Coronavirus hin oder her: In den letzten zwei Wochen zogen tausend meist jüngere Demonstrierende an Frauenstreik- und BLM-Kundgebungen durch Schweizer Städte. Zwar lösen die illegalen Manifestationen wegen möglicher «Super Spreadern» Unbehagen aus. Die SVP sprach am Dienstag in einer kurzfristig einberufenen Medienkonferenz gar von «fahrlässiger Tötung», sollten die Corona-Fallzahlen wegen der Menschenaufläufe wieder ansteigen.
Was die zahlreichen Kundgebungen auch zeigen: Trotz Instagram & Co. sind Demos nach wie vor ein unverzichtbares Mittel, um unter den Nägel brennende Probleme auf die öffentliche Agenda zu bringen.
Mit der Wucht der Strasse gross geworden ist insbesondere die Klimastreik-Bewegung, die sich 2019 innert Monaten zur grössten Jugendbewegung seit Jahrzehnten gemausert hatte –und von Corona innert wenigen Wochen faktisch abgewürgt wurde.
Nun hecken die Klimastreikerinnen und Klimastreiker ihr grosses Comeback aus. «Wir planen, im Herbst ein nationales Grossprojekt mit Demonstrationen durchzuführen. Denn mit den Corona-Massnahmenpakten ist der Moment gekommen, um den ökologischen Wandel voranzutreiben», sagt die Aktivistin Lena Bühler zu watson.
Die Aktion soll – wenn es die Corona-Situation zulässt – rund ein Jahr nach einer der grössten Schweizer Demos aller Zeiten stattfinden. Zur Erinnerung: Am 28. September 2019 zogen je nach Quelle 60'000 bis 100'000 Menschen für mehr Klimaschutz durch die Bundesstadt.
In den letzten Monaten ist der Klimastreik weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Die Aktivistinnen haben sich auf strategische Arbeiten wie den Klimaaktionsplan konzentriert. Da stellt sich die Frage: Ist die Klimabewegung überhaupt noch in der Lage, erneut die Massen zu mobilisieren?
Der Politberater Mark Balsiger geht davon aus. Denn die Klima-Thematik sei genauso dringend wie vor der Corona-Krise. «Ich traue der Klimabewegung zu, dass sie wieder die gleiche Schlag- und Anziehungskraft wie vor Corona entwickelt. Auch weil die Klima-Aktivisten sehr gut organisiert sind», so der Kampagnenexperte weiter.
Trotz Corona gab es beim Klimastreik in den letzten Wochen in den Videokonferenzen intensive Diskussionen. Auch weil die Menschen einfach mehr Zeit hatten. «Es hat uns erstaunt, wie viele neue Leute während der Pandemie beim Klimastreik aktiv geworden sind. Die Bewegung ist diverser denn je», so Bühler. In den nächsten Wochen wollen sich die Aktivisten vertieft Gedanken machen, wie sie die Bewegung langfristig voranbringen können. «Dazu fahren wir für ein Sommerlager nach Engelberg. Das ist sicher inspirierend», so die Gymnasiastin.
Für viel Gesprächsstoff wird zweifellos das CO2-Gesetz sorgen, gegen das die SVP bereits das Referendum angekündigt hat. Auch der Klimastreik spricht in einer Mitteilung von einem «katastrophalen Gesetz» - wenn aus ganz anderen Gründen. Die beschlossenen Klima-Massnahmen wie die Flugticketabgabe gehen den Aktivisten viel zu wenig weit. «Der Frust bei uns ist sehr gross. Selbst die im Parlament gestellten Forderungen der Grünen gehen viel zu wenig weit, um die Klima-Katastrophe abwenden zu können», so Klimastreikerin Lena Bühler weiter.
Für Balsiger ist der Klima-Kompromiss ein gutes Anschauungsbeispiel, wie die Realpolitik in der Schweiz funktioniert. «Die Klimastreik-Leute sollten nun in den sauren Apfel beissen und das Gesetz nicht torpedieren. Es wäre der Bevölkerung schwierig vermittelbar, wenn der Klimastreik ausgerechnet mit der SVP eine unheilige Allianz eingeht.»
Welche Technologien sich dann durchsetzen, wird sich zeigen müssen. Ob E-Autos, Wasserstoff oder ganz etwas anderes: Innovation sollte nicht staatlich gesteuert werden. Es braucht Ideenwettbewerb!
Immer mehr Menschen realisieren, dass es so nicht weitergehen kann. Unsere Systeme (Wirtschaft, Gesundheit, Sozial etc.) beruhen allesamt auf einem Weltbild, welches so gar nicht mehr existiert.
Themen wie Digitalisierung, Überalterung, Nachhaltigkeit, Vermögensschere, Kinderlosigkeit, Patchwork Familie, Unverheiratet etc. werden allesamt kaum berücksichtigt...