Er gilt als einer der fatalsten Fehlentscheide der früheren Vormundschaftsbehörde, der «Fall Bonstetten», der 2010 in einer Tragödie endete und heute vor Obergericht neu aufgerollt wird. Die Staatsanwaltschaft will eine Verwahrung des Angeklagten erreichen, die Verteidigung eine mildere Strafe. Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte G. 2013 zu 18 Jahren Haft.
Der Tathergang ist unbestritten: An einem Freitagabend im März verabreicht der mittlerweile 65-jährige Gustav G. in einem Winterthurer Hotel seinem vierjährigen Sohn eine Dosis Schlafmittel und erstickt ihn mit einem Kissen. G. ist geständig.
Nur wenige Tage später bringen Recherchen ausführliche Details über G. ans Licht: Der Treuhänder wollte im Jahr 1990 bereits seinen Erstgeborenen töten. Der damals 13-Jährige überlebte, behindert, G. sass seine 8-jährige Freiheitsstrafe ab, lernte Florians Mutter kennen, eine Prostituierte aus Brasilien, und wurde 2005 zum zweiten Mal Vater.
Ab 2007 beschäftigt der Sorgerechtsstreit der Eltern die Bonstetter Vormundschaftsbehörden. Florian lebt damals bei seinem Vater. Als 2008 publik wird, dass G. vorbestraft ist, platziert die Gemeinde den Dreijährigen bei einer Pflegefamilie. Ein Jahr später wohnt der Knabe bereits wieder bei G.
Der Grund für den Sinneswandel: Gustav G. wird von seiner Therapeutin in einem Bericht als «nicht gefährdend» eingestuft, begleitende Massnahmen werden nicht empfohlen. In einem späteren Gutachten des Forensischen Instituts heisst es, die Behörde sei dem Vater kritiklos zu nahe gestanden. Er sei als das geringere Risiko als Florians Mutter wahrgenommen worden.
An jenem Freitag im März 2010 nimmt der schwelende Streit um Florian ein tragisches Ende, und die massive Kritik an den Vormundschaftsbehörden so richtig Fahrt auf. Weder wurde G. das Sorgerecht entzogen, als die Vorstrafe publik wurde, noch als sich der Halbbruder Florians mit einem Brief an die Gemeinde Bonstetten wandte, um vor seinem Vater zu warnen.
Deshalb war auch das Verdikt rasch geschrieben: «Das Versagen der Behörden im Fall Florian», titelte 20 Minuten Online, «Die Gemeinde hat alles falsch gemacht» der «Blick». Die entsprechende Klage der Mutter gegen zwei Gemeindeangestellte und die Therapeutin wurde jedoch durch alle Instanzen hindurch zurückgewiesen. Trotz der Vorgeschichte könne den Behörden keine Schuld zugewiesen werden, so das Urteil.
Konsequenzen hatte der Fall Bonstetten für die Behörden auf politischer Ebene: 2012 debattierte das Parlament über die Professionalisierung der Vormundschaftsbehörde, nicht nur, aber auch unter dem Einfluss des Falls. Die Kommission für Staat und Gemeinden stellte sich einstimmig hinter den Systemwechsel, 2013 wurden die KESB eingeführt.