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Justiz

Der künftig höchste Richter Yves Donzallaz tritt aus der SVP aus

Der künftig höchste Richter der Schweiz tritt aus der SVP aus

Yves Donzallaz wird voraussichtlich im Dezember vom Parlament zum Präsidenten des Bundesgerichts gewählt. Er wird der Erste sein, der keiner Partei angehört.
17.10.2022, 18:51
Andreas Maurer / ch media
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Bundesrichter Yves Donzallaz ist berühmt geworden, weil ihn seine Partei, die SVP, nicht mehr will. Zum Eklat kam es, nachdem er mit seiner Stimme bei einer öffentlichen Beratung den Ausschlag dafür gegeben hatte, dass die Schweiz die Daten von 40'000 UBS-Kunden nach Frankreich liefern darf. Die SVP griff ihn dafür persönlich an und warf ihm vor, die Interessen seiner Partei und des Landes zu verraten.

Portrait of Swiss federal judge Yves Donzallaz, taken at the federal court in Lausanne, Switzerland, on February 22, 2015. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Bundesrichter Yves Donzallaz portraitiert am 22. Feb ...
Yves Donzallaz will höchster Richter werden.Bild: KEYSTONE

Donzallaz entgegnete darauf, er fühle sich nur den Interessen des Rechts verpflichtet und mit keiner Partei verbunden. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi beschied ihm danach, wenn dem so sei, solle er die Partei verlassen. Die SVP könne die Verantwortung für seine Wahl nicht übernehmen und ihn nur unterstützen, falls er austrete. Doch Donzallaz blieb trotzig Mitglied der Unterwalliser SVP. So wurde er mit den Stimmen aller anderer Parteien im Amt bestätigt und zum Vizepräsidenten gewählt. Das war vor zwei Jahren.

Wie unabhängig ist die Justiz wirklich?

Der Fall Donzallaz führte zu einer Debatte über die Unabhängigkeit der Justiz. Es kamen Zweifel auf, ob die Gewaltenteilung wirklich funktioniert. Ist es noch zeitgemäss, dass ein Richter in einer Partei sein muss, um von dieser dann ins Amt gewählt zu werden? In der Abstimmung über die Justizinitiative sprach sich die Stimmbevölkerung allerdings für das heutige Wahlverfahren aus. Der Fall Donzallaz wurde auch als Beweis dafür gedeutet, dass das System funktioniere und Bundesrichter unabhängig von ihren Parteien Recht sprechen würden.

Nun steht Donzallaz' Wahl zum Bundesgerichtspräsidenten an. Wenige Wochen vorher hat der Bundesrichter jetzt den Austritt aus seiner Partei gegeben. Dies bestätigt das Bundesgericht.

Warum er jetzt den Austritt gibt

Donzallaz teilt auf Anfrage mit, er habe mit SVP-Präsident Marco Chiesa und Fraktionspräsident Aeschi eine Vereinbarung getroffen. Der Zweck davon sei, eine friedliche und konstruktive Zusammenarbeit während seiner Präsidentschaft zu erreichen. Dabei sei beschlossen worden, dass er aus der Partei austreten werde.

Donzallaz wollte zuerst jedoch seine Nomination durch das Plenum des Bundesgerichts abwarten. Die Kolleginnen und Kollegen informierte er dabei, dass er die SVP verlassen werde. Da die Nomination inzwischen erfolgt ist, habe er nun den Parteiaustritt gegeben. Für Donzallaz standen also wahltaktische Gründe im Vordergrund.

The End

Für alle Beteiligten endet die Affäre mit einem Happy End. Donzallaz kann seine Karriere ohne Parteikrach krönen. Die SVP kann einen Fall zu den Akten legen, mit dem nichts mehr zu gewinnen ist, und Anspruch auf einen neuen Sitz erheben. Und das Bundesgericht als Institution kann seine Unabhängigkeit zelebrieren. (aargauerzeitung.ch)

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50 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sansibar
17.10.2022 19:10registriert März 2014
„er fühle sich nur den Interessen des Rechts verpflichtet und mit keiner Partei verbunden“ - wenn sich das nur alle zu Herz nehmen würden…
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Aspirin
17.10.2022 20:08registriert Januar 2015
Wieder mal typisch. Ein „strammer Parteisoldat“ wird in eine verantwortungsvolle Stellung gewählt. Und wenn er dort macht, was die Stellung verlangt, und dies einmal nicht genehm ist, dann raus aus der Partei. Seltsames Demokratieverständnis. Gewaltenteilung gehört dazu!
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Pafeld
17.10.2022 20:32registriert August 2014
"... und Anspruch auf einen neuen Sitz erheben."

Und warum? Das Parlament ernennt noch immer die Bundesrichter, nicht die Parteien. Bei den Bundesrichtern ist der Parteienanspruch noch loser als bei den Bundesräten. Donzallaz wurde als SVP-naher Richter gewählt und bleibt das auch, solange er und die Mehrheit des Parlament das möchten. Aber jeden, der nicht 100% auf Parteilinie ist, rauszumobben, dass man dann Anspruch auf einen zusätzlichen Sitz für einen echten Parteisoldaten erheben kann, verkommt allmählich zur Saumode.
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