Für viele Pendlerinnen und Pendler geht es nicht ohne: den Kaffee für unterwegs. Täglich werden Zehntausende Koffeingetränke an den Schweizer Bahnhöfen gekauft. Das mag den Aufweckkick am Morgen garantieren, doch der Effekt auf die Umwelt ist alles andere als positiv. Denn der Kaffee-Boom mit Einwegbechern aus Karton und Deckeln aus Plastik sorgt für einen riesigen Müllberg.
Das geht auch anders, glaubt das Zürcher Start-up CEBS mit seiner Marke Kooky, das erst Anfang Jahr von Torge Barkholtz und einem Geschäftspartner gegründet wurde und bereits die SBB von ihrer Idee überzeugen konnte. Die Idee ist die: Kunden kaufen ihren Kaffee oder Tee und erhalten ihn in einem Mehrwegbecher auf dem ein QR-Code verzeichnet ist. Im Preis enthalten ist eine Depotgebühr von einem Franken.
Ist der Kaffee getrunken, scannen die Kunden den Becher und werfen ihn in eine Kooky-Box, die sich mit einem Sensor öffnen lässt. Vom Depot werden 90 Rappen aufs Handyguthaben rückerstattet – 10 Rappen gehen an Kooky. Die Boxen werden täglich geleert, die Becher eingesammelt, an einem zentralen Ort gewaschen und an die Kaffee-Verkaufspartner zurückgebracht.
Am Zürcher Hauptbahnhof und am Bahnhof Basel stehen seit Anfang Juli knapp zwanzig solcher Kooky-Boxen, mehrheitlich nebst bestehenden Abfall- und Recycling-Stationen der SBB. Der Test läuft vorläufig bis Mitte Oktober. Namhafte Kaffeeverkäufer haben die Mehrwegbecher im Angebot: Die Valora-Tochterfirmen Brezelkönig, Superguud und Caffè Spettacolo sowie «Coop to go». «Unser Ziel ist es, eine flächendeckende Rückgabe-Infrastruktur in der Schweiz aufzubauen», sagt Torge Barkholtz. «Aufgrund der laufenden Gesprächen mit weiteren Partnerfirmen, lässt sich schon jetzt sagen, dass wir Ende Jahr mindestens 100 Boxen haben werden.»
Barkholtz sagt, dass für den Erfolg eine breite Abdeckung entscheidend sei. Eine konkrete Zielgrösse für die Boxenanzahl in den nächsten Jahren will Barkholtz aber nicht nennen. Möglicherweise auch, weil der Erfolg in der jüngeren Vergangenheit mit einem anderen Sharing-Economy-Geschäft ausgeblieben ist. So ist der 44-jährige Barkholtz kein Unbekannter in der hiesigen Start-up-Szene: Der gebürtige Flensburger war während zwei eineinhalb Schweiz-Chef der E-Trotinett-Verleihfirma Circ, die 2020 verkauft wurde und rund 60 Angestellte entlassen musste.
«Wir haben vor allem grössere Schweizer Städte mit grossem Take-Away-Angebot im Visier», sagt Barkholtz. Klar ist aber, dass es mehrere hundert solcher Boxen bräuchte, damit die Kooky-Idee schweizweit funktioniert. Denn wenn die Kaffeekonsumenten den Becher allzu weit mit sich tragen müssen, dürfte der Öko-Idealismus bei so manchen Personen schwinden, ganz nach dem Motto: Gerne grün, aber noch lieber praktisch. So bieten schon heute Firmen wie Starbucks, Migros oder Coop die Möglichkeit, einen eigenen Becher zu benutzen - inklusive Rabatt von bis zu 80 Rappen. Mit welcher Durchschlagskraft bleibt jedoch ihr Geheimnis. Eine Coop-Sprecherin spricht von einem zunehmenden Trend, Zahlen zum Eigenbecher-Anteil nennt sie aber nicht.
Bemerkenswert ist insofern, dass Barkholtz innert kurzer Zeit weitere bekannte Partner für sich hat gewinnen können, wie der Kooky-App zu entnehmen ist. Demnach gibt es die Becher testweise auch bei einer Filiale der aufstrebenden Zürcher Kaffeekette Vicafé, und die Rückgabebox auf einem Bürogelände der Zürcher Kantonalbank. In Basel ist die Pizzakette Vito und das Restaurant Lora mit an Bord, wie die «Basler Zeitung» kürzlich berichtete.
Bezüglich der finanziellen Potenz des Start-ups mit vier Angestellten, gibt sich Barkholtz bedeckt. Man habe eine erste Finanzierungsrunde erfolgreich abschliessen können. «Das gibt uns einen langen Atem.» Zahlen nennt er keine, auch nicht zu den Produktionskosten der Becher und Boxen, die in Deutschland hergestellt werden.
Doch wie viel ökologischer ist das Kooky-System tatsächlich? Auf der Homepage verweist das Start-up auf eine Studie des Bundesamtes für Umwelt. Demnach ist die Bilanz von Mehrweg- gegenüber den Einwegbechern ab 22 Wiederverwertungen besser. Laut Barkholtz lässt sich ein Kooky-Becher bis zu 500 Mal wiederverwerten. Künftig sollen die Partnerfirmen zudem ihr Logo auf den Bechern platzieren können.
Matthias Wüthrich, Zerowaste-Experte bei der Umweltorganisation Greenpeace Schweiz Schweiz begrüsst die Umstellung von Einweg- auf Mehrweg-Systeme und deshalb auch den Pilotversuch der SBB mit Kooky. Sehr positiv sei, dass sich das Angebot auf grosse Verkehrsknotenpunkte konzentriere und Partnerfirmen mit einem dichten Filialnetz. Denn die Handhabung müsse für die Konsumentinnen möglichst einfach sein. «Künftig sollte es möglich sein, dass ein Konsument etwas in Zürich kaufen und den Behälter zum Beispiel in Genf abgeben kann», sagt Wüthrich. Sofern das System allen Partnern offensteht und die Behörden involviert sind, würde der Greenpeace-Experte sogar ein Verkaufsverbot von Einwegbechern an SBB-Bahnhöfen befürworten. «Das wäre hilfreich.»
Kooky-Chef Barkholtz verweist denn auch auf das Anfang Juli in Kraft getretene EU-Gesetz. Demnach dürfen diverse Einweg-Artikel wie Besteck, Geschirr, Trinkhalme und Rühstäbchen aus Plastik EU-weit nicht mehr hergestellt werden. Für den Kooky-Chef ist klar: «Diese Entwicklung wird auch vor Einwegbechern und ihren Deckeln nicht Halt machen.»