Frau oder Mann: In der Schweiz muss sich jede Person vor den Behörden einem der binären Geschlechter zuordnen. Für intergeschlechtliche oder non-binäre Menschen, die sich weder männlich noch weiblich fühlen, gibt es keine andere Möglichkeit. «Das führt zu einigen, sehr unangenehmen Alltagssituationen», sagt Sascha Rijkeboer.
Rijkeboer ist trans non-binär. Trans heisst, man identifiziert sich nicht mit dem bei Geburt zugeordneten Geschlecht und non-binär heisst, man fühlt sich weder männlich noch weiblich. Dass das von der Norm abweicht, merkt Rijkeboer besonders bei der Arbeit. «Ich arbeite in einer Bar und da sagen Gäste oft Sätze wie ‹Nein, ich habe schon bei ihr bestellt›, oder ‹sie macht das› und meinen damit mich». Wenn Rijkeboer dann sagt, «ich bin übrigens keine Frau», seien die Leute ganz verlegen. «Sie kommen dann noch gefühlt fünfmal zu mir an die Bar, um sich zu entschuldigen und ich weiss dann selber auch nicht recht, wie ich reagieren soll.»
Hinzu kämen die offensichtlichen Alltagsbereiche: Toiletten, Bestellformulare, Umkleidekabinen. Rijkeboer muss immer wieder nachfragen: Kann ich eine geschlechtsneutrale Anrede haben? Welche Toilette kann ich benutzen? Zum Teil seien die Möglichkeiten starr eingegrenzt: Im Personenstandsregister und entsprechend auch auf dem Pass oder der ID kann man nur «M» oder «F» angeben.
Was Rijkeboer aber vielmehr nervt, seien offensichtliche Schikanen: «Bei nicht amtlichen Dokumenten wäre es kein grosser Aufwand, unter Geschlechtsangabe ein X eintragen oder das Feld leer lassen zu können. Wenn man sich da querstellt, grenzt das für mich an Transphobie.»
Seit gut sechs Jahren, seit dem 23. Lebensjahr, identifiziert sich Rijkeboer als trans non-binär. Heute könne Rijkeboer die Ausgrenzungen oft auch mit Humor nehmen. «Wenn ich online etwas bestelle und ein Geschlecht angeben muss, gebe ich ins Feld für Firmen ‹Weder Frau noch› ein, klicke dann ‹Herr› an und schreibe meinen Namen: ‹Weder Frau noch Herr Sascha Rijkeboer›.»
Oft sagt Rijkeboer aber auch einfach nichts. «Es gibt leider nicht immer den Raum für diese Diskussion.» Es sei auch nachvollziehbar: Unsere Gesellschaft sei heteronormativ und wir könnten gar nicht anders, als Menschen als weiblich oder männlich zu lesen. Davon sieht sich Rijkeboer selber auch nicht ausgenommen. «Mir passiert das logischerweise auch, weil ich entsprechend sozialisiert wurde. Aber ich würde mir wünschen, dass man für Leute, die man nicht kennt, nicht pauschal ein Pronomen verwendet. Oder zumindest, wenn sich die Person wehrt, nicht noch ewig weiter darauf anspricht.»
Es gibt immer mehr Länder, die eine Alternative zu den binären Geschlechtern rechtlich ermöglichen. So hat in den USA letzte Woche zum ersten Mal eine Person einen Reisepass mit neutraler Geschlechtsbezeichnung erhalten. Anstelle von «male» oder «female» steht ein «X». Weiter anerkennen auch Kanada, Island, Neuseeland, Niederlande, Spanien oder Dänemark ein unbestimmtes Geschlecht im Pass.
Auch in der Schweiz laufen vermehrt Diskussionen zum Thema an. Aktuell liegt ein Fall beim Bundesgericht, der hierzulande für einen anderen Tonfall sorgen könnte. Ende März dieses Jahres verdonnerte das Obergericht Aargau den Kanton dazu, einen im Ausland gestrichenen Geschlechtseintrag anzuerkennen.
