Schweiz
Leben

Weihnachtsmarktverkäufer packt aus: Preise selbst für Schweizer zu hoch

Weihnachtsmarkt
Beleuchtung und wenig Platz: So kennt man die Weihnachtsmärkte.symbolbild
Was ich wirklich denke

«Alle müssen superreich sein» – ein Weihnachtsmarktverkäufer packt aus

Juanpa arbeitet nicht zum ersten Mal an einem Weihnachtsmarkt. Er findet, die Preise seien sogar für Schweizer Verhältnisse zu hoch – auch an seinem Verkaufsstand.
11.12.2023, 11:17
Mehr «Schweiz»
Was ist «Was ich wirklich denke»?
Wir gestehen: Bei der Idee für «Was ich wirklich denke» haben wir uns schamlos beim «Guardian»-Blog «What I'm really thinking» bedient. Wir mussten fast, denn die Idee dahinter passt wie die Faust aufs Auge auf unseren alten Claim «news unfucked». Es geht darum, Menschen, Experten, Betroffene anonym zu einem Thema zu Wort kommen zu lassen, ohne dass diese dabei Repressalien befürchten müssen. Roh und ungefiltert. Und wenn du dich selber als Betroffener zu einem bestimmten Thema äussern willst, dann melde dich bitte unter wasichdenke@watson.ch.

Die Namen unserer Gesprächspartner sind frei erfunden.
  • Juanpa ist 30 Jahre alt und arbeitet an einem Weihnachtsmarkt in der Schweiz.
  • Er verkauft Spätzli an seinem Verkaufsstand.
  • Für ihn sind die Preise am Weihnachtsmarkt übertrieben.
  • Sogar seine eigenen Produkte würde er privat kein zweites Mal kaufen.

Der Süden Spaniens ist meine Heimat. In der Schweiz bin ich nur, um zu arbeiten und Geld zu verdienen, damit ich mir im Sommer das Reisen leisten kann. Das mache ich jetzt schon ein paar Jahre so und für mich geht die Rechnung auf.

Schliesslich bin ich noch jung: Diese Woche wurde ich 30 Jahre alt. Irgendwie fühlt es sich komisch an, das laut auszusprechen. Wie auch immer – ich verbringe gerne meine Zeit hier. Denn es gibt viele Seiten, die ich an der Schweiz liebe.

Ich mag vor allem die Weihnachtsstimmung im Land. Geschmückte Tannenbäume und die schönste Weihnachtsbeleuchtung machen sie aus. Sobald der Schnee kommt, wird es so richtig magisch. Aus Südspanien kenne ich das nicht.

Dort versuchen wir zwar, die Weihnachtsstimmung zu imitieren. So wie es in der Schweiz ist, gelingt uns das aber nie. Auch darum arbeite ich gerne an einem Weihnachtsmarkt. Seit vergangenem Jahr verdiene ich zudem endlich etwas mehr.

Update
Diese Story ist bereits auf watson veröffentlicht worden. Aus aktuellem Anlass haben wir uns entschieden, sie zu aktualisieren und erneut zu publizieren.

«Kein zweites Mal»

Davor hatte ich netto 20 Franken pro Stunde. Genug, um im Sommer mit dem Rucksack durch die Welt zu reisen. Aber zu wenig, um die Schweiz so zu erleben, wie es viele Touristen und Einwohner machen.

Seit ich hier arbeite, habe ich sowieso das Gefühl, jeder muss superreich sein, um an einen Weihnachtsmarkt zu gehen. Jetzt mal ehrlich, verdient ihr alle 10’000 Franken? Als ich letzten Sommer in Kolumbien war, traf ich eine junge Schweizerin. Sie verdiente etwas über 10’000 Franken. Sie erzählte mir von ihrem Lohn, als wäre es nichts Spezielles. Aber für mich war diese Zahl eine Wucht.

Hier in der Schweiz scheint das normal zu sein. Vielleicht ist das auch besser so, denn das Leben ist unglaublich teuer. Wer an meinem Verkaufsstand Essen bestellt und dazu etwas trinkt, der zahlt schnell rund 23 Franken. Für einen Spätzli-Imbiss mit einem Becher Getränk!

Ich würde dieses Geld kein zweites Mal ausgeben für das, was man erhält. Dasselbe beim Glühwein. Dieser kostet teils sieben bis acht Franken. Für 2 Deziliter! Bei einem Bier bekommt man für denselben Preis mindestens einen halben Liter.

Stimmung statt Luxus-Glühwein

Wenn ich Schweizer wäre und auch 10’000 Franken verdiente, würde das natürlich anders aussehen. Dann würde ich sogar Trinkgeld geben, was bei meinem Stand aber fast niemand macht. In Spanien geben wir immer gerne noch etwas mit – egal ob beim Take-away oder im Restaurant.

Okay, die Kosten in der Schweiz mit denen in Spanien zu vergleichen, macht keinen Sinn. Aber kann sich auch eine normale Familie mehrmals einen Besuch an einem Weihnachtsmarkt leisten? Anders sieht das in Deutschland aus. Ich war in Freiburg an einem Markt und dort kann man fast mit jedem Portemonnaie eine schöne Zeit verbringen.

Trotzdem finde ich, jeder sollte einmal an einen Weihnachtsmarkt gehen – auch in der Schweiz. Wer nicht superreich ist, kann selbst etwas zu essen mitnehmen. Schliesslich geht es mehr um die Atmosphäre und das weihnachtliche Gefühl, als darum, unzählige Luxus-Glühweine zu trinken.

(aufgezeichnet von watson.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Diese 7 Weihnachtsmärkte sind einen Besuch wert
1 / 9
Diese 7 Weihnachtsmärkte sind einen Besuch wert
Kambly Weihnachtsmarkt:
Rund 30 lichtvoll geschmückte Holzhüttchen bieten allerlei Weihnachtsleckereien sowie Geschenke für unter den Baum an. Für ein besonders winterliches Feeling sorgt das Lagerfeuer auf dem Liechtli-Weg entlang der Illfis.
Datum: 26. bis 28. November und 3. bis 5. Dezember 2021
Standort: Altstadt Trubschachen, Emmental, Bern

Auf Facebook teilenAuf X teilen
Frust und Groll am Weihnachtsmarkt? «Glühwein doch!»
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
231 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Loreley
30.11.2022 10:00registriert Mai 2020
Bitte kein weltweites Gerücht verbreiten. Längst nicht alle in der Schweiz haben einen Lohn von 10 K 🙈
66010
Melden
Zum Kommentar
avatar
Insalta_mista-
30.11.2022 10:09registriert März 2014
Lieber Juanpa
Ich verdiene 4000.- und gehe schon seit einigen Jahren nicht mehr auf Weihnachtsmärkte etc.
Es ist einfach alles zu teuer!
4085
Melden
Zum Kommentar
avatar
Neruda
30.11.2022 09:59registriert September 2016
Ich als Schweizer frage mich oft dasselbe 😅
Kleinigkeiten kosten schon 20.- und offenbar findet man trotzdem noch genügend Käufer. Ich verstehe es nicht, auch wenn ich bereit bin für Qualität mehr auszugeben. Oft gibt es da einfach einen Schweiz-Zuschlag der nichts mit den Produktionskosten zu tun hat. Klar, bei 10'000 Fr. Lohn kann das einem egal sein. Aber das ist verdammt viel Geld und ich finde es nicht fair, werden offenbar fast alle Freizeitbeschäftigungen in diesem Land solchen Löhnen angepasst. Die Leute die dort arbeiten können sich dies dann meist auch nicht einmal leisten.
3287
Melden
Zum Kommentar
231
Der «kalte Mond» im Dezember – und 12 weitere, spannende (Voll)mond-Fakten
Der nächste Vollmond tritt am Sonntag, 15. Dezember 2024 um 10:00 Uhr ein. Er wird auch der kalte Mond genannt. Wieso das so ist – und was du sonst schon immer über den Voll(mond) wissen wolltest, erfährst du hier.

Der Mond beeinflusst die Erde auf verschiedene Arten, die bekannteste ist sein Einfluss auf die irdischen Gezeiten. Das ist aber noch längst nicht alles: Wusstest du zum Beispiel, dass unsere Tage ohne Mond kürzer wären?

Zur Story