Einmal Duschen, einmal die Haare waschen und schon strömen hunderttausende Plastikteilchen in den Abfluss. Die nächste Ladung Kunststoff streichen wir uns beim Wimperntuschen oder mit der Sonnencreme auf. Und tragen sie dann den ganzen Tag im Gesicht. Eine neue Studie zeigt nun, wie verbreitet Plastik in Kosmetikprodukten ist.
Meeresvögel, Waale oder Delphine mit einem Bauch voller Plastikmüll oder riesige Plastikansammlungen mitten im Meer: Bilder wie diese hat heute jeder schon gesehen. Doch es gibt auch Kunststoffe, die von Auge kaum sichtbar sind: Mikroplastik und Plastik in flüssiger Form.
Beide sind für die Kosmetikindustrie ein Segen. Denn damit werden Wimpern intensiver, Foundation bleibt bis zu 24 Stunden auf der Haut und Lippenstifte sind kussecht. Ausserdem sind die Stoffe billig in der Herstellung und lösen keine Allergien oder Irritationen aus. Das Problem dabei: Plastik schadet Umwelt, Ökosystemen und der Tierwelt.
Die Internetplattform Codecheck (warnt per App vor heiklen Inhaltsstoffen) hat 130’000 Lippenstifte und Co. unter die Lupe genommen, die zwischen 2017 und 2019 im deutschsprachigen Raum verkauft wurden. Ihr Fazit: In 29 Prozent der Produkte, also fast in jedem dritten Kosmetikartikel, stecken problematische Stoffe.
Besonders Lippenstifte seien geheime «Mikroplastik-Bomben»: Jeder vierte analysierte Lippenstift enthielt festen Miniplastik. Es könne deshalb davon ausgegangen werden, dass viele Frauen regelmässig unbewusst Kunststoff «essen», schlussfolgern die Autoren.
Von den analysierten Foundations, Mascaras, Lidschatten und Rouges enthielt rund jedes fünfte Produkt Plastikpartikel.
Gute Neuigkeiten gibt es aber auch: Vor ein paar Jahren hatte es noch in weit mehr Peelings Mikroplastik als heute.
Dafür ist Flüssig-Plastik weit verbreitet. Bei der täglichen Pflegeroutine hüllt man sich je nach Produkteauswahl regelrecht in wachs- oder gelartigen Kunststoff ein: Jede dritte Gesichtscreme enthält sogenannte Polymere.
Bei den Haarstyling-Artikeln ist es sogar jedes zweite Produkt. Besonders beliebt sind dabei Silikone. Diese Stoffe verdicken die Haare, sorgen dafür, dass sie weicher sind oder die Frisur hält. Der Rest davon fliesst ins Abwasser.
Über das Baden, Duschen oder beim Abschminken mit Seife werden grosse Mengen an Mikro- und Flüssigplastik ins Abwasser gespült. Bei einmal Duschen sind es laut «Konsumentenschutz.ch» etwa 100’000 Partikel.
Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) wies Mikroplastik in Schweizer Seen und in der Rhone nach. Der Fluss spüle täglich rund 10 Kilogramm nach Frankreich. Dort werde das Meer verschmutzt, schreibt das Bafu.
Meeres-, Seebewohner und Landtiere nehmen die winzigen Partikel auf. Das Plastik gelangt dann über die Nahrungskette in unsere Mägen. Laut Berechnungen der australischen University of Newcastle konsumiert jeder Mensch im Durchschnitt pro Woche so unbewusst bis zu 5 Gramm Plastik – das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte.
Ob das der Gesundheit schadet oder nicht, ist umstritten. Es gibt noch keine Langzeitstudien zum Thema. Unappetitlich ist es auf jeden Fall.
Verschiedene Hersteller haben angekündigt, auf Mikroplastik zu verzichten oder ihn zu reduzieren – oder tun dies bereits. Viele weichen aber auf flüssige, wachs- und gelartige Kunststoffe aus.
SRF-«Kassensturz» wollte bereits 2016 von den Herstellern wissen, warum sie nicht auch auf die anderen Formen von Plastik verzichten. Die Antwort war überall dieselbe: Nach heutigem Wissenstand würden die flüssigen Plastikbestandteile keine Gefahr für die Umwelt darstellen. Ein Verzicht sei somit nicht nötig.
Mehrere Länder wie Grossbritannien, Neuseeland oder Schweden haben ein Verbot von Mikroplastik erlassen. Auch die EU ergriff Massnahmen zur Reduktion von Mikroplastik.
Hierzulande hat der Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli versucht, ein Mikroplastik-Verbot zu erwirken – ohne Erfolg. Der Bundesrat stuft die Gefahr als vergleichsweise gering ein und sieht bisher keinen Handlungsbedarf.
Und was ist denn der grosse Nutzen von Mikroplastik? Ausser ein par Rappen, die der Hersteller pro Döschen spart?
Es sollte einen Gefahr/Nutzen-Koeffizienten geben.
Nicht mal bei so einfach zu lösenden Problemen kann sich unser mutloser Bundesrat gegen die Lobbyisten durchsetzen - oberschwach!