Die Klima-Demonstrationen mit Zehntausenden Teilnehmern in den letzten Wochen und Monaten zeigen jetzt auch im Zürcher Kantonsrat Wirkung: Sowohl die SP als auch die GLP haben diese Woche jeweils ein Postulat eingereicht, mit dem sie die Ausrufung des Klimanotstands durch den Kanton Zürich verlangen.
Die GLP verbindet dies mit der Forderung, die Treibhausgasemissionen schnellstmöglich massiv zu reduzieren, wie sie in der Begründung ihres Vorstosses schreibt. Sie überlässt es dem Regierungsrat, aufzuzeigen, welche Massnahmen dazu voranzutreiben sind.
Die SP, die ihr Postulat kurz nach der GLP einreichte, nennt im Gegensatz zu den Grünliberalen konkrete Zahlen. Demnach müsste die Regierung eine Strategie erarbeiten und umsetzen, die dazu beiträgt, die CO2-Nettoemissionen schweizweit bis 2030, spätestens aber bis 2050 auf null zu senken. Dabei orientiere sich die SP am Pariser Klimaabkommen von 2015, das die Schweiz mitunterzeichnet hat, wie SP-Kantonsrat Markus Bärtschiger auf Anfrage sagt. Zudem soll die Regierung gemäss SP-Postulat mit anderen Regierungen sowohl in der Schweiz als auch international auf Massnahmen zur Senkung der Klimaerwärmung hinwirken.
Zwei fast gleiche Vorstösse zum gleichen Thema, eingereicht am gleichen Tag von SP und GLP, knapp vier Wochen vor den kantonalen Wahlen und einen Tag, bevor die Ex-Nationalrätin Chantal Galladé ihren Wechsel von der SP zur GLP bekannt gab: Der Wettbewerb um ökologische Themen ist derzeit gross. So gross, dass die Parteien offenbar lieber jeweils für sich werkeln, statt zusammenzuspannen.
Sonja Gehrig, Erstunterzeichnerin des GLP-Postulats, begründet den Alleingang damit, dass dringlicher Handlungsbedarf bestehe und die GLP derzeit federführend in Sachen Klimanotstand sei. In mehreren Kantonen habe sie entsprechende Vorstösse im Köcher. Jener in Basel-Stadt erwies sich kürzlich bereits als mehrheitsfähig. Daran lehne sich auch das nun im Zürcher Kantonsrat eingereichte GLP-Postulat an. Es sei darin bewusst der Regierung überlassen, welche der vorgeschlagenen oder eigenen Massnahmen sie prioritär in Angriff nehmen möchte, um mit einer beschleunigten Reduktion der CO2-Emissionen zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens beizutragen. Dies erhöhe die Chance auf eine Akzeptanz der Regierung und eine Mehrheit im Parlament, erklärt die Urdorferin.
Markus Bärtschiger, Mitunterzeichner des SP-Postulats, betont, dieses sei längst geschrieben gewesen, als die GLP ihres einreichte. Auf die Frage, warum die Mitte-links-Parteien keinen gemeinsamen Vorstoss lancierten, räumt er ein: «Natürlich ist der Wahlkampf bei jedem Politiker im Hinterkopf. Das muss man nicht wegdiskutieren. Wir fanden, es schadet nichts, wenn Vorstösse zum Klima-Notstand, zumal sie nicht den gleichen Wortlaut haben, doppelt eingereicht werden.» Schliesslich gehe es um ein äusserst wichtiges Thema, so der Schlieremer Kantonsrat und Stadtpräsident.
SP und GLP sind mit ihren Postulaten nicht allein: Auch die Zürcher Grünen taten sich kürzlich mit einer geballten Ladung klimapolitischer Vorstösse hervor. So forderte ihr Regierungsratskandidat Martin Neukom im Januar eine Änderung des kantonalen Energiegesetzes mit dem Ziel, den CO2-Ausstoss pro Kopf bis 2050 auf null zu senken. Der Vorstoss wurde im Rat noch nicht behandelt.
Ein Vorentscheid darüber, wie es mit den Klimanotstands-Vorstössen von SP und GLP weitergeht, steht bereits übernächsten Montag an: Dann entscheidet der Kantonsrat darüber, ob sie dringlich zu behandeln sind. Dazu wären 60 Stimmen im 180-köpfigen Parlament nötig. Diese dürfte das Mitte-links-Lager problemlos zusammenbringen.
Damit die Vorstösse für die Regierung zum verbindlichen Auftrag würden, bräuchte es jedoch eine Mehrheit der Stimmen. Und dabei käme es voraussichtlich auf die FDP an, deren nationale Parteileitung sich zuletzt betont umweltfreundlich gab.
Laut FDP-Kantonalparteipräsident Hans-Jakob Boesch wird der Freisinn die Klimanotstands-Postulate von SP und GLP voraussichtlich nicht unterstützen. Sie seien «reines Wahlkampfgetöse», so Boesch. «Die Linken und Grünen schlagen darin keine einzige konkrete Massnahme vor, wie man die Ziele des Pariser Abkommens erreichen könnte. Stattdessen überbieten sie sich mit immer radikaleren Zielen und fordern vom Regierungsrat, für sie Massnahmen auszuarbeiten», lautet sein Fazit.