Gegen diesen Entscheid legte die Bundesverwaltung Beschwerde ein. Das Transgender Network Switzerland (TGNS) will nun Geld sammeln, um die non-binäre Person beim Gerichtsverfahren zu unterstützen. Sie seien bereit, den Fall bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, teilte das TGNS am Freitag mit. «Unser grösstes Anliegen ist, dass non-binäre Menschen anerkannt werden. Heute sind sie für den Staat nicht existent», sagt Alecs Recher von TGNS.
Die optimale Lösung? «Gemäss einer Umfrage von uns unter nicht binären Menschen in der Schweiz hätten die meisten am liebsten gar keinen Geschlechtereintrag und wenn einer, dann ein ‹X›», so Recher. Das würde allerdings einige Gesetzesänderungen verlangen. Die Kritik des administrativen Rattenschwanzes davon lässt Recher nicht gelten. «Gesetze werden immer wieder geändert, das ist die Aufgabe des Parlaments.»
Dieser Ansicht ist auch die Nationale Ethikkommission. Letztes Jahr hat sie eine entsprechende Stellungnahme publiziert, in der sie eine dritte Geschlechtsoption empfiehlt. Sie schreibt, dass die heutige Regelung in der Schweiz die Vielfalt von Geschlechtsidentitäten nicht abbilden würde. Einiges früher mit einer ähnlichen Kritik war der St.Galler Rechtsprofessor Thomas Geiser. In einem Gastkommentar der NZZ schrieb er: «Es besteht kein vernünftiger Grund, warum eine Rechtsordnung zwischen Mann und Frau unterscheidet. Die wichtigen Unterscheidungskriterien sind andere, wie beispielsweise Schwangerschaft oder nicht Schwangerschaft.»
Gar kein Geschlecht mehr zu verwenden, fände auch Sascha Rijkeboer ideal. Nur berge es eine Gefahr: «Wenn wir die Geschlechter weglassen, könnte man viele sexistische Probleme nicht mehr benennen.» Bezeichnende Fragen, wie «Wie viel weniger Professorinnen gibt es an Unis», blieben unbeantwortet. Rijkeboer findet: «Diesbezüglich ist es sehr wichtig, dass wir den Personenstand beibehalten.»
Im Parlament wollen Politikerinnen und Politiker vom linken Spektrum ein drittes Geschlecht im Personenstandsregister einführen. Dafür gelte es einige Fragen zu klären, schreibt Beat Flach von der GLP in seinem Vorstoss: Welche Gesetze müssten geänderten werden und welche neuen Probleme könnten sich stellen? Der Bundesrat ist dem Vorschlag grundsätzlich positiv gesinnt und bereit, diese Fragen zu prüfen, sagt Justizministerin Karin Keller-Sutter in ihrer Antwort. Doch das grosse Wortgefecht dürfte noch kommen. «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die politische Diskussion in diesen Fragen noch nicht ausgereift ist», so Sutter.
Sascha Rijkeboer freut sich, dass auf politischer Ebene Diskussionen über ein drittes, neutrales Geschlecht beginnen. «Ich finde es wichtig, dass wir alle Menschen repräsentieren können.» Gleichzeitig rechnet Rijkeboer mit einem Bullshitbingo: «Das ist leider eine Begleiterscheinung, in der Schweiz erhalten so unkonstruktive Gegenstimmen häufig viel Platz.»
Also come on wegen solchen Dingen Krawall machen nun ja… auch dieser Mensch (Mensch ist maskulin ist das nun auch schon transphobie?) hat von Geburt auf ein Geschlechtsteil, da dürfte die Toilettenwahl relativ einfach ausfallen? Da spielts dann doch auch keine Rolle wie man sich nun fühlt?
Respektieren und Anerkennen gerne, aber eine dritte Toilette zur Verfügung stellen? Echt jetzt?