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Wandertipp: Besuche diese 9 gigantischen Schweizer Steine

9 gigantische Schweizer Steine, die auf deinen Besuch warten

Die Pedra Fitta steht aufrecht auf einer Wiese ein gutes Stück unterhalb von Sent (GR) und wurde der Sage nach in alten Zeiten von Hexen umtanzt.Bild: georg aerni (foto im buch enthalten)
Der Schweizer Wanderpapst Thomas Widmer ist wieder herumgezogen. Dieses Mal den grossen Brocken unseres Landes hinterher.
27.04.2019, 19:0028.04.2019, 15:01
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Viele der Steine, die Thomas Widmer in seinem neuen Buch «Hundertundein Stein» vorstellt, mussten von Naturfreunden gerettet werden. Man wollte sie spalten, zerhacken und irgendwo einarbeiten. So aber blieben sie uns erhalten, mitsamt den seltenen Flechten und Moosen, die sie sanft bewuchern, ihren schillernden Farben, tiefen Furchen und Wunden, die ihre Jahrmillionen alte Geschichte erzählen.

Georg Aerni Steine
Der sogenannte Druidenstein in Morschach (SZ), den die schmelzenden Eismassen des Reussgletschers hierher brachten. Wie ein gestrandeter Riesenwal erhebt er sich majestätisch über die saftige Wiese der Grossegg.bild: georg aerni (foto im buch enthalten)

Die Gletscher der Eiszeit trugen die Findlinge an ihren heutigen Ort. Menhire wurden einst von Jungsteinzeitmenschen behauen, um sie ihren mächtigen Naturgöttern nachzuempfinden.

Und mit riesigen Megalithen baute man Kreise wie in Stonehenge. Am Morgen des Mittsommertags ging dann die Sonne direkt über dem Fersenstein auf und schickte ihre Strahlen in gerader Linie ins Innere dieser magischen Stätte.

Das Alignement von Clendy, die Steinreihe am Rand von Yverdon (VD), wird auch gerne etwas überrissen «Helvetisches Stonehenge» genannt.
Das Alignement von Clendy, die Steinreihe am Rand von Yverdon (VD), wird auch gerne etwas überrissen «Helvetisches Stonehenge» genannt.bild: georg aerni (foto im buch enthalten)

Die Menschen verehrten Steine für eine lange Zeit, bis Moses vom alttestamentarischen Gott den Befehl erhielt, die Kultsteine im biblischen Land Kanaan zu zerstören. Er war ein eifersüchtiger Gott und duldete neben sich keine Götzen. Seine Gebote galt es unbedingt einzuhalten, denn auch sie waren in Stein gemeisselt, in zwei schwere Tafeln, die das Volk Israel 40 Jahre lang in seiner mythischen Bundeslade durch die Wüste trug.

Ihre Magie haben Steine niemals eingebüsst – glaubt man nun an ihre heilende Wirkung, an eine geheimnisvoll in ihnen waltende Naturkraft, lauscht den Sagen, die die Menschen um sie herumgesponnen haben, oder bewundert man einfach nur ihre durch die Jahrhunderte gereifte Schönheit.

Thomas Widmer – Hundertundein Stein. Die grossen Brocken der Schweiz.
Wanderpast Widmer hat 101 Charakter-Steine unseres Landes besucht, die er in seinem neuen Buch vorstellt. Keltische Kultsteine, sagenumwobene Findlinge der Eiszeit, Römersäulen und Steinzeit-Megalithen erzählen darin ihre Geschichten.
Das handliche kleine Büchlein ist im Echtzeit-Verlag erschienen und hier erhältlich.

Der Chindlistein (AR)

Zwei Kilometer südöstlich von Heiden auf der Flur Raspla liegt dieser wundervoll geformte Brocken, von dem man sich im Appenzell eine Sage zu erzählen weiss.Bild: georg aerni (foto im buch enthalten)

Die Trollfrau Ida war eine elendiglich grobschlächtige Gestalt und die Leute, die mit ihr vor tausenden von Jahren durch das Appenzeller Vorderland stapften, mieden sie. Kein Mann wollte mit ihr zusammen sein.

Irgendwann ertrug Ida die Einsamkeit nicht mehr und so ging sie hinunter ins Dorf Reute, holte sich ein kleines Kind und verschleppte es in den Wald. Das entführte Mädchen aber hörte mit dem Weinen gar nicht mehr auf und so zog die Trollfrau ein weiteres Mal ins Dorf, um der Kleinen ein Geschwisterchen mitzubringen.

