Die Bundesanwaltschaft (BA) ändert ihre Strategie im Kampf gegen die italienische Mafia in der Schweiz. Sie verfolgt mutmassliche Mafiosi nur noch dann, wenn diese Handlungen für die kriminelle Organisation getätigt haben. «Es braucht den Nachweis, dass die Beschuldigten die Organisation konkret in ihrer Aktivität unterstützt haben», sagt Bundesanwalt Michael Lauber im Interview mit der «NZZ am Sonntag». «Dabei können die Unterstützungshandlungen durchaus legal sein und beispielsweise durch einen Anwalt, Treuhänder oder Berater getätigt werden.»
In diesem Zusammenhang hat die BA in den letzten Monaten Strafverfahren gegen mehrere mutmassliche Mitglieder der kalabrischen Mafia ’Ndrangheta eröffnet, wie Lauber weiter sagt. Die Verfahren würden wegen Verdacht auf Beteiligung an einer kriminellen Organisation geführt. «Die Beschuldigten wohnen in der ganzen Schweiz. Sie werden verdächtigt, die ’Ndrangheta mit konkreten Handlungen unterstützt zu haben.»
Dagegen will die Bundesanwaltschaft keine Verfahren allein wegen einer Mafia-Mitgliedschaft mehr führen. «Die reine Mitgliedschaft bei einer kriminellen Organisation reicht für eine Verurteilung nicht aus, darin ist sich die herrschende Lehre einig», sagt Lauber. In diesen Fällen eröffne die Bundesanwaltschaft keine neuen Verfahren und stelle laufende Fälle ein.
Lauber stützt sich dabei auf einen Grundsatzentscheid, den er vor rund zwei Jahren gefällt hat. Welche Verfahren die BA in diesem Zusammenhang konkret einstellt, will Lauber nicht sagen. Alles deutet aber darauf hin, dass eines davon dasjenige gegen mutmassliche Mitglieder der sogenannten Frauenfelder ’Ndrangheta-Zelle ist, wie die Zeitung schreibt. Die BA hatte es 2009 eröffnet; 2010 gelang es den Ermittlern, in einem ’Ndrangheta-Lokal im thurgauischen Wängi geheime Videos zu drehen.
In der Folge wollten die beiden federführenden Staatsanwälte der Bundesanwaltschaft die Beschuldigten wegen Verdacht auf Beteiligung an einer kriminellen Organisation anklagen, wie mehrere gut informierte Personen sagen. Bundesanwalt Michael Lauber habe den Staatsanwälten das Verfahren aber entzogen und dränge heute auf eine Einstellung des Falls. Lauber selbst will dazu nichts sagen. Eine BA-Sprecherin bestätigt der «NZZ am Sonntag» aber, dass die Leitung in diesem Verfahren ausgewechselt worden sei.
Von einer «umfassenden Neubeurteilung» spricht Lauber zudem im Interview auch beim Verfahren gegen den ehemaligen ägyptischen Machthaber Husni Mubarack und dessen Familie, von der rund 700 Millionen Franken in der Schweiz blockiert sind. Auch dort wird wegen des Verdachts der Beteiligung an einer kriminellen Organisation ermittelt, aber auch wegen mutmasslicher Geldwäscherei. Angesichts der Schwierigkeiten mit dem Tatbestand schlägt Lauber dem Parlament vor, das Gesetz zu ändern, um kriminelle Organisationen wirksamer zu bekämpfen. «Der Artikel zur kriminellen Organisation im Schweizer Strafrecht ist in Bezug auf mafiöse Strukturen sehr schwer anwendbar.» (feb/sda)