
Er wird nicht geschossen: Ein Wolf im Wildnispark Langenberg. Bild: KEYSTONE
Liveticker
Heute präsentieren die Kantone Graubünden und Wallis ihre Bilanzen zur proaktiven Wolfsregulation. Wir berichten live von den Medienkonferenzen.
05.02.2024, 10:2205.02.2024, 14:18
Darum geht's
Während der am 31. Januar zu Ende gehenden zweimonatigen Jagdverordnung sind rund 50 Wölfe getötet und mindestens zwei ganze Rudel ausgelöscht worden. Im Wallis wurden im Rahmen der vom Bund genehmigten präventiven Jagd seit dem 1. Dezember 27 Wölfe geschossen. Das Ziel von 34 getöteten Wölfen wurde damit beinahe erreicht. Mehrere Umweltschutzorganisationen hatten letzte Woche diese Tötungen von Wölfen als »Schnellschüsse« kritisiert.
Die Wolfsjagd zu erlauben, bereue er trotz rückläufiger Risszahlen beim Nutzvieh nicht, sagte Bundesrat Albert Rösti, am 25. Januar in einem Tamedia-Interview. «Die Zahlen sind zwar leicht gesunken, aber für die Berglandwirtschaft ist es kein Zustand, wenn sie trotz zum Teil massiver Schutzmassnahmen Opfer zu beklagen haben.» Er müsse die Bevölkerung schützen, so Rösti. «Wer so verklärt ist, dass er es nicht versteht, muss das nun einfach ertragen.»
Der Bundesrat hatte am 1. November den ersten Teil der Änderung des Jagdgesetzes befristet in Kraft gesetzt. Damit erhielten die Kantone die Möglichkeit, bereits im Dezember und Januar «präventive Regulierungsabschüsse» vorzunehmen. Das heisst, die Wölfe durften abgeschossen werden, bevor sie Schaden angerichtet hatten.
Liveticker Kanton Wallis:
Die Medienkonferenz des Kantons Wallis zum Nachschauen:
Frédéric Favre zeigt sich zufrieden mit dieser ersten abgeschlossenen Abschussperiode. Man sei auf gutem Weg, aber es werde noch Jahre dauern.
Vergleich der toten Nutztiere über die letzten vier Jahre:
2020: 301
2021: 336
2022: 415
2023: 401
Man hatte dieses Jahr zwar mehr Angriffe als letztes Jahr, aber minim weniger tote Nutztiere. Man müsse aber immer die Gesamtsituation im Auge haben.
Wo es angebracht war, habe man auf Schäden reagiert. So etwa, wenn sie in nicht unschützbaren oder geschützten Situationen gerissen wurden. Im letzten Jahr seien vier Einzelabschüsse angeordnet worden, die auf einer bestimmten Anzahl toter Nutztiere basierten. Die Wölfe seien nach den Rissen jeweils im Schnitt innert 10 Tagen geschossen worden.
Der Verlauf der Schäden auf das ganze Jahr verteilt: Am Anfang des Jahres war es relativ ruhig, Ende April und Anfang Mai gehe es meistens los. Der Höhepunkt war im Juni mit über 50 Rissen in einer Woche. Über die Alpsaison gehe es ziemlich konstant hoch weiter bis die Tiere wieder auf den Heimweiden seien, wo sie besser geschützt werden können.
Die Wölfe verursachen nicht nur bei Wildtieren, sondern auch bei Nutztieren Schäden. Insgesamt wurden letztes Jahr 401 Nutztiere gerissen. Insgesamt sei es zu 150 Angriffen gekommen.
104 der 401 Tiere seien in einer geschützten Situation angegriffen worden, 142 in einer nicht schützbaren Situation und 155 Tiere in ungeschützter Situation, obwohl sie schützbar gewesen wären. Die Mehrheit der gerissenen Nutztiere (38 Prozent) hätte geschützt werden können.
Die Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere habe über 14500 Stunden in das Dossier für das Wolfmanagement hineingesteckt. Das beinhalte nicht nur das Monitoring, sondern auch die Rissaufnahmen auf der Alp, das Vorbereiten und Umsetzen der Abschüsse, sowie Medienanfragen. Letztes Jahr seien nochmals 3000 Stunden mehr als 2022 investiert worden. Und das alles bloss für eine Wildtierart. Doch auch die anderen beanspruchten viel Zeit.
Sven Wirthner von der Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere ergreift das Wort. Im vergangenen Jahr seien 71 Wölfe mittels DNA-Analysen identifiziert worden. 52 Individuen seien davon erstmals in der Schweiz nachgewiesen worden. Ende Jahr lebten von den 71 Wölfen noch 46. Die anderen seien bekannten Abgänge gewesen – entweder durch Abschüsse oder Fallwild.
Fédéric Favre, Staatsrat des Kanton Wallis, ergreift das Wort. Er betont, dass man bei Wolfsattacken unterscheiden müsse zwischen Nutztieren, die schützbar gewesen wären, aber ungeschützt waren und zwischen denjenigen, die gänzlich unschützbar sind.
Anwesend sind Sven Wirthner, Frédéric Favre und Nicolas Bourquin.
Liveticker Kanton Graubünden:
Die Medienkonferenz des Kantons Graubünden zum Nachschauen:
Man sei im Austausch mit den Fachkollegen im Wallis, antwortet Puorger. Der Kanton Wallis habe eine andere Zielsetzung gehabt. Auch die kantonalen Jagdsysteme seien anders. Man wisse auch von der Jagdplanung her, dass es immer regionale Unterschiede gebe, auch topografische. Man bleibe in Kontakt.
Die Pressekonferenz ist beendet.
Man habe je nach Rudel entschieden, was Sinn mache. Etwa beim Beverinrudel habe man nach dem letzten Abschuss keine Hinweise mehr auf Wolfspräsenz gesehen. Da habe man mit weniger Leuten gearbeitet. Beim Lenzerhornrudel seien bis zu 11 Wildhüterinnen und Wildhüter gleichzeitig im Einsatz gewesen.
Ja, es seien 435 Sonderjäger aktiv gewesen, so Puorger. Zudem seien 50 von 59 Wildhüterinnen und Wildhüter aktiv an der Jagd beteiligt gewesen.
Die Stunden seien noch nicht ausgewertet worden, so Puorger. Es sei vor allem nachts gearbeitet worden. Man habe auch Wildhüter aus anderen Regionen einbezogen.
Man sei bisher davon ausgegangen, dass der Bund sich an der Finanzierung beteilige, antwortet Maissen. Da es eine nationale Aufgabe sei. «Aufgrund der finanziellen Lage des Bundes wurde diese finanzielle Unterstützung nun verschoben, für das Jahr 2024 gibt es keine zusätzlichen Mittel des Bundes für diese zusätzliche Vollzugsaufgabe auf Kantonsebene». Deshalb habe die kantonale Regierung beschlossen, noch aus den eigenen Ressourcen fünf Wildhüterstellen zu schaffen. Es dürfte eine Daueraufgabe werden. 2025 werde dann die neue Programmvereinbarung mit dem Bund in Kraft treten. Maissen erwarte dann, dass sich der Bund an den Kosten beteiligen werde.
In der Gesamtsumme hätten 20 Wölfe erlegt werden können. 8 reaktiv vor Änderung des Jagdgesetzes, und je 6 reaktiv und proaktiv nach der Änderung.
Alle Abschüsse seien durch die kantonale Wildhut getätigt worden. Zwei Jungwolf-Abschüsse seien bis zum 31. März noch erlaubt. Zu Auswirkungen auf Bestand und Konflikte seien noch keine Prognosen möglich. Erst müssten noch erlegte Tiere identifiziert werden.
Die Fragerunde ist eröffnet
Zu den erzielten Abschüssen:

Rudelentnahmen waren nach der Beschwerde nur noch in zwei Rudeln vorgesehen. Bei beiden sei die komplette Rudelentahmen noch nicht gelungen. In einem seien 4 von 10 Wölfen (unter anderem vermutlich der Leitwolf), im anderen 2 von 6 Wölfen erlegt worden.
In Graubünden hat man bei problematischen Rudeln angesetzt: Für vier Rudel habe man eine Vollentnahme verfügt, bei weiteren vier eine Jungtierregulation.
«Bei einer Jungtierregulation wird versucht, das Rudel als solches bestehen zu lassen.» Das heisst, dass die Elterntiere nicht erlegt werden dürfen. Das stelle eine sehr schwierige Aufgabe dar. Im Sommer und Herbst liessen sich Grössenunterschiede noch gut erkennen, im Winter werde es bereits schwierig.
Am 1. Dezember sei der Ansatz grundsätzlich geändert worden zu einer proaktiven Regulation. Man schaue dabei nicht mehr das einzelne Rudel an, sondern betrachtet eine grosse räumliche Ebene. Die Schweiz ist in 5 Grossraubtiere Kompartment aufgeteilt. Man wolle in den 5 Gebieten eine sozialverträgliche Dichte erreichen.
Dies erreiche man durch den Abschuss von zwei Dritteln der Nutztiere. Diese müssen vorgängig keinen Schaden angerichtet haben. Ein ganzes Rudel kann erlegt werden, wenn es bereits Schaden angerichtet hat und wenn man nicht auf einen Lerneffekt abziele.
Arno Puorger, Abteilungsleiter Grossraubtiere, Amt für Jagd und Fischerei ergreift das Wort. Er spricht zunächst über den Wolfsbestand Ende November 2023. Insgesamt gab es 12 Rudel mit gesamthaft mindestens 90 Wölfen.
Schon vor der Änderung des Jagdgesetzes sei es zu reaktiven Regulierungen gekommen. Was ist der Unterschied zwischen dem alten System und dem neuen? Bei einer reaktiven Regulation handelt es sich um eine Einzelfallbeurteilung eines Rudels bezüglich des Verhaltens gegenüber Nutztieren oder gegenüber dem Menschen. Schaden oder Konflikt müsse bereits eingetreten sein. Der Kanton dürfe dann mit Bewilligung des BAFU eingreifen. Bei der reaktiven Regulation muss bereits ein Schaden oder Konflikt eingetreten sein. Die Massnahme, die man bisher habe treffen können, sei die Jungtierregulation. Das Ziel dabei sei, die Tiere scheuer zu machen. Seit 2021 sei es als Ausnahme auch erlaubt gewesen, ein Elterntier zu erlegen.
«Wir können mit dem Ergebnis in diesem ersten Pilotdurchgang zufrieden sein.» Der Einsatz für die Wildhüterinnen und Wildhüter sei hoch gewesen. Maissen bedankt sich auch bei den Jägerinnen und Jägern, die sie in den ersten Wochen unterstützt hätten. Nun gehe es darum, alles auszuwerten und zu schauen, was man für die nächste Regulationsperiode verbessern könne.
«Erst im Sommer werden wir dann sehen, wie sich die Regulation auf die Konflikte zwischen Wölfen und Nutztiere auswirken wird.»
Sie betont: «Wolfsregulation wird zu einer Daueraufgabe werden, wenn die Koexistenz zwischen Wolf und Mensch funktionieren soll.»
Um die gesteckten Ziele anzugehen, habe der Bund das Gesuch von der Entnahme von 44 Wölfen eingegeben. Ende November habe das BAFU dieses Gesuch bewillligt. Aufgrund der Beschwerde von mehreren Naturorganisationen musste das Gesetz nach wenigen Tagen wieder ausgesetzt werden. «13 bewilligte Entnahmen wurden dadurch blockiert, 31 Entnahmen blieben weiterhin möglich». Zwei Drittel der Abschussverfügungen hätten umgesetzt werden können. Das entspreche 20 Tieren.
Sie hatten drei Ziele ins Auge gefasst, so Maissen weiter:
1. Das Wachstum der Wolfspopulation stoppen.
2. Konflikte zwischen Wolf und Nutztiere reduzieren.
3. Wöfe scheuer machen.
Wie weit diese Ziele mit der ersten Regulationsperiode erreicht werden konnten, könne heute noch nicht beurteilt werden. Man müsse erst noch den nächsten Alpsommer und den Verlauf des Jahres abwarten.
Das Thema bewege und interessiere nach wie vor, so Maissen. Ziel sei es, dass die Wolfsregulation einst die Normalität sei. Man blicke auf zwei sehr intensive Monate zurück, die mit der Änderung des Jagdgesetzes begonnen habe. «Wir begrüssen die Stossrichtung des Bundes, für die wir uns auch seit Jahren eingesetzt haben». Die präventive Regulationsmöglichkeit des Wolfes entspreche auch dem übrigen Wildtiermanagement, wie etwas dem Steinwild so wie Steinböcken.
Es sprechen Dr. Camerlia Maissen, Regierungsrätin, Departement für Infrastruktur, Energie und Mobilität und Arno Puorger, Abteilungsleiter Grossraubtiere, Amt für Jagd und Fischerei.
(saw mit Material der Nachrichtenagentur sda)
Auge in Auge mit einem Wolf
1 / 6
Auge in Auge mit einem Wolf
Der «böse Blick»: Ein grosser männlicher Wolf merkt auf. Der Filmer ist unsichtbar versteckt und unter dem Wind, macht aber durch Imitation des Heulens auf sich aufmerksam. Die bersteinfarbene Iris der Wölfe war den Menschen so unheimlich, dass Hunde mit heller Iris getötet wurden.
quelle: videostill/stefano polliotto
«Ich bin total gegen Wolfsabschüsse » – Jäger hat klare Meinung
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
In Gossau SG ist in der Nacht auf Samstag auf der Autobahn A1 ein 21-jähriger Beifahrer bei einem Verkehrsunfall gestorben. Bei zwei Folgeunfällen kam es zu Verletzten und Totalschaden an den drei beteiligten Autos.
Ein 22-jähriger Mann fuhr mit seinem Auto und mit seinem 21-jährigen Beifahrer kurz nach Mitternacht über den Autobahnzubringer Gossau in Fahrtrichtung St. Gallen auf die Autobahn A1, wie die Kantonspolizei St. Gallen am Samstag mitteilte.
Und gleichzeitig streicht Herr Rösti Gelder für die Ausbildung von Herdenschutzhunden. Scheinheiliger Typ.
Wie viele Schafe sterben jährlich durch Unwetter und wie viele durch Wölfe?