Der Zauberer Raspus war es, der dieser Ungerechtigkeit ein Ende setzte. Als Kröte getarnt, verzauberte er die kinderraubende Ida in den Stein, auf dem sie gerade sass. Die mittlerweile erwachsen gewordenen Frauen brachte er zu ihren Eltern zurück, doch diese wollten ihre Töchter nicht mehr haben, allzu sehr hatten sie das Trollgehabe ihrer Ziehmutter angenommen.

Die Rinnen auf dem Chindlistein, so erzählt man sich weiter, stammten von kinderlosen Frauen, die in der Hoffnung auf Fruchtbarkeit mit nacktem Hintern den Stein hinabrutschten.

Pierre Féline (VD)

Umtost vom Lärm der A1: Die Sphinx der Waadt.bild: thomas widmers 101stein-blog

In der Eiszeit wanderte dieser Stein aus der Gegend von Champoix mit dem Gletscher ins flache Hinterland des Genfersees. Dort blieb er liegen für die nächsten tausend Jahre, umringt von Blumen und umstanden von einem Wäldchen, in dem kühle Bäche plätscherten. Und vom nahe gelegenen Sumpfweiherlein hörte man die Frösche quaken.

Dann kam die Autobahn nach Crans-près-Céligny, mit ihren 410 Kilometern die längste der Schweiz. Die A1, die sich am Ufer des Genfersees Richtung Lausanne schlängelt, um den Westen mit dem Osten des Landes zu verbinden.

Heute steht der Stein auf einem ihrer Rastplätze. Die Autobahn macht dort eine leichte Biegung, um dem mächtigen Findling auszuweichen. Damals nämlich kannte Pierre Féline noch Menschen, die für ihn kämpften – und so durfte er bleiben, wo er war.

Nur besucht ihn kaum jemand mehr, es ist zu hässlich geworden um ihn her, die Bäche kanalisiert, das Weiherlein zugeschüttet und seine Frösche längst verstummt.

Der blaue Stein (VS)

Einmal im Jahr feiern die Visper den «Mannenmittwoch» mit einem Gedenkritual an ihrem blauen Stein, um an ihren siegreichen Kampf gegen die Savoyer zu erinnern. bild: thomas widmers 101stein-blog

1388 steht prominent auf diesem blauen Findling, der mitten in Visp auf einem kleinen Platz liegt und schon ganz abgewetzt ist von den vielen Gesässen, die sich über Jahrhunderte auf ihn draufgesetzt haben. Er erinnert an die Schlacht vom Mannenmittwoch, jenem Freiheitskampf, den die Walliser vor 631 Jahren erfolgreich gegen 3000 Savoyer ausgetragen haben.

Der Feind, der vor ihren Toren stand, war in der Überzahl, doch die Visper waren listig genug, eine dreitägige Bedenkfrist auszuhandeln. In dieser nun schwemmten sie ihre steilen Gässlein mit Wasser, das sich bald darauf in spiegelglattes Eis umformte. An die Radnaben ihrer Heuwagen brachten sie Sensen und Messer an, die Karren beluden sie mit schweren Steinen.

Das savoyische Ritterheer hatte sich indes zitternd vor Kälte in den Ställen und Scheuen unten an der Vispa verkrochen. Am dritten Morgen aber rauschte plötzlich eine wilde Horde Bauern an und steckte ihre Quartiere in Brand, woraufhin die Savoyer sich auf ihre Pferde schwangen und ins Dorf ritten. Dort aber glitt so mancher von ihnen mitsamt seinem Tier auf den eisigen Strassen aus. Und während sie verzweifelt Halt suchten, kamen von oben Steine auf sie zugerollt, angestossen von den Vispern, deren Füsse in rutschfesten Nagelschuhen steckten. Auch der blaue Stein – Hälenstein genannt, von «häl» (glitschig) – fegte den Hang hinunter und räumte vielleicht gar den einen oder anderen Savoyer aus dem Weg.

Der «erste Visper Hockeymatch», wie ihn die Visper heute noch lächelnd nennen, war gewonnen.

