Die Szenen sorgten schweizweit für Aufsehen: Am 8. Juli 2019 blockierten rund 100 Klimaaktivistinnen die Hauptsitze der Credit Suisse in Zürich und der UBS in Basel. Am Aeschenplatz versperrten die Demonstranten mit Ästen den Eingang, malten mit Kreide Parolen. Mit Sitzblockaden forderten sie den sofortigen Ausstieg der Schweizer Grossbanken aus klimaschädlichen, fossilen Energien. Die Polizei kannte aufgrund einer UBS-Anzeige kein Pardon, kesselte die Aktivisten nach Ablauf eines Ultimatums ein und führte sie ab.
sagt Aktivist Moritz (22) zu watson, der am Dienstag persönlich vor Gericht erscheinen wird. Die Klimastreiker fühlen sich ungerecht behandelt. «Wir haben friedlich auf die traurige Rolle der Banken in der Klimakrise aufmerksam gemacht und stehen nun vor Gericht, während UBS und CS ungestraft davonkommen», sagt der Deutsche, der im Dreiländereck wohnt.
Am Dienstag startet eine Serie von Gerichtsprozessen. Moritz muss sich mit weiteren Mitstreiterinnen für die UBS-Belagerung vor dem Strafgericht Basel verantworten. Gegen die Aktivisten hatte die Staatsanwaltschaft wie in Zürich Strafbefehle wegen Nötigung, Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung ausgesprochen. Die Strafen sind happig: Es wurden bedingte Freiheitsstrafen von 150 bis 170 Tagen oder Geldstrafen von bis zu 180 Tagessätzen zu 50 Franken verhängt. Dagegen rekurrieren die Betroffenen vor Gericht. «Das Strafmass ist völlig übertrieben. Ich erwarte einen Freispruch», führt Moritz aus.
Mit dem Protest wollen die Aktivisten auf die umstrittene Rolle der Banken in der Klimakrise aufmerksam machen. Laut Angaben des Collective Climate Justice haben die beiden Finanzinstitute seit dem Abschluss des Pariser Klimaabkommens 2015 97 Milliarden in Öl- und Kohlekonzerne investiert. Und torpedieren so Massnahmen gegen die Klimaerwärmung, die sich immer stärker akzentuiert.
skizziert Anwalt Andreas Noll, der mehrere Klimaaktivisten vor Gericht vertritt, die Verteidigungslinie. Es gehe auch um die Wahrung der Grundrechte, wie etwa das Recht auf freie Meinungsäusserung. «Der friedliche Protest war angesichts der Tragweite der Klimakrise absolut verhältnismässig.»
Auch das Bundesamt für Umwelt (Bafu) äusserte sich im Klimaverträglichkeitsbericht des Finanzplatzes kritisch zur Rolle der Banken. «Das heutige Investitionsverhalten unterstützt nicht nur erheblich die Kohle- und Erdölförderung, sogar noch deren weiteren Ausbau. Dies läuft den Klimazielen klar zuwider.»
Unter den in Basel festgenommenen Personen befanden sich auch Minderjährige aus dem Kanton Bern. Das zuständige Jugendgericht Bern hat das Verfahren bereits abgeschlossen. Die Jugendlichen wurden laut watson-Informationen freigesprochen. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig, da es ans Obergericht weitergezogen wurde.
Bereits jetzt ist aber klar, dass sich schon bald das Bundesgericht mit der Banken-Aktion der Klimaaktivsten beschäftigen wird. Zwar sprach das Kantonsgericht Waadt im September 2020 in zweiter Instanz 12 Klimaaktivisten schuldig, weil sie eine CS-Filiale in Lausanne besetzt hatten.
Die Klimaaktivisten ziehen den Fall aber ans Bundesgericht weiter, wie das Collective Climate Justice auf watson-Anfrage bestätigt.
Ihre Hoffnung: Ein Richter in Renens hatte die zwölf im Januar dieses Jahres erstinstanzlich freigesprochen, weil der Protest friedlich verlaufen sei. Das Verhalten der Aktivisten sei angesichts der drohenden Klimakatastrophe «notwendig und angemessen» gewesen, so damals die spektakuläre und hoch umstrittene Begründung. Weiter wurde in Genf im Oktober 2020 ein Klimaaktivist in zweiter Instanz freigesprochen, der eine CS-Filiale mit Farbe verschmiert hatte. Das Genfer Kantonsgericht erkannte den «rechtfertigenden Notstand» für die Aktion an. Auch über diesen Fall dürfte sich schon bald das Bundesgericht beugen.
Zur Belagerung der UBS-Filiale in Basel will sich die Grossbank auf watson-Anfrage nicht mehr äussern. In einer Stellungnahme wehrt sich die Bank gegen die Vorwürfe, klimaschädliche Investitionen zu fördern:
Für das Collective Climate Justice sind die Aussagen der UBS fadenscheinig. «Die UBS investiert nach wie vor ungehemmt Milliarden in fossile Energien», heisst es in einer Mitteilung.
Klimaaktivist Moritz gibt sich kämpferisch. Solange die Banken zu wenig gegen die Klimakrise machten, werde es weitere friedliche Aktionen geben.
Da es aber trotzdem eine Straftat ist, ist die Wortwahl "Betroffener" schon etwas irreführend. Der Zweck ist wichtig, das Recht zum Bruch des Gesetzes hat man trotzdem nicht. Die Aktivisten wussten von Anfang an, worauf sie sich eingelassen haben.
Von wo kommt immer diese Tendenz Leute zu bevormunden und zu nötigen?