen enthält und ein hohes Suchtpotenzial besitzt.»
Deshalb hat der Bundesrat in der Tabakverordnung festgehalten, dass «Erzeugnisse in Form eines Pulvers oder eines feinkörnigen Granulats oder einer Kombination dieser Formen, insbesondere in Portionenbeuteln oder porösen Beuteln» verboten sind, ausser es handle sich um ein Produkt zum Kauen (siehe Box). Da dieses Gesetz aber den Verkauf und nicht den Konsum regelt, darf für den Eigengebrauch Snus aus Schweden importiert werden.
Die Nachfrage nach Snus ist in den vergangenen Jahren explodiert. 2004 wurden gesamtschweizerisch noch 484 Kilogramm Snus importiert. 2012 waren es schon 28'300 Kilo.
Und klar, wo eine Nachfrage besteht, da gibt es auch ein Angebot. Das Geld liegt ja bekanntlich auf der Strasse. Den Snusbatzen von dort aufheben möchte seit neuestem der Kioskbetreiber Valora. Dieser bietet seit Januar 2015 «Ink Kautabak im Portionenbeutel» an. Das Erzeugnis riecht wie Snus, ist verpackt wie Snus und sieht aus wie Snus – ist aber dänischer Kautabak. Bei diesem Produkt ist der Tabak im Beutel fein geschnitten, nicht gemahlen, deshalb ist es kein «Pulver oder feinkörniges Granulat». Gebraucht wird das Produkt aber zweifelsfrei wie klassischer, schwedischer Snus.
Das zeigt die Reaktion der Snuser-Szene. Jérémy Grob vom «Verein für freien Snusverkauf» schreibt in seinem Communiqué vom 12. Februar unverblümt: «Ab sofort ist in etlichen Kiosken der in Beuteln abgefüllte dänische «Kautabak» Ink erhältlich. Das Vertriebsverbot für Snus konnte dank einer Deklaration des Produkts als Kautabak erfolgreich umgangen werden.» Etikettieren anstatt Legalisieren. Valora sagt zum neuen Angebot: «Wir sehen eine Nachfrage nach diesem Produkt.»
Adrian von Allmen, der Leiter des Präventionsprogrammes «cool and clean» von Swiss Olympic, findet das Vorgehen von Valora und dem Importeur bedenklich: «Solange ein Gesetz nicht alles verbietet, findet die Tabakindustrie immer wieder Schlupflöcher.» Von Allmen sagt weiter: «Dieser Ink-Kautabak ist nichts anderes als Snus. Wir sind für ein Verbot von sämtlichem Tabak für den oralen Gebrauch.»
Die Basler Firma «Next» importiert den «Snus-Kautabak» für Valora. Das umstrittene Produkt ist einem Konkurrenten des Importeurs aufgefallen. Dieser hat sich über den Kautabak beschwert. Der zuständige Chemiker Christopher Hohl ist bei der momentanen rechtlichen Situation aber nicht gewillt, derartige Produkte zu verbieten. Er sagt: «Tabak zum Kauen ist nicht verboten und Definitionen für Kautabak fehlen im Gesetz. Somit gilt die Sachbezeichnung auf dem Produkt.»
Die zuständige Basler Behörde, das Kantonale Labor, sieht Handlungsbedarf. Chemiker Hohl fordert: «Falls der Bund aus Gesundheitsschutz-Gründen wirklich keine solchen Produkte will, muss er den Verordnungstext ändern.»
Falls das nicht geschieht, werden noch weitere Player in die Markt- und Gesetzeslücke der «Snus-Produkte» hineinschlüpfen. Für Kundschaft ist gesorgt.