Warum unsere Kommentarspalte weint: «Nazi-Hetzer-Pack» vs. «Gutmensch-Idioten»
Gestern hatte ich die Ehre, die Kommentare zur Schiesserei im islamisch-somalischen Kulturzentrum in Zürich freizuschalten. Bis vor der Pressekonferenz um 14 Uhr war nicht klar, wer der Mann war, der die drei Männer verletzte. Das Tatmotiv ist nach wie vor Gegenstand der Ermittlungen.
Und dennoch wussten lange davor einige User (und sogar Donald Trump) ganz genau, in welchen Kontext man diese schreckliche Tat zu stellen hat:
Die Kommentarspalten füllten sich erstmal mit Vorverurteilungen. Daraufhin empörten sich die sogenannten «Linken» über das «Nazi-Hetzer-SVP-Rassisten-Pack», woraufhin die sogenannten «Rechten» ihre «Gutmensch-Linksideologen-Vollidioten-Realitätsverweigerer»-Plattitüden losfeuerten.
2. Strengere Überwachung dieser Glaubensbrüder
3. Bei Auffälligkeiten gesetzeskonform ausschaffen.»
Ernsthaft?! Das ist doch keine Diskussion. Geht es hier irgendwem noch um Wahrheitsfindung oder nur darum, seine Weltsicht über ein tragisches Ereignis zu stülpen, damit sich ein rundum stimmiges Bild ergibt?
Wenn ihr ein stimmiges Bild wollt, dann schaut euch die Bilder von Claude Monet an.
Die richtige Welt ist nicht schwarz-weiss. Sie ist um einiges komplizierter. Und ja, es ist zuweilen frustrierend, sie nicht (mehr) in all ihren verschlungenen Zusammenhängen zu verstehen. Das heisst aber nicht, dass man sie Herunterbrechen soll auf die einfache Formel Gut versus Böse. Denn das ist nichts weiter als der Anfang der Ideologie und das Ende des Nachdenkens.
Wir sollten versuchen, uns ernsthaft und sachlich mit den Problemen unserer Gesellschaft zu beschäftigen. Dieses emotionsgeladene Getöse ist nicht hilfreich. Weder die übersensiblen Entrüstungsanfälle der «linken Seite», die bei jeder Äusserung politische Unkorrektheiten wittern, noch dieses elende Pauschalisieren der «rechten Seite».
Ihr geht damit den Leuten, die sich eine überlegte, mehrdimensionale Meinung bilden wollen, gehörig auf den Sack. Ihr zerstört jegliche Ansätze für eine ernsthafte Auseinandersetzung. Ihr tanzt den ewig gleichen, stinklangweiligen Reigen. Er ermüdet. Und ausser einseitigen Schuldzuweisungen bringt er rein gar nichts hervor.
Wir sollten dieses blöde Schema verlassen und wieder vernünftig miteinander reden. «Schlagt die Schlagwörter tot und findet eure eigene Sprache, eine, die ausserhalb dieser Nachrednerschaft steht!», würde Hugo Ball jetzt aus dem Grab brüllen. Aber leider hört ja keiner mehr zu.