Sie laufen nachts durch die Quartierstrassen und checken, ob jemand vergessen hat, sein Auto abzuschliessen. Regelmässig werden sie fündig und entwenden bei dieser Gelegenheit Wertsachen aus den Fahrzeugen. Auffällig oft gehen die Straftaten auf das Konto von Asylbewerbern aus Maghreb-Staaten.
Die Herbstzeit, die erwiesenermassen besonders viele Diebe anlockt, hat kaum begonnen und doch sind die Zahlen im Kanton Aargau bereits erschreckend hoch: Belief sich die Anzahl Diebstähle aus und ab Autos im gesamten Jahr 2022 noch auf 498, ist sie zu Beginn Oktober für dieses Jahr bereits auf 1149 angestiegen. Und auch die gesamthafte Anzahl gemeldeter Einbrüche inklusive Einschleichdiebstahl (wenn nichts aufgebrochen werden muss) hat von 1796 letztes Jahr auf 2006 diesen Oktober zugenommen.
Der Aargau ist mit diesem Problem nicht alleine: Auch im Kanton Bern stellt die Polizei eine «deutliche Zunahme» der Einbruchdiebstähle in Personenwagen fest. Im Kanton Basel-Landschaft seien die Fallzahlen bei Diebstählen ab und aus Fahrzeugen gegenüber dem Vorjahr ebenfalls «signifikant angestiegen». Der Kanton Zürich möchte keine Angaben dazu machen, da die Kriminalitätsstatistik für dieses Jahr erst im Frühjahr 2024 herausgegeben wird. Die Kantonspolizei erinnert ihre Bevölkerung jedoch erst kürzlich daran, die Autos unbedingt abzuschliessen.
Anstrengungen zur Prävention unternimmt indessen auch der Kanton Aargau. Auf den sozialen Medien werden Videos von Dieben geteilt, die mittels Überwachungskamera aufgenommen wurden. Diese zeigen die Täter in flagranti, wie sie gerade überprüfen, ob ein Auto abgeschlossen ist. Ist das eine Auto kein Treffer, gehen sie zum nächsten, das an der Strasse steht.
@kantonspolizeiaargau Nächtliche Autoaufbrüche beschäftigen uns in letzter Zeit fast täglich. Entnehmen Sie bitte alle Wertgegenstände aus den Fahrzeugen, schliessen Sie diese konsequent ab und melden Sie uns verdächtige Feststellungen. #autoaufbrecher #einbruch #heschgwüsst #polizei #kapoag ♬ Originalton - Kantonspolizei Aargau
Bei der Sichtung dieses Videomaterials konnte die Kapo Aargau feststellen, dass die Täter bei dieser Gelegenheit oftmals auch gleich schauen, ob die Haus- oder Balkontüre abgeschlossen ist. Es gibt deshalb eine Korrelation zwischen Einschleichdiebstählen zu Hause und den Diebstählen aus unverschlossenen Autos.
«Eine Besonderheit dieser Tätergruppe ist, dass sie nur dort straffällig wird, wo die Hürden tief sind», sagt die Dienstchefin Kommunikation der Kapo Aargau, Corina Winkler. Ein Einbruch werde im Strafrecht anders gewichtet als das Einschleichen in Haus oder Auto, wenn dieses nicht abgeschlossen ist. «Nur bei etwa jedem fünften Diebstahl aus einem Auto wird eine Scheibe oder ähnliches zerstört.» Je nachdem, welche Hilfsmittel die Täterschaft hier zur Hand habe, könne dies relativ lange dauern. Und der dadurch entstehende Lärm würde ebenfalls das Risiko erhöhen, dabei erwischt zu werden.
Geklaut würden vor allem Kleingeld, teure Sonnenbrillen, Handys, Laptops, iPads oder Handtaschen. Ob das Auto dabei auf der Strasse steht oder im eigenen Autounterstand, spiele keine Rolle. Gerade Letzteres vermittle ein falsches Gefühl von Sicherheit, weil es nahe am Haus stehe, meint Winkler.
Die Täterschaft der Diebstähle aus Autos besteht zu einem grossen Teil aus jungen Männern aus den Maghreb-Staaten Algerien, Marokko oder Tunesien, die als Asylbewerber in der Schweiz weilen. Mit der letzten Zug- oder Busverbindung reisen die Täter an und nehmen am Morgen wieder den ersten Zug. Die Polizei weiss auch, dass es sich bei den überführten Männern um Mehrfachtäter handelt, die gleich für eine ganze Serie von Diebstählen verantwortlich sind.
Wieso genau diese Menschen Diebstähle begehen, erklärt der Soziologe Dirk Baier auf Anfrage wie folgt: «Personen ohne Schweizer Staatsangehörigkeit, insbesondere Personen des Asylbereichs, weisen eine höhere Kriminalitätsbereitschaft auf.» Dies lasse sich bereits seit vielen Jahren feststellen und habe damit zu tun, dass die hiesige Asylbevölkerung zu einem überproportional grossen Teil aus jungen Männern bestehe. Junge Männer – auch Schweizer – sind laut dem Experten öfters kriminell als alle anderen Altersgruppen.
Daneben spielen auch andere Faktoren eine Rolle. So stehen diese Männer möglicherweise unter Druck, trotz weniger finanzieller Mittel Geld nach Hause zu senden. «Zudem möchten die Asylsuchenden an den vielfältigen Möglichkeiten, die die Schweiz beispielsweise im Bereich der Freizeitgestaltung bietet, partizipieren – auch hierfür braucht es finanzielle Mittel», meint Baier. Dem gegenübergestellt werden gute Gelegenheiten für Diebstähle: «Die Menschen haben Geld oder Wertgegenstände zu Hause, in den Autos oder führen diese bei sich.» Gerade wenn nicht abgeschlossen wird, bietet sich ein günstiger Moment, um zu stehlen.
«Dadurch dass Asylsuchende meist keine feste Tagesstruktur haben, keiner festen Arbeit oder einer Ausbildung nachgehen, halten sie sich häufiger im öffentlichen Raum auf.» Das führe dazu, dass man eher feststelle, dass Autos unverschlossen herumstehen. «Bestimmte Kriminalitätsformen wie Diebstähle sind auch, aber nicht nur, abhängig von Gelegenheitsstrukturen.»
Der Experte stellt jedoch klar: Autodiebstähle lassen sich nicht direkt mit einer bestimmten Herkunft verbinden. «Genauso wenig wie es ‹Messermigranten› gibt – ein Begriff, der in Deutschland von der AfD erfunden wurde –, gibt es keine ‹Autoeinbruchs-Asylsuchende›.» Die grosse Mehrheit der Migranten trage keine Messer, genauso wie die grosse Mehrheit der Asylsuchenden aus Nordafrika nicht aus Autos klaue.
Dass es eine Häufung zu geben scheint, sei unter anderem damit zu erklären, dass eine Gruppe von Asylbewerbern entdeckt habe, dass Autodiebstähle einfach umzusetzen sind und sich lohnen, während dies in anderen Regionen der Schweiz kein Thema sei, sagt Dirk Baier. Die Forschung zeigt eine weitere Eigenheit dieser Tätergruppe auf: So habe man in Deutschland festgestellt, dass Asylsuchende aus nordafrikanischen Ländern zu den auffälligsten Gruppen im Bereich der Kriminalität gehörten, weil ihre Aussicht auf einen anerkannten Flüchtlingsstatus und einen dauerhaften Verbleib gering sind. «Das bedeutet, dass sie letztlich nichts mehr zu verlieren haben, was einige dazu motiviert, kriminell zu werden oder abzutauchen. Auch das kann für die Kriminalität dieser Gruppe in der Schweiz eine Rolle spielen.»
Bei Einbrüchen in Häuser und Wohnungen ist die Situation etwas komplexer und die Aufklärungsquote im Aargau tiefer als im Bereich der Diebstähle aus Autos. Diese Tätergruppe agiert oft in einer Bande, als Kriminaltouristen reisen sie in die Schweiz, begehen ein Delikt und reisen danach so schnell wie möglich wieder aus.
«Der Aargau scheint für Einbrüche deshalb attraktiv zu sein, weil er direkt an der Grenze liegt und man das Land schnell wieder verlassen kann», ordnet Winkler ein. Hinzu kommt, dass der Aargau gut an die Autobahn angeschlossen ist. «Wir stellen fest, dass die Einbrüche mehrheitlich entlang der Autobahnen verübt werden.»
Über Analysen versucht die Kantonspolizei Aargau herauszufinden, wo diese Delikte stattfinden. Dazu werden die Daten so schnell wie möglich erfasst und zu einer Karte zusammengefügt. «Wenn man weiss, wo viele Diebstähle begangen werden, kann man die Frequenz der Patrouillen im jeweiligen Gebiet erhöhen.» Aber auch die Bevölkerung muss mitdenken, um sich bestmöglich zu schützen und es den Dieben nicht einfach zu machen.
Danach wurde ein Nachbar und konnte den jungen Mann vertreiben. Er hat danach einfach in der nächsten Querstrasse weiter gemacht.
Resultat dieses Raubzugs in einer Nacht von ein und derselben Person (der Täter wurde inflagranti erwischt): 21 Autoscheiben aufgeschlagen und ein riesiger Sachschaden.
Der Täter: Ein zigfach vorbestrafter Marokkaner mit abgewiesen Asylantrag.