Schweiz
Kommentar

Bundesanwalt Michael Lauber bleibt im Amt und ist trotzdem ein Verlierer

Bundesanwalt Michael Lauber, Mitte, sitzt auf der Tribuene des Nationalrats neben Ruedi Montanari, rechts, und Jacques Rayroud, stellvertretende Bundesanwaelte, waehrend der Herbstsession der Eidgenoe ...
Ein nachdenklicher Michael Lauber auf der Tribüne im Nationalratssaal. Bild: KEYSTONE
Kommentar

Michael Lauber bleibt im Amt und ist trotzdem ein Verlierer

Bundesanwalt Michael Lauber ist mit einem tiefblauen Auge davongekommen. Die Bundesversammlung hat ihn knapp wiedergewählt. Es sind keine günstigen Voraussetzungen für seine dritte Amtszeit.
25.09.2019, 12:2026.09.2019, 05:47
Mehr «Schweiz»

Lange sah es schlecht aus für Michael Lauber. Zu viele Aussetzer hat sich der Bundesanwalt in den letzten Monaten geleistet. Dazu gehört seine mysteriöse Gedächtnislücke, die er beim dritten «informellen» Treffen mit FIFA-Präsident Gianni Infantino geltend machte. Fragwürdig wirkten auch seine Angriffe auf die eigene Aufsichtsbehörde und deren Chef Hanspeter Uster.

Lauber hinterliess den Eindruck, er klammere sich mit aller Kraft an sein Amt und habe gleichzeitig die Bodenhaftung verloren. Die Gerichtskommission des Parlaments sprach sich gegen seine Wiederwahl für eine dritte Amtszeit aus. Die Bundesversammlung allerdings hielt sich am Mittwoch nicht an diese Empfehlung. Sie wählte Michael Lauber erneut, allerdings nur ganz knapp

Ein klarer Vertrauensbeweis sieht anders aus. «Egal wie es ausgeht, es gibt in dieser Angelegenheit nur Verlierer», meinte ein bürgerlicher Nationalrat, der Lauber seine Stimme verweigert hatte, vor der Bekanntgabe des Resultats. Bei einer Abwahl wäre der gebürtige Solothurner der dritte Bundesanwalt in Folge gewesen, der sein Amt unfreiwillig hätte abgeben müssen.

Furcht vor Imageschaden

Dieser Aspekt war einer der Gründe, warum Lauber bestätigt wurde. Einige Parlamentarier fürchteten den damit verbundenen Imageschaden für die Bundesanwaltschaft auch gegenüber dem Ausland. Sie stellten sich zurecht die Frage, ob sich überhaupt noch eine qualifizierte Persönlichkeit bereit erklärt hätte, auf diesem Schleudersitz Platz zu nehmen.

Wichtiger aber war das massive Lobbying von Laubers Umfeld und den Kantonen. So soll unter anderem die Zürcher SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr Parlamentarier telefonisch «bearbeitet» haben. Der Bundesanwalt habe die Zusammenarbeit mit den kantonalen Strafverfolgern erheblich verbessert, wurde argumentiert. Seine Kritiker verweisen darauf, dass die dafür nötigen Strukturen erst mit Laubers Amtsantritt vor acht Jahren geschaffen wurden.

Angst vor Lauber?

Schliesslich spielte auch Laubers Persönlichkeit eine Rolle. Der Bundesanwalt ist eine durchaus respekteinflössende Figur. Mit seiner Präsenz auf der Tribüne des Nationalratssaals samt Entourage habe er einigen Parlamentariern «Angst eingejagt», sagte ein Lauber-kritisches Mitglied des Nationalrats. Ausserdem zeigte er sich während den Hearings flexibel. In der Gerichtskommission war er uneinsichtig, während er vor der SP-Fraktion am Dienstag zugab, Fehler gemacht zu haben.

Michael Lauber gibt PK zum Fifa-Treffen

1 / 8
Michael Lauber gibt PK zum Fifa-Treffen
Bundesanwalt Michael Lauber will trotz des zunehmenden Drucks Bundesanwalt bleiben.
quelle: epa/keystone / peter klaunzer
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die Wahlempfehlung der SP dürfte ihm die knappe Mehrheit zur Wiederwahl verschafft war. Die Fronten in der Causa Lauber gingen durch sämtliche Fraktionen – ein weiteres Indiz dafür, wie sehr der Bundesanwalt polarisiert. Nun steigt er mit einem tiefblauen Auge in seine dritte Amtszeit. Handlungsbedarf besteht in verschiedenen Bereichen.

Umstrittenes Wahlverfahren

Das beginnt mit dem Wahlverfahren. Bis 2010 wurde der Bundesanwalt vom Bundesrat gewählt. Nach dem Debakel des damaligen Amtsinhabers Valentin Roschacher im Fall des Privatbankiers Oskar Holenweger wurde die Zuständigkeit der Bundesversammlung übertragen. Was die Legitimation des Bundesanwalts stärken sollte, führte zu einer heiklen Verpolitisierung des Amtes.

Michael Lauber wiederum ist keineswegs aus dem Schneider. Auf ihn lauern einige Stolpersteine. Die Aufsichtsbehörde hat ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet. Und das Bundesstrafgericht hat ihn wegen den «Geheimtreffen» mit Infantino in den FIFA-Verfahren für befangen erklärt. Lauber muss in den Ausstand treten, dabei besteht teilweise akuter Handlungsbedarf.

Drohende Verjährung

Das betrifft vor allem einen Fall in Zusammenhang mit der Vergabe der Fussball-Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland und eine dubiose Zahlung von zehn Millionen Franken, die vermutlich über dunkle Kanäle an den früheren FIFA-Topfunktionär Mohammed bin Hammam aus Katar gingen. Die Bundesanwaltschaft hat im August Anklage gegen den früheren FIFA-Generalsekretär Urs Linsi und drei Ex-Funktionäre des Deutschen Fussballbunds (DFB) erhoben.

A file picture dated 06 June 2000 of FIFA president Joseph Blatter during the awarding of the FIFA World Cup 2006 in Zurich, Switzerland. FIFA plans to investigate a report that Germany bribed officia ...
Die Vergabe der Fussball-WM 2006 an Deutschland hat ein juristisches Nachspiel.Bild: KEYSTONE

Die Zeit drängt, bis im nächsten April muss ein erstinstanzliches Urteil vorliegen, sonst ist der Fall verjährt. Es wäre eine weitere von zu vielen Pleiten, die sich die Bundesanwaltschaft in den letzten 25 Jahren geleistet hätte. Auch im Ausland würde man sich die Frage stellen, ob die Schweiz überhaupt fähig ist, grosse Fälle von Wirtschaftskriminalität juristisch zu bewältigen.

Michael Lauber darf eine dritte Amtszeit antreten. Ob er sie auch beenden wird, ist keineswegs sicher. Seine Legitimation ist beschädigt. Auch deshalb muss man sich fragen, ob seine Wiederwahl wirklich klug war und ein Ende mit Schrecken nicht die weniger schlechte Option gewesen wäre.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Sieben FIFA-Funktionäre wurden am 26. Mai 2015 in Zürich verhaftet
1 / 23
Sieben FIFA-Funktionäre wurden am 26. Mai 2015 in Zürich verhaftet
Jeffrey Webb.
quelle: epa/mti / epa files / szilard koszticsak
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
66 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Bivio
25.09.2019 13:06registriert März 2018
Also wenn ein BA sich nicht mehr an Treffen mit dem Chef der FIFA erinnert, gibt es m.M.n. nur 2 Erklärungen.
Entweder der Herr hat bereits starke Anzeichen von Demenz und sollte aus gesundheitlichen Gründen auf das Amt verzichten oder es ist eine reine Schutzbehauptung, welche Angeklagte vor Gericht nur allzu gerne benutzen.
In jedem Fall finde ich das Verhalten vom BA absolut charakterschwach und des Amtes nicht würdig.
Ebenfalls finde ich lächerlich, dass sich Parlamentarier von Entouragen einschüchtern lassen. Wie reagieren solche Politiker erst, wenn richtig Druck aufgebaut wird?
3657
Melden
Zum Kommentar
avatar
leu84
25.09.2019 13:12registriert Januar 2014
Nur wegen "Furcht wegen Imageschaden im Ausland" hat man ihn wiedergewählt?! Wer seinen Job für dieses Entgelt und Verantwortung nicht gut macht, der gehört nicht weiter beschäftigt. Auch unser schweizerische "Uhrwerk" ist trotz Perfektion nicht immer korrekt.
2545
Melden
Zum Kommentar
avatar
Wandervogel
25.09.2019 13:18registriert Juni 2019
''So soll unter anderem die Zürcher SP-Justizdirektorin Jacqueline Fehr Parlamentarier telefonisch «bearbeitet» haben.''

Ich hoffe doch sehr, dass dieser Satz der zürcher Stimmbevölkerung noch lange in Erinnerung bleiben wird. Eine absolute Frechheit ist das, was sich diese namhafte Politikerin die gegen alles und jeden mit der Moralkeule schwingt, in diesem Fall erlaubt. Wie lange dürfen solche Leute einfach weiterwursteln?
23815
Melden
Zum Kommentar
66
Sondiergrabungen im Munitionslager Mitholz abgeschlossen – Räumung 2033

Der Bund hat die Sondiergrabungen im Bahnstollen des ehemaligen Munitionslagers bei Mitholz im Berner Oberland abgeschlossen. Für den Einbau von Steinschlagschutzmassnahmen müssen ab Ende Juni elf Personen temporär ihre Häuser jeweils nachts verlassen.

Zur Story