Glögglifels (BL)

Dieser Prachtskerl findet sich in der Gemeinde Nenzlingen im schönen Laufental, hoch oben an der Kante der Kalkwand zur Eggfluh. Bild: thomas widmers 101stein-blog

«Gang ewäg oder i ghei dir dr Glögglifels uf e Ranze» steht da geschrieben. Ein charmanter Willkommensgruss nach Basler Art. Darunter ist eine weisse Fratze eingemeisselt, mit einem roten Schminkmund. An der Seite prangen das Berner und das Basler Wappen, getrennt durch eine Linie.

Denn das Laufental war einst bernisch und gehört erst seit 1994 zum Kanton Basel-Landschaft, der seinerseits 1833 durch Loslösung von der Stadt Basel entstand.

Der Stein markiert einen einstigen Wegzoll zwischen den beiden Kantonen. An einem Seil baumelt ein Glöggli, das man zu läuten pflegte, um den Zöllner herbeizurufen. Freilich ist es nicht so alt wie diese Geschichte, es hängt da, damit der heutige Besucher die Vergangenheit des Grenzfelsens in seine Gegenwart bimmeln kann.

Pflugstein (ZH)

Von der S-Bahn-Haltestelle Winkel am Zürichsee sind es 25 Minuten zum Findling der Gemeinde Herrliberg, um den sich eine traurige Sage rankt.bild: thomas widmers 101stein-blog

Hartmut der Zauberer wachte eifersüchtig über seine schöne Tochter und als sich diese in einen Jüngling verliebte, verbot er ihr bei Todesstrafe, ihn wiederzusehen. Doch wie wehrlos war die Tochter gegen die feurigen Gefühle, die heiss in ihr hochloderten und sie zu verzehren drohten! Sähe sie ihn niemals mehr, so müsste sie doch sowieso tot darniedersinken aus Kummer und Gram.

Und so folgte sie dem Verlangen ihres Herzens. Doch Hartmut sah den Verrat in seinem Zauberspiegel, sah, wie die Tochter im vermeintlichen Schutze eines Rosenstrauchs in den Armen des Jünglings versank. Bebend vor Zorn rief er die Geister herbei, die einen so grässlich tobenden Sturm entfesselten, dass die Erde sich auftat und das Paar verschlang.

Über die Grabesstelle rückten die Geister einen mächtigen Stein. Doch verhindert dieser nicht, dass in manchen Nächten die Toten aufstehen und ihn unter Seufzern umwandeln, bis der Morgen graut.

Tellsockel (ZH)

Auf dem schönen Zürcher Lindenhof steht gleich neben der Freiluftschach-Anlage ein nackter Sockel.bild: thomas widmers 101stein-blog

Was ist ein Sockel ohne Statue? Im Grunde ein Nichts. Ein nackter, unansehnlicher und zweckamputierter Stein ohne Daseinsberechtigung. Und doch weiss dieser hier eine Geschichte zu erzählen, die Geschichte eines Verlusts.

Auf dem Lindenhof in Zürich, der von einem Hügel über die Limmat und das gegenüberliegende Ufer mit dem Niederdörfli herabschaut, legte man 1780 einen Lustgarten an, mit schönen Bäumen und Statuen, darunter auch eine unseres bärtigen Nationalhelden Wilhelm Tell, der, wie so oft, seine Armbrust auf der Schulter trägt, während sein Walterli sich an die starke, väterliche Hand klammert.

18 Jahre später fielen Napoleons Franzosen in die Schweiz ein und zwangen die Zürcher vor den Augen eben jenes Tells, der zu diesem Zwecke gar geschmückt wurde, auf die Helvetische Verfassung zu schwören. Welch Frevel an dem Mann, der doch für die Freiheit unseres kleinen Landes steht! Sicher hätte er die Augen verschlossen, wären sie nicht aus Stein.

Ein Unbekannter aber rettete ihn bald aus seiner unrühmlichen Lage, ein Franzosenhasser wohl, ein Bruder im revolutionären Geiste jenes Baslers, der auf dem Münsterplatz den Freiheitsbaum der Franzosen gefällt hatte. In einer düsteren Novembernacht im Jahre 1800 schleppte nun besagter Zürcher Dieb die Tell-Statue fort und hinterliess einzig diesen tristen, angemoosten Sockel aus Sandstein.

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23 Kommentare
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Gronk
27.04.2019 19:37registriert April 2019
Hier fehlt ganz klar der Teufelsstein in Göschenen...
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Trooper87
27.04.2019 19:25registriert Dezember 2016
Gäbte auch noch der Erdmannlistein?
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horst
27.04.2019 19:20registriert Dezember 2